Bahnstrecke Hamburg – Berlin: Wird die Generalsanierung gar keine Generalsanierung?

Ein Bauleiter übt scharfe Kritik an der geplanten Generalsanierung der Bahnstrecke zwischen Hamburg und Berlin und behauptet, es handelt sich lediglich um eine Instandhaltung. Seine Begründung bedeutet nichts Gutes für weitere Bahnbauprojekte in Hamburg.
Christian Hinkelmann
Bahnbauarbeiten im Zug einer Generalsanierung. (Foto: Deutsche Bahn AG / Oliver Lang)
Bahnbauarbeiten im Zug einer Generalsanierung. (Foto: Deutsche Bahn AG / Oliver Lang)

Es ist die größte Bahnsperrung des Jahres im Norden: die Generalsanierung der Strecke zwischen Hamburg und Berlin. Ab Anfang August wird die 280 Kilometer lange Route neun Monate lang komplett gesperrt, um zig verschiedene Baumaßnahmen gebündelt abzuarbeiten.

Die Folgen für die täglich zehntausenden Fahrgäste sind riesig: Neun Monate lang müssen sie auf insgesamt 26 verschiedene Ersatzbuslinien umsteigen und werden deutlich länger unterwegs sein.

Im Gegenzug bekommen sie – so das Versprechen von Bahn und Politik – eine rundum erneuerte Hochleistungsstrecke, die in den nächsten Jahren weitgehend frei von Baustellen bleiben soll.

Doch es gibt Zweifel, ob diese ambitionierte Zusage eingehalten werden kann. Ein Bauleiter eines involvierten Bahnbauunternehmens meint, dass die angekündigte Generalsanierung in Wirklichkeit nur noch zu einer erweiterten Instandhaltung zusammengeschrumpft sei. Auf einer Branchenveranstaltung nannte er kürzlich die Gründe dafür und zeichnete ein düsteres Bild, das auch für weitere Bahnbauprojekte in Hamburg nichts Gutes verspricht.

NAHVERKEHR HAMBURG erklärt die Hintergründe und was der Infrastrukturchef der Deutschen Bahn dazu sagt.

Generalsanierungen sind ein Schlagwort, das der ehemalige Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und die Deutsche Bahn erfunden hatten. Vor drei Jahren hoben sie den Begriff aus der Taufe, unter dem bis 2030 die wichtigsten Bahnstrecken fit für die Zukunft gemacht werden sollen, indem sie nacheinander jeweils für viele Monate voll gesperrt werden, um dort alle nötigen Modernisierungen am Stück abzuarbeiten.

Als erste Strecke wurde im vergangenen Jahr die sogenannte Riedbahn zwischen Frankfurt am Main und Mannheim nach diesem Konzept modernisiert: Es war ein Prototyp, bei dem hinter den Kulissen offenbar längst nicht alles so glatt lief, wie es die Deutsche Bahn in der Öffentlichkeit

Der Kopf hinter diesem Artikel

Christian Hinkelmann ist begeisterter Bahnfahrer und liebt sein Fahrrad. Wenn er hier gerade keine neue Recherchen über nachhaltige Mobilität veröffentlicht, ist der Journalist und Herausgeber von NAHVERKEHR HAMBURG am liebsten unterwegs und fotografiert Züge.

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6 Antworten auf „Bahnstrecke Hamburg – Berlin: Wird die Generalsanierung gar keine Generalsanierung?“

Wenn man die Kommentare liest – nicht nur zu diesem Artikel hier – dann könnte man den Eindruck gewinnen, dass die Kommentatoren alles viel besser wissen und können als die hauptberuflich damit Beschäftigten. Aber wenn man direkt auf der Baustelle steht, erscheint dann wohl doch so manches nicht so einfach wie bei der Betrachtung von Fotos oder beim Lesen von Artikeln.

Aber ein echtes Problem ist in der Tat das Missverhältnis zwischen den anstehenden Projekten und der zur Verfügung stehenden Baufirmen. Ähnliches wird uns erwarten im Rahmen der vielen anderen großen Infrastrukturprojekte, für welche 500 Milliarden Euro bereitstehen.

Dieser Artikel entspricht weitgehend der Realität und dürfte daher massiven Staub aufwirbeln. Er sollte bei der Politik weite Verbreitung finden.
Das Konzept der Generalsanierung ist weitgehend gescheitert. Es hat zu krass überhöhten Preisen geführt, da die Bau- und Planungsfirmen überhaupt nicht die Kapazität hatten, solche Großbaustellen in so kurzer Zeit abzuwickeln. Angesichts der riesigen Losgrößen gibt es es i.d.R. nur zwei oder drei Anbieter , bei den Arbeiten zur Signaltechnik de facto nur Siemens (Hitachi ist noch kein ernsthafter Konkurrent), d.h. die können schamlos bei den Preisen zulangen. Da sich die DB medial für die Generalsanierung soweit aus dem Fenster gelehnt hat, blieb ihr schlussendlich nichts anderes übrig als die Preisforderungen zu schlucken. So kostete die Generalsanierung der Riedbahn bis dato statt 1,5 jetzt 1,8 Mrd. Euro und die Schlussabrechnung steht noch aus. Für die Generalsanierung Hamburg-Berlin werden 2,8 Mrd. Euro fällig. Aber was dafür gebaut wird, dazu gibt es von der DB keine belastbaren Informationen. Zumindest die Streckenausrüstung mit ETCS wurde schon einmal komplett gestrichen. Und für den Einbau von 6 Überleitstellen braucht man bei weiß Gott nun keine 9 Monate. Pro Überleitstelle bei entsprechender Vorbereitung reicht ein verlängertes Wochenende! Und von wegen Bahnhofssanierung. Es gibt auf der Strecke nur 5 richtige Bahnhöfe, Büchen Ludwigslust, Hagenow, Wittenberge und Nauen. Bis auf Ludwigslust, der noch immer nicht voll barrirerefrei ist, wurden alle Bahnhöfe bei vorherigen Sanierungen erneuert und man könnte froh sein, wenn alle Hamburger Bahnhöfe so aussähen. Und von Bahnhof zu sprechen ist sowieso schon dreist, denn die Bahnhofsgebäude in Ludwigslust, Wittenberge und Hagenow gehören schon seit Jahren nicht mehr der DB und verfallen entsprechend. Die Oberleitung der Strecke entspricht der neuesten Bauart, alle schienengleichen Bahnübergänge wurden im Rahmen der Ausbaumaßnahmen der Strecke auf 230 km/h bereits beseitigt, lediglich die Gleislage ist an einigen Stellen durch Nachstopfen zu verbessern. Wie wäre es liebe DB, wenn Ihr hier ein wenig Kundenfreundlichkeit beweisen und die Generalsanierung absagen und auf einige Wochenendsperrungen beschränken würdet. Die Pendler würden es Euch danken. Und das frei werdende Geld wird dringend für die REaktivierung von bAhnstrecken wie Hamburg-Bergedorf-Geesthacht, Kellinghusen-Wrist oder Tornesch-Uetersen benötigt, die an fehlenden Finanzen in einstelliger Millionenhöhe zu scheitern drohen!

Und wie löst man das Problem? Wenn man die Kommentare liest, wird immer gesagt, wie unmöglich alles ist und wie schlecht alles läuft. Sollen wir jetzt einfach alle aufgeben oder was? Dann brauchen wir wohl eine Politik, die sich noch mehr denn je, mit Herzblut engagiert einsetzt für die Bahn, ohne dauernd nicht zu erfüllende Vorstellungen zu wecken (Ich weiß, hohe Hoffnung). Dann brauchen wir wohl noch mehr Fachkräfte in Planung wie im Bau. Wenn die nicht da sind, müssen wir mehr ausbilden oder die aus dem Ausland holen. Es gibt sicherlich viele Ideen, die alle hundertmal besser sind als „alles ist Mist hier“.

Danke für den Bericht, Christian Hinkelmann!

So sieht’s aus. Es wird schon ganz offen gesagt, dass die nächste Vollsperrung fünf Jahre danach kommen wird, wenn das jetzt zwischen Büchen und Nauen gecancelte ETCS dann dort eingebaut werden soll. Ironisch gesagt, ist diese Strecke (und da muss ich auch immer wieder darauf verweisen, dass es ebenso die Verbindung nach Mecklenburg-Vorpommern betrifft) wirklich schon fast mehr gesperrt, als im „normalen Betrieb“. Die Hoffnung besteht wenigstens, dass in fünf Jahren endlich Lübeck-Bad Kleinen elektrifiziert ist, damit darüber dann ein halbwegs vernünftiger Alternativverkehr eingerichtet werden kann, auch wenn diese Strecke weiterhin eingleisig bleiben wird.

Vor Ostern hatte ich noch das Glück, nach Rostock mit dem RE1 durchfahren zu können. Bei der Rückfahrt am Sonntag eine Woche später war dann wieder die Strecke ab Bad Kleinen gesperrt, sodass es wieder mit der „Bimmelbahn“ nach Lübeck gehen musste.
Mal sehen, womit ich Anfang Juni überrascht werde, wenn ich nochmal dorthin fahren werde?

Ja, die Planung zur S4 kann man sicherlich in den Wind schreiben. In „meinem“ PFA 2 hat sich nichts getan und die Tonndorfer Brücken sind weiterhin vom üppigen Grün umrankt. Im lächerlich kurzen PFA 1 ist im Grunde die einzige Neuheit, dass jetzt die Stützfundamente für die Ostseite der Bovestraßenbrücke gegossen wurden. Ansonsten ist bis auf die vergrößerte Baugrube für das Tieferlegen der S1 stadtauswärts und neuer Lärmschutzwände alles beim alten.
2027 wird wohl nur ein Gerücht und alles bei Bussen bleiben. Wenigstens beginnt die Hochbahn wohl bei uns mit der „Generalsanierung“ der Bushaltestellen. Wendemuthstraße stadteinwärts ist jetzt deswegen gesperrt.

Endlich wird sichtbar, dass Politik und Bahn völlig illusorische Erwartungen geweckt haben. Jetzt sieht man, welche Ahnungslosigkeit hinter der grünen Verkehrswende steckt. Ingenieure hat man nicht gefragt. Die wussten nämlich schon 2019, dass die ganzen Versprechungen an die Klimabewegung nichts als Luftschlösser waren.

Denn um die Bahn wieder ins Gleis zu bringen, müssten tausende Kilometer Strecken neu gebaut werden um die vielen zusätzliche Züge unterbringen zu können. Die zu wenigen Planer sind aber schon überfordert, die Sanierungen richtig zu planen und die Baufirmen können nicht einmal diese viel zu wenigen Pläne bauen.

Ergebnis: Die Baukosten explodieren. Bei der Schiene noch viel mehr als bei der Straße. Für die Milliarden aus dem Sondervermögen bekommt man am Ende wahrscheinlich weniger als man ohne Sondervermögen zu den alten Preisen bekommen hätte. Nur wer immer noch an den Weihnachtsmann glaubt, kann jetzt noch an eine große Verkehrsverlagerung auf die Bahn glauben.

Danke für diesen interessanten Artikel.
Der VET ist tot, wer will denn die 15 Milliarden € bezahlen.
Und VET wurde bisher nie mit einer Kosten/Nutzenanalyse bedacht.
Der Bahnknoten HH hat ganz andere Probleme und verschlimgt viel Geld!
z.B. Sanierung der Elbbrücken.
Und da werden massive Störungen und anders auf die Bahnkunden zu kommen
Warum überhaupt HH-Berlin für 15 Monate gesperrt ist und was da generalsaniiert werden soll, ist weiterhin nicht im Detail bekannt.
Die Strecke ist in den letzten Jahren ja schon 3x gesperrt gewesen und es wurde saniert und erneuert: z.B. Bahnschwellen und neu geschottert.

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