„Die DB beschönigt missliche Lagen so lang, bis es keine andere Wahl mehr gibt“

Aus dem Ruder laufende Bauprojekte, verschleppte Mängel, Qualitätsprobleme und ständig neue „Jetzt-aber-wirklich-Versprechen“. Die Deutsche Bahn löst viele Probleme nur durch PR, ohne dass wirklich etwas besser wird, kritisiert ein Lobbyverband. Im NAHVERKEHR HAMBURG-Interview erklärt dessen Geschäftsführer, wie Hamburgs Politik den Bahn-Konzern besser kontrollieren könnte. 
NAHVERKEHR HAMBURG Redaktion
Bauarbeiten im S-Bahn-Netz in Hamburg.
Bauarbeiten im S-Bahn-Netz in Hamburg.

Drei Jahre für eine einfache Treppe, ständige Terminverschiebungen für eine zusätzliche S-Bahn-Linie auf vorhandener Strecke nach Harburg und neue Bahnhöfe, die erst mit jahrelanger Verspätung fertig werden: Bahn-Fahrgäste in Hamburg und Umland sind viel Kummer gewohnt, wenn es um die Deutsche Bahn geht. Selbst die Reparatur einer simplen Rolltreppe kann bei der DB gern mal viele Monate dauern – in einem Kaufhaus undenkbar. 

Andererseits werfen die Marketing-Abteilungen der Deutsche Bahn mit wohlklingenden Qualitätsoffensiven, Modernisierungsprogrammen, Bündnissen, 10-Punkte-Plänen, Generalsanierungen und Investitionspaketen inflationär um sich. Die Botschaft dahinter: Hier wird angepackt und vorangetrieben. 

Es scheint, dass Realität und Marketing beim Bahnverkehr immer weiter auseinanderklaffen – nicht nur in Hamburg, sondern in der ganzen Republik. Und die Politik steht vermeintlich tatenlos daneben und tut zu wenig, so der oft geäußerte Vorwurf unter leidklagenden Fahrgästen. Dass die Eröffnung des neuen S-Bahnhofs Ottensen von der DB siebenmal verschoben wurde? Keine öffentliche Reaktion von Hamburgs Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne). Dass die Wiedereröffnung des S-Bahnhofs Diebsteich sich inzwischen um rund anderthalb Jahre verzögert? Keine Reaktion seitens der Stadt. Dass sich die Einführung der neuen S-Bahnlinie S6 nach Harburg seit Jahren immer weiter nach hinten verschiebt? Keine kritischen Worte vom Senat. 

Die Politik scheint oft machtlos gegen die Deutsche Bahn – egal, ob man im Umgang mit dem weit verzweigten Konzern eher den diplomatischen Weg wählt, wie offenbar Verkehrssenator Tjarks, oder die offene Konfrontation, wie sein schleswig-holsteinischer Amtskollege Claus-Ruhe-Madsen (CDU). Die Zusammenarbeit mit der DB gilt häufig als schwierig. Die von der Bahn immer wieder neu aufgetischten Problemlösungen und Offensiven sind für Politikerinnen und Politiker oft nur schwer überprüfbar – schon gar nicht, wenn es darum geht, einen Gesamtüberblick zu bekommen. 

Der Lobbyverband „Die Güterbahnen“ hat sich genau das zur Aufgabe gemacht. Der Verband, in dem sich über 100 private Güterzugunternehmen zusammengeschlossen haben, kennt einen Großteil des von der DB InfraGO betriebenen Schienennetzes und vor allem dessen Schwachstellen. Seit Jahren arbeitet er sich strukturiert durch die vielen Dokumente und technischen Details im Bahn-Dschungel, um so klar wie möglich aufzuzeigen, wo es im deutschen Bahnnetz wirklich klemmt – auch auf Strecken, die von Personenzügen befahren werden. Für den Personenverkehr gibt es keine vergleichbare Initiative. 

NAHVERKEHR HAMBURG hat mit Peter Westenberger, dem Geschäftsführer von „Die Güterbahnen“, darüber gesprochen, warum es bei Bauprojekten der DB so oft hakt, wie sich das Tempo erhöhen ließe und was Städte und Ländern tun können, um Kostenexplosionen und Verzögerungen zu verhindern.

NAHVERKEHR HAMBURG: Ihr Verband hat der Deutschen Bahn vorgeworfen, dass sie ihre Probleme vielfach nur durch PR und „Jetzt aber wirklich“-Versprechen lösen wolle, jedoch tatsächlich nichts besser werde. Woran machen Sie das fest? 

Peter Westenberger: Wir lesen von der Deutschen Bahn tatsächlich häufig tolle Ankündigungen, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt umgesetzt werden sollen. Wenn dieses Ziel nicht erreicht wird, gibt es meist keine offene Kommunikation dazu, sondern ein stilles Revidieren des eigenen Ziels – oder es wird gar nichts mehr gesagt. Für Politiker:innen oder die Medien ist es kaum möglich, das dauerhaft nachzuvollziehen, um das Muster dahinter zu erkennen. Das ist aber wichtig, wenn man die Arbeit der DB bewerten und als Eigentümer und politisch Verantwortliche darauf im Sinne der verkehrspolitischen Zielsetzungen Einfluss nehmen möchte. Das gilt besonders für die – zumindest nach Aussagen von Bund und DB – gemeinwohlorientierte Schieneninfrastrukturgesellschaft DB InfraGO AG. Wir haben dafür unseren Rechercheblog DB-Watch (db-watch.de) ins Leben gerufen. Dort verfolgen wir die Aktivitäten der DB InfraGO und bereiten das Gesammelte verständlich auf.  

Der Kopf hinter diesem Artikel

Hier schreiben die Autorinnen und Autoren der NAHVERKEHR HAMBURG-Redaktion mit einem konstruktiv-kritischen Blick auf nachhaltigen Nahverkehr und die Verkehrswende in Hamburg.

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9 Antworten auf „„Die DB beschönigt missliche Lagen so lang, bis es keine andere Wahl mehr gibt““

Das bei der DB nichts Rund läuft, zeigt die Strecke Hamburg – Berlin, im nächsten Jahr soll zum vierten Male innerhalb von weniegen Jahre die Strcke gemacht werden. Aber warum finden dann schon jetzt lfd. Streckensperrungen statt?
Aber die Krönung ist, wenn im nächsten Jahr die gesamt Strecke gespert wird, wird der Verkehr zwischen Stendahl und Uelzen umgeleitet. Aber die Strecke ist größteils eingleisig, also was soll es was werden? Denn die Strecke soll erst nach der Sperrung der Hauptstrecke Hamburg – Berlin auf zwei Gleise wieder aufgebaut werden, völlig schwachsinnige Planung.

Hallo Susi Norgall,
das ist der gleiche Schwachsinn, wie das Hinauszögern der Elektrifizierung der Strecke Lübeck-Bad Kleinen. Da ist schon seit Jahren bekannt, dass sie als Abfuhrstrecke für die Fehmarnbeltquerung benötigt wird, lange bevor irgendjemand etwas von Hochleistungskorridorsanierung gesagt hatte. Und getan hatte sich nichts. (Außer, dass jetzt am neuen Schaltposten Bad Kleinen der Oberleitungsabzweig nach Lübeck berücksichtigt wurde.) Jetzt gibt es dort pro Tag einen Alibi-IC mit Diesellok nach Rügen, wo anderenfalls (fast) alle ICEs dieser Richtung dort hätten umgeleitet werden können. Ansonsten nur noch die „Stadttore-Linie“ mit kurzen Triebwagen.

Was außerdem noch die Durchlassfähigkeit der Strecke Stendal-Uelzen verringert, sind die absolut nicht für eine Durchbindung über diese Linie ausgelegten Endbahnhöfe. Da muss es jedesmal erst kreuz und quer und langsam über die Weichenverbindungen gehen. Stendal ist vorrangig auf die SFS Berlin-Hannover und dann noch auf die Nord-Süd-Verbindung ausgelegt, und Uelzen natürlich auf Hannover-Hamburg.

Auch wenn sie in ihrem Grundsatz eine sinnvolle Forderung (mehr Güterverkehr per Bahn) unterstützen, geht es „den Güterbahnen“ doch in erster Linie um die Bilanzergebnisse ihrer Mitglieder – nicht um eine gesamtgesellschaftlich vorteilhafte Verkehrswende. Dazu gehört eben auch, dass die DB (bei aller durchaus berechtigter Kritik) eben grundsätzlich pöse pöse ist und am besten so schnell wir möglich aufgespalten und verkauft werden sollte.
Einen neutralen Standpunkt vertritt der Verband also nicht und wenn man nach den persönlichen Meinungen der Manager gehen würde, müsste man jeglichen Personenverkehr auf Zweistundentakte reduzieren, um Platz für möglichst viel SGV zu schaffen. Immerhin, die hier getätigten Aussagen wirken doch einigermaßen reflektiert und nicht so einseitig wie sonst oft vom Verband zu lesen ist.

Am Ende ist das Problem so oder so hausgemacht. Solange die Eisenbahn in Deutschland nur das Stiefkind des Bundesverkehrsministeriums ist, lässt sich durch Umfirmierungen und neue Strukturen nicht viel erreichen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es bei einer ausreichenden finanziellen Ausstattung des Systems Schiene (auf die man derzeit nur hoffen kann) auch nötig ist, die Handlungsspielräume der Bahn so zu erweitern, dass sich mit diesem Geld auch etwas anfangen lässt und es nicht jahrelang durch Inflation an Wert verliert, während NIMBYs jegliche Nutzung durch dauerhafte Klagen und Einwände unmöglich machen.

Die Aussagen von Herrn Westenberger kann Prellbock-Altona auf der ganzen Linie teilen. Die DB entwickelt sich immer mehr zum Staat im Staate, welcher die Politik, aber auch die Bürger und Umweltverbände systematisch an der Nase herumführt. Es ist schon erstaunlich, dass das Bundesverkehrsministerium sich so einlullen lässt und nicht endlich dafür Sorge trägt, dass die DB ein neues Topmangement bekommt, welches einen technsichen Eiesenbahnhintergrund hat. Mit Unternehmensberatern, Controllern, Psychologen, Poltitologen und dergleichen lässt sich ein technik affines Unternehmen wie es eine Eisenbahn nun mal ist, nicht führen.

Funfact: Herr Westenberger, auf den man sich hier beruft, hat auch keinen technsichen (!) Eisenbahnhintergrund sondern ist Jurist.

trotzdem ist der Situation die Deutsche Bahn betreffend mehr als beklagenswert und das Schweigen der Politik dazu nicht nur in Hamburg erbärmlich.
Grundsätzlich kann ich mir auch nicht vorstellen (ACHTUNG Unterstellung) das das alles nur Unfähigkeit ist. Für mich handelt es sich um strukturelle Korruption verbunden mit der offensichtlich Unfähigkeit, in Deutschland Projekt vernünftig zu managen. (Agilität scheint in Deutschland ein Fremdwort).

Es liegt nicht nur an der Deutschen Bahn sondern auch stark an der Politik und damit ihrem Souverän, uns! Ein Beispiel ist die Reaktivierung Kiel-Schönberger Strand. Wenn sie vielleicht abgeschlossen ist ist in 2027 hat es ca. 30 Jahre gedauert ohne die geringste Beteiligung der Deutschen Bahn. Und die AKN hat immer zügig umgesetzt wozu sich die Politik dann irgendwann durchgerungen hat. Und wenn der Planfeststellungsbeschluss beklagt wird wird es noch weitere x Jahre dauern!

Mindestens ein Projekt scheint bei der DB in Hamburg ja gut und geräuschlos zu laufen: der Bau der S4. Für den Laien erscheint es zwar so, als ob es nicht so recht vorangänge, aber offensichtlich ist alles im „grünen Bereich“. Das Team von Amina Karam arbeitet offenbar sehr gut und hat in New York zwei Auszeichnungen bekommen, u.a. für das Projektmanagement.

Da macht mir eine andere „Geräuschlosigkeit“ im Bezirk Wandsbek mehr Sorgen: die in der BV bezüglich der Koalition. Laut unserem Wochenblatt deutet alles auf Brumm-Brumm. Die CDU will „stabile Verhältnisse“ und setzt u.a. besonders auf das Thema Verkehr. Die SPD möchte auch „stabile Verhältnisse“ und könnte sich beim Thema Parkplätze der CDU „annähern“. Die Grünen wollen „pragmatischer“ werden. Und die FDP würde auch gern „zur Verfügung stehen „. Natürlich dürfen auch bestimmte BIs nicht fehlen: Eine „Wir Hamburg“ hofft, dass sich CDU und FDP in der Verkehrspolitik durchsetzen. Und die „Rodigallee“ musste sich natürlich ebenfalls zu Wort melden.

Zurück zum Ausgangspunkt: Wichtig ist für mich, sauber zwischen dem zu trennen, wofür die DB als Konzern (u.a. durch InfraGo oder St&S) verantwortlich ist wofür die S-Bahn Hamburg GmbH Verantwortung trägt. Da wird sich schnell zeigen, dass es die S-Bahn auch gern anders hätte. (Und sonst landen wir schnell bei einer „Argumentation“ (d.h. Meckerei), wie im anderen Forum.)

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