In Zeiten von Klimakrise und Personalmangel sollen sie bei der Verkehrswende helfen: Fahrerlose Shuttlebusse, die in großer Zahl durch Hamburgs Straßen steuern und die Fahrgäste hauptsächlich dorthin bringen, wo das HVV-Netz Lücken hat.
Bis 2030 will die Hansestadt bis zu 10.000 solcher Fahrzeuge im Einsatz haben. Drei Hamburger Unternehmen arbeiten derzeit an der Entwicklung und testen unterschiedliche Fahrzeuge: die Hochbahn, die Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein und der Shuttledienst-Anbieter Moia, der zu Volkswagen gehört.
Im NAHVERKEHR HAMBURG-Interview erklärt Rainer Becker, Director Business Development bei Moia, wo die Entwicklung aktuell steht und welchen größten Vorteil er im autonomen Shuttleverkehr sieht – die eingesparten Personalkosten durch wegfallendes Fahrpersonal sind es nicht.
NAHVERKEHR HAMBURG: Ab dem kommenden Jahr will Moia in Hamburg die ersten Fahrgäste mit fahrerlosen Shuttles befördern. Wie weit sind die Tests und Vorbereitungen?
Rainer Becker: Aktuell testen wir eine zweistellige Zahl an Fahrzeugen, die autonom mit Sicherheitsfahrer an Bord durch Hamburg fahren. Und wir sind gerade dabei, die autonomen Testfahrzeuge in die Moia-Softwareumgebung zu integrieren. Bisher mussten wir ins Auto einsteigen, das Ziel in den Bordcomputer tippen und dann fuhr es los. In Zukunft wollen wir die Shuttles von Außen steuern, indem man über die App definiert, von wo nach wo man fahren möchte, und dann bekommt man ein passendes Shuttle zugewiesen, das zum vereinbarten Abholpunkt kommt. Diese Interaktion zwischen unserer Moia-Software und der Fahrzeugsoftware integrieren wir gerade. Im kommenden Jahr wollen wir dann mit einem sogenannten „Closed User Group Testing“ starten. Das bedeutet: Eine Gruppe ausgewählter Fahrgäste wird dann über die Moia-App autonome Shuttles buchen können. Die Fahrzeuge fahren dann vollautomatisch zu den Fahrgästen hin und bringen sie zu ihrem Ziel. Während dieser Tests werden Sicherheitsfahrer an Bord sein.
NAHVERKEHR HA…
7 Antworten auf „„Der größte Vorteil an autonomen Shuttles sind nicht die eingesparten Personalkosten““
Wie werden denn die technischen Probleme bei Moia gelöst, die jetzt existieren. Da sind Unterschiede in den Haltepunkte, wie sie in der Kunden-App und dem Fahrer gezeigt werden. Oder das Fahrten einfach aus dem System verschwinden? Wie findet das Fahrzeug den einen Kunden, den er einsammeln soll und besonders, wenn er oder sie blinde oder stark sehbehindert ist? Das klappt auch mit Fahrer nicht zu 100%.
Das Veranstalltungsbeispiel ist doch lächerlich. Erstens, wenn Moia da 10 Autos hinschickt wird das keinen Unterschied machen, wenn es 10.000 sind ist das Ergebnis ein großer Stau. Zweitens, es gibt doch selbst in Hamburg nicht genug Veranstaltungen die sowas brauchen damit Moia wirtschaftlich wäre.
Jetzt muss ich leider gleich noch nachlegen. Selbst die Überliegeplätze der noch gar nicht existierenden Linie X27 stehen in der Kritik, wegen „Parkplätzen!!!!“:
https://www.lok-report.de/news/deutschland/aus-den-laendern/item/54011-hamburg-neue-bushaltestelle-poppenbuettel-bringt-freud-und-leid.html
Leider haben Sie nicht gefragt, wie das zukünftige Geschäftsmodell mit 10.000 Fahrzeugen aussehen soll.
Wenn es eine Ergänzung zum bisherigen ÖPNV ist: Wie teuer ist das pro Jahr und wer bezahlt das?
Eine sehr spannende Entwicklung, danke für das Interview. Man darf gespannt sein, was die kommenden Jahre passiert. Ich habe mir dazu auch mal Gedanken gemacht. Ich für mich persönlich bin zum Schluss gekommen: Autonomes Fahren ist eine großartige Chance, die Abhängigkeit vom privaten Kfz zu verringern. Allerdings vor allem in Bereichen, die mit dem herkömmlichen liniengebundenen ÖPNV nur schwer erschlossen werden können und auch nur, wenn die Angebote gut in die bestehenden ÖV-Strukturen integriert sind.
In den dichteren, städtischen Gegenden, die ein besseres Angebot im ÖPNV und auch für den Radverkehr haben, entsteht wohl eher eine Konkurrenzsituation und es werden durch Angebote wie MOIA in diesen Gegenden Fahrten vom Umweltverbund kannibalisiert, während kaum jemand vom Auto zu Moia abwandert. Das deutet sowohl eine von Moia selbst in Auftrag gegebene Studie an, als auch vergleichende wissenschaftliche Untersuchungen von Ioki und Moia.
In den städtischeren Gegenden bekommen wir dann das Problem, dass verhältnismäßig viele Fahrgäste aus den flächeneffizienten Verkehrsträgern ÖPNV und Rad auf den weniger flächeneffizienten Verkehrsträger Moia abwandern, und das vor allem in Gegenden, die heute schon von sehr starker Flächenkonkurrenz geprägt sind.
Moia selbst erreicht in einer eigens von der Firma in Auftrag gegebenen Studie selbst im Maximalszenario, d.h. 5000 autonome Fahrzeuge bei einem halbierten Preis (im Vergleich zu 2019) in einem ausgedehnten Hamburger Bediengebiet bei gleichzeitigem Ausbau des ÖPNV und Radverkehrs sowie Verteuerung des privaten Kfz-Verkehrs nur eine durchschnittliche Belegung von 1,83 Fahrgästen pro Fahrzeug.
Der private PKW hat im Durchschnitt im Berufsverkehr etwa 1,1 Personen und im Gesamtdurchschnitt etwa 1,4 „Fahrgäste“ je Fahrzeug. Moia wäre da also selbst im Bestfall (!) eigenen Untersuchungen zu Folge nur unwesentlich besser. Wenn diese Fahrgäste sich dann auch noch überwiegend aus vormals Rad oder ÖPNV fahrenden Menschen rekrutieren, die nun statt im Bus oder auf dem Sattel im Moia-Großraumtaxi sitzen, haben wir für die Verkehrswende nichts gewonnen.
Also: In den ÖPNV integriert in Außenbereichen super. Als Konkurrenzangebot zu bereits gut versorgten innerstädtischen Gebieten eher problematisch. Da wäre angesichts der Flächenknappheit und den Herausforderungen der Verkehrswende und des hitze- und wassersensiblen Straßenumbaus stattdessen ein verstärkter Ausbau des flächeneffizienteren straßengebundenen ÖPNV (Bus/Tram) mit mehr eigenen Trassen und besseren Angeboten für den Radverkehr sinnvoller als auf autonome Shuttles zu setzen.
Im Detail habe ich das hier aufgeschrieben:
Teil 1 – Moia: https://www.arnewitte.de/autonome-fahrzeuge-im-oev-warum-moia-kaum-als-partner-der-verkehrswende-taugt/
Teil 2 – Holon Mover/ÖPNV: https://www.arnewitte.de/autonome-fahrzeuge-im-oev-warum-angebote-wie-der-holon-mover-richtig-und-wichtig-sind/
Jetzt muss ich wie immer mal wieder Wasser in den Wein schütten.
Was nützt es autonome Fahrzeuge in der Hafencity (siehe „Symbolbild“ oben) herumgurken zu lassen, oder die Osterstraße rauf und runter, oder um den Altonaer Prellbockbahnhof herum, oder meinetwegen auch in Winterhude, wenn im bevölkerungsreichsten Hamburger Bezirk die mit den Grünen abgesegnete Entwicklung in Richtung eines verstärken Individualverkehrs geht. Die Grünen sind hier wirklich in allem umgefallen, was nur geht. Aber hey, dann bleibt für die eben nur noch, „den Bezirk bestmöglich auf Folgen des Klimawandels vorzubereiten“. (Alles im Detail nachzulesen in Wandsbek informativ 11/2024, auch die ganzen Beispiele von „Parkraumvernichtung“.) Und offenbar gibt es nur bei der Bahn Güterverkehr mit „lauten Ungetümen“, nicht auf der Straße.
Jetzt bin ich mal auf ein Statement von Frau Domm gespannt, oder einer oft hier schreibenden Grünenpolitikerin.
Und dann bin ich auch noch auf die Gründung des BSW im Bezirk gespannt. Das wird bestimmt die nächste Autofahrerpartei.
Eine wichtige Frage ist, wie diese 10.000 fremdgesteurten Fahrzeuge sich in das bestehende ÖPNV Angebot integrieren lassen, ohne das die kleinen Gefäße von VW und Co. die großen energetisch effizenteren (wenn gut gefüllt) Busse und Bahnen den Rang ablaufen. Ohne das der öffentliche Verkehr durch einen von privatwirtschaftlich Interessen geprägten Unternehmen kannabalisiert wird.
Wichtig sind klare Regeln, die vorgeben welche Fahrbeziehungen von Moia und Co z.B. direkt angeboten werden dürfen und wo eine Einbindung des bestehenden ÖPNVs vorgeschrieben ist. Auch muss klar sein, dass diese Anbieter nicht das bereits gut erschlossene innere Stadtgebiet überfluten dürfen, sondern vorrangig dort Angebote schaffen müssen wo es bisher kein gutes ÖPNV Angebot gibt. Wenn man diese Fragen gut gelöst werden, dann sehe ich eine große Chance für die Verkehrswende. Wenn dies aber nicht gelingt, sehe ich die reale Gefahr das die Alternativlosigkeit „Auto“ betrieben von privatwirtschaftlichen Unternehmen, den ÖPNV über kurz oder lang ganz auflöst und uns nur das Auto mit kleinsten Gefäßen bleibt, die unsere Straßenräume überflutet.