Frühjahr 2015: Nach langem Streit und hochemotionalen Debatten um den geplanten Umbau des Mühlenkamps in Winterhude haben der Hamburger Senat und die Volksinitiative “Stopp des Busbeschleunigungsprogramms” endlich einen Kompromiss gefunden: Der Mühlenkamp wird umgebaut, der Senat verzichtet auf eine Verlegung einer Haltestelle – bekommt dafür aber seine gewünschte Mittelinsel in der Einkaufsstraße und ein Abbiegeverbot aus Richtung Norden in die Gertigstraße.
Ein Jahr nach dem Umbau soll mit Vorher/Nachher-Verkehrsmessungen ausgewertet werden, ob die drei Hauptziele erreicht wurden:
- Die Busse müssen im Mühlenkamp in beide Richtungen im Schnitt um 30 Sekunden schneller werden.
- Der Verkehr darf in den Anwohnerstraßen östlich des Mühlenkamps nicht stärker als 10 Prozent (Semperstraße: 20 Prozent) zunehmen.
- Die Zahl der Verkehrsstörungen, beispielsweise durch überfüllte Abbiegespuren, muss um mindestens 20 Prozent sinken.
Werden diese Ziele nicht erreicht, sollen die Mittelinsel und das Abbiegeverbot wieder verschwinden.
Die Ergebnisse der Verkehrsmessung
Am vergangenen Freitag war es nun soweit: Der Senat stellte im Verkehrsausschuss der Bürgerschaft die Ergebnisse der versprochene wissenschaftliche Vorher-Nachher-Analyse eines externen Gutachterbüros aus Hannover vor.
Kurz zusammengefasst:
- Die Metrobuslinie 6 ist durch den Umbau im Schnitt um 20 bis 25 Sekunden (stadtauswärts und stadteinwärts) schneller geworden – in einzelnen Stunden wurden sogar 30 Sekunden erreicht.
- Die Verkehrsbelastung in den Anwohnerstraßen östlich des Mühlenkamps ist im Schnitt um weniger als 10 Prozent gestiegen. In der Gertigstraße, Preyerstraße und Peter-Meyer-Straße ging das Aufkommen sogar um bis zu 36 Prozent zurück. Ausnahme: Die Semperstraße: Hier hat die Zahl der gezählten Fahrzeuge an insgesamt drei Zählstellen um bis zu 75 Prozent zugenommen.
- Die Störungen des Busverkehrs konnten laut Analyse um 94 Prozent verringert werden. Falschparker bleiben laut Analyse die häufigste Störquelle im Mühlenkamp. Vor dem Umbau wurden täglich 327 illegale Parker gezählt, danach waren es pro Tag immerhin noch 75.
Bis auf das Thema “Verkehrsstörungen” wurden also nicht alle Zielwerte vollständig erreicht. Trotzdem hält der Senat die Vorgaben für erfüllt: “Unter dem Strich zeigt die Evaluation auf, dass die Busbeschleunigung am Mühlenkamp ein Erfolg ist”, so Verkehrsstaatsrat Andreas Rieckhof (SPD). “Der Bus kommt auf dem kurzen Abschnitt deutlich schneller durch und das Wohnquartier wird spürbar vom Verkehr entlastet.”
Eine Mittelinsel im Mühlenkamp soll 2. Reihe-Parker verhindern und den Busverkehr beschleunigen
Opposition fordert Rückbau der Verkehrsinseln im Mühlenkamp
Die Opposition und die Volksinitiative sehen das naturgemäß anders. Sie erklärten die Busbeschleunigung im Mühlenkamp am Freitag im Verkehrsausschuss für gescheitert, da nicht alle Ziele erreicht worden seien.
Hauptkritik war die Verkehrszunahme in der Semperstraße. Außerdem zweifelte die Initiative die Zahlen der Analyse an und kritisierte, dass nur die Metrobuslinie 6 aber nicht die ebenfalls durch den Mühlenkamp fahrende Linie 25 gemessen und ausgewertet wurde. Schließlich sei in der damals geschlossenen Kompromissvereinbarung allgemein vom Busverkehr zwischen Hofweg und Goldbekplatz die Rede gewesen und nicht von einzelnen Linien.
CDU, FDP und Vertreter der Volksinitiative forderten einen sofortigen Rückbau der Maßnahmen im Mühlenkamp.
Dazu wird es aber wohl nicht kommen, denn der Senat betonte, dass das vereinbarte Ziel schon dann erreicht sei, wenn mindestens eines der drei Teilziele erfüllt sei. Außerdem sei bislang immer nur über die Metrobuslinie 6 gesprochen worden.
Ein Falschparker in einer Busbucht behindert den Busverkehr im Mühlenkamp in Winterhude. Der Bus kann die Haltebucht nicht richtig anfahren.
Behörde will Verkehrsinseln möglicherweise optimieren
Stattdessen will die Verkehrsbehörde die umstrittenen Verkehrsinseln im Mühlenkamp optimieren. Möglich sei zum Beispiel, die Insel im Bereich eines Fußgängerüberwegs um einen Meter einzukürzen, da es in der Vergangenheit dort öfter zu Stürzen gekommen sein soll. Außerdem könnte die Insel eine stärkere Kontrastfarbe erhalten.
Auch das Abbiegeverbot von Richtung Norden in die Gertigstraße soll bleiben. Dies sei das Herzstück der Busbeschleunigung am Mühlenkamp, so der Leiter des Busbeschleunigungsprogramms, Roland Hansen, vom Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer. Nach seinen Worten könnte die Verkehrsinsel, die das Abbiegen verhindern soll, aber umgestaltet werden. So könnte die Fahrradspur, die derzeit noch quer durch über Insel läuft, künftig drumherum geleitet wird.
Ein weiterer Streitpunkt in der Ausschusssitzung war die Öffentlichkeitsarbeit des Senats beim Thema Busbeschleunigung im Mühlenkamp. Opposition und Volksinitiative kritisierten, dass das Ergebnis der Verkehrsanalyse – immerhin rund 50 Seiten – erst in der Nacht vor der Ausschusssitzung im Internet veröffentlicht wurde und somit nur wenig Zeit zum Studium der Unterlagen blieb.
Und immer wieder blockieren Falschparker einen neuen Fahrrad-Schutzstreifen im Mühlenkamp und behindern damit den Verkehr
Eine von der FDP vorgeschlagene Vertagung der Diskussion lehnte der Ausschuss mehrheitlich ab. Ebenso lehnte Verkehrsstaatsrat Rieckhof eine Präsentation der Studienergebnisse im Rahmen einer Bürgerveranstaltung ab.
Die Ergebnisse der Verkehrsstudie (Vorher/Nachher-Vergleich)
Evaluierung der Busbeschleunigung im Mühlenkamp
Lesen Sie hier die gesamte Studie im Original
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Die Überwachung des ruhenden Verkehrs hat offenbar einen erheblichen positiven Einfluss auf den Verkehrsfluss, trägt sich selber (immense Einnahmen durch Bußgelder möglich, siehe die Schätzungen des Rechnungshofes) und schafft dazu noch den einen oder anderen Arbeitsplatz – wieso wird das nicht erheblich intensiviert? Wieso werden keine U-Bahnen gebaut? Wieso geht niemand die zahlreichen Probleme durch den überbordenden MIV an?
Wie bitte? Was? Hamburg? Ach ja, stimmt ja.
Und warum ist im Foto das Autokennzeichnen unkenntlich gemacht? Der parkt doch illegal, da kann doch schon etwas ‘naming and shaming’ machen?
Ich finde es zunächst mal richtig gut, dass die Ergebnisse so eines Umbaus evaluiert werden. Das wünsche ich mir öfter.
Ich finde nicht gut, dass man nun meint, dass bei Nichterreichung einiger Ziele gleich alles wieder weg muss. Besser wäre zu Fragen, warum etwas nicht funktioniert hat und das zu verbessern.
Und ich finde es extrem schlecht, dass die weiteren Auswirkungen insbesondere auf Fuß- und Radverkehr nicht betrachtet wurden. In der Gertigstraße z.B. ist das Einkaufen, flanieren und Rad fahren viel besser geworden. Da wünsche ich mir noch mehr Maßnahmen, um den Autoverkehr da raus zu holen, z.B. kein Linksabbiegen mehr von der Barmbeker Straße für die Autos und dafür ein vernünftiges Abbiegen für die Radahrer. Dann könnte die Gertigstraße noch mehr gewinnen.