Eigentlich, so sollte man meinen, sind die verkehrspolitische Prioritäten in Hamburg derzeit klar gesetzt. Seit die Grünen im Sommer vergangenen Jahres die neu gegründete Verkehrsbehörde führen und den klaren Auftrag haben, die Mobilitätswende zu organisieren (siehe hier), steht das Ziel fest: Weniger Autoverkehr, mehr ÖPNV und Fahrrad.
Und um diese Verkehrswende konsequent durchsetzen zu können, wurde die neue Behörde mit allerlei Kompetenzen ausgestattet. Zu ihr gehören das stadteigene Verkehrsplanungsbüro, der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer, die Parkraumüberwachung, das Amt für Verkehr und Teile der oberen Straßenverkehrsbehörde. Damit liegt alles, was für die strategische und konzeptionelle Verkehrsplanung nötig ist, bei der Verkehrsbehörde.
Doch einen wichtigen Bereich kontrolliert die Verkehrsbehörde nicht: Die praktische Anwendung des Verkehrsrechts, wie beispielsweise die Anordnung oder Aufhebung von Radwegebenutzungspflichten oder Tempo-30-Zonen. Für diese Themen ist weiterhin die SPD-geführte Innenbehörde zuständig.
Und wie diese Aufteilung eine konsequente Verkehrswende im praktischen Alltag immer wieder ausbremsen kann, zeigt ein aktuelles Beispiel aus dem Bezirk Eimsbüttel – dem Bezirk, in dem seit 2019 eine grün-schwarze Koalition regiert, die sich ebenfalls eine Abkehr vom Autoverkehr auf die Fahnen geschrieben hat (siehe hier).
Was ist passiert? Alles fing im Januar 2020 mit einem gemeinsamen Antrag von Grünen und CDU in der Eimsbütteler Bezirksversammlung an. Darin monierten beide Parteien fehlende Fahrradwege an der Hallerstraße zwischen der Rothenbaumchaussee und dem Mittelweg – eine rund 350 Meter lange und eher ruhig gelegene zweispurige Straßenverbindung am Tennis-Stadion Rotherbaum, an der die Metrobuslinie 15 ihren östlichen Endpunkt hat (Drucksache 21-0687).
Bezirks-Koalition fordert Tempo 30 auf Hallerstraße
Die Straße ist zwar Teil der Bezirks-Fahrradroute D, doch Radwege sind dort bislang nicht in Planung. Radfahrende müssen sich im Mischverkehr zwischen Autos, Lastwagen und Bussen behaupten – bei Tempo 50.
Damit Radfahrerinnen und Radfahrer dort künftig sicherer unterwegs sind und um den teuren Bau von neuen Radwegen zu vermeiden, bat die Eimsbütteler Koalition die damalige Vorsitzende der Bezirksversammlung, Miriam Putz, sich beim zuständigen Polizeikommissariat 17 für eine Tempo 3…
5 Antworten auf „Behörden-Streit: Innenbehörde verweigert Tempo 30 in der Hallerstraße“
Leider wurde bei dem letzten Zuschnitt der Behörden versäumt, die untere Verkehrsbehörde den Verwaltungseinheiten zuzuschlagen , zu denen sie auch gehört. Sie sollte bei den Bezirken und / oder der Mobilitätsbehörde angesiedelt sein, dann würde es derartige Probleme nicht geben. Seit Jahrzehnten blockiert die Untere Verkehrsbehörde Entscheidungen aus den Bezirken zu Tempo 30 Zonen. Die untere Verkehrsbehörde ist Teil der Innenbehörde, einer SPD geführten Behörde die sich schon immer sehr schwer damit tat, Tempo 30 oder Zebrastreifen anzuordnen. Man scheint dort doch immer noch sehr, sehr unbeweglich zu sein. Ich gehe mal davon aus, dass es nicht Wille der Behördenleitung ist, Entscheidungen und Wünsche der Bezirke und der Mobilitätsbehörde zu torpedieren!?
In Altona haben wir gerade das gleiche Problem.
Antrag der Grünen, CDU und SPD mit den Stimmen der Linken verabschiedet: „Mehr Tempo 30 in Altona ermöglichen – Wünsche aus der Bevölkerung beachten“ für die Straßen Barnerstraße, Lessingtunnel und Julius-Leber-Straße. (Drucksache – 21-1779 vom 25.03.21)
Die Entscheidung steht noch aus.
Ihr Artikel stimmt nicht gerade hoffnungsfroh.
Welcher Film läuft hier eigentlich ab? Jahrelange Streitigkeiten, Gutachten? Es läuft wirklich etwas verkehrt in diesem Land, wenn trotz politischem Willen nicht mal 350 Meter in Tempo 30 umgewandelt werden können, weil es halt noch nicht genug Verletzte und Tote gab. Die paar Sekunden, die man dem ÖPNV (fährt an der Stelle meist sowieso nicht besonders schnell) und MIV abjagt, können kaum so schützenswert sein, dass der Behörde komplett die Hände gebunden sind.
Bezirksämter sind halt auch nur Fachbehörden, denen man mit den Bezirksversammlungen eine dezent demokratische Kontrolle zugesichert hat und ihnen einige hoheitliche Aufgaben übertrug, die normalerweise Kommunen ausüben, z.B. die kleinteilige Bebauungsplanung für nicht-gesamtstädtische Vorhaben.
Eine Diktatur wäre natürlich leichter, wo man ohne Rücksicht auf Belange anderer einfach durchregieren könnte, um so schnell gestalten und verwalten zu können, dass möglichst keine andere Verwaltung oder gar Bürger ihre Interessen einbringen können.
Das letzte Mal als ich nachgesehen hab, wurden die Bezirksvertreter noch demokratisch gewählt. Korrigieren sie mich, wenn ich da falsch liege. Es gibt da aber nun einen Koalitionsvertrag, Diskussionen, Verhandlungen in der Versammlung etc. Wie jetzt die Entscheidung der übergeordneten Innenbehörde demgegenüber als großer demokratischer Gewinn betrachtet werden kann, können sie gerne noch genauer ausführen. Und noch einmal, welche Belange anderer wurden hier denn großartig berührt? Das Recht auf 350 Metern 50 statt 30 kmh zu fahren? Vielleicht wäre es ein Beispiel für andere Straßen, dass es nicht nur bei den paar Hundert Metern bleiben würde, kann sein. Aber auch nur, weil es mit Sicherheit auch dort gute Gründe für gibt.