Digitale S-Bahn in Hamburg: Was bedeutet das eigentlich?

Hamburger S-Bahnen sollen zwischen Berliner Tor und Aumühle ab Herbst 2021 testweise hochautomatisiert fahren. Was bedeutet das genau? Und ist Hamburg damit wirklich Vorreiter?
Christian Hinkelmann
Ein S-Bahn-Zug der Baureihe 474 fährt aus dem Bahnhof Elbgaustraße heraus
Ein S-Bahn-Zug der Baureihe 474 fährt aus dem Bahnhof Elbgaustraße heraus
Foto: Christian Hinkelmann

Seit einigen Tagen hat Hamburg einen ersten S-Bahn-Zug mit Digitalsteuerung. Am vergangenen Freitag wurde das Fahrzeug der Öffentlichkeit präsentiert. Dabei handelt es sich um einen 21 Jahre alten Triebzug der Baureihe 474 aus dem Jahr 1999, der in den vergangenen Monaten mit zusätzlicher Digitaltechnik ausgerüstet wurde.

Innerhalb der nächsten 13 Monate sollen drei weitere Züge umgebaut und ab Oktober 2021 auf der Pilotstrecke zwischen Berliner Tor und Aumühle erstmals „hoch automatisiert“ unterwegs sein, wie die Deutsche Bahn mitteilte.

Hamburgs S-Bahn-Chef Kay Uwe Arnecke bezeichnete das Projekt am vergangenen Freitag als „Premiere für die deutsche Bahnbranche“, mit der sich die Kapazität im S-Bahn-Netz um 20 Prozent erhöhen ließe, „ohne einen Meter Gleis neu bauen zu müssen“. Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) sprach von einem „Vorbild für andere Städte“.

Doch was steckt eigentlich genau hinter dem Projekt? Fahren die Züge damit in Zukunft komplett allein? Werden Lokführer überflüssig? Wie funktioniert das technische System dahinter?

Diese Fragen beantworten wir Ihnen in diesem Artikel und erklären, warum Hamburg mit dem Pilotprojekt nicht wirklich Vorreiter in Deutschland ist.

Wie funktioniert das automatisierte Fahren bei der Hamburger S-Bahn?

Die Automatik-S-Bahn basiert auf dem neuen europäischen Zugbeeinflussungsystem ETCS (European Train Control System), das – vereinfacht gesagt – die typischen Lichtsignale an den Bahnstrecken überflüssig machen und in ganz Europa einheitlich funktionieren soll. Statt Lichtsignalen werden bei diesem System zwischen den Bahnschienen in regelmäßigen Abständen kleine Funkantennen, so genannte Balisen, verbaut. Sie kommunizieren mit den dort fahrenden Zügen und übertragen beispielsweise Signalbefehle vom Stellwerk direkt in den Führerstand und geben die Positionsmeldungen der Züge ans Stellwerk zurück. Der Vorteil: Die Sicherheitsabstände zwischen den einzelnen Züge auf einem Gleis können verkleinert werden, denn die bisher statischen Streckenblöcke, bei denen sich immer nur ein Z…

Hat Sie der Artikel weitergebracht?

Der Kopf hinter diesem Artikel

Christian Hinkelmann ist begeisterter Bahnfahrer und liebt sein Fahrrad. Wenn er hier gerade keine neue Recherchen über nachhaltige Mobilität veröffentlicht, ist der Journalist und Herausgeber von NAHVERKEHR HAMBURG am liebsten unterwegs und fotografiert Züge.

Auch interessant

So werden die Vay-Carsharing-Fahrzeuge ferngesteuert zum Einstiegsort gefahren: Eine Telefahrerin hat viel mehr im Blick als hinter einem echten Steuer im Auto - behauptet zumindest das Unternehmen.

Ferngesteuerte Autos: Vorwürfe gegen Fahrdienst Vay

Ist der Telefahrdienst Vay, der derzeit mit einer Sondererlaubnis in Hamburg-Bergedorf erprobt wird, möglicherweise unsicher? Der Springer-Verlag berichtet von Vorfällen bei Testfahrten. Das Unternehmen und die Hamburger Verkehrsbehörde weisen die Vorwürfe entschieden zurück. Diese NAHVERKEHR HAMBURG-Fragen lassen sie aber unbeantwortet.

Eine Regionalbahn auf Fehmarn

Personalnot im Norden: 1.228 Zugausfälle in einem Monat

NAHVERKEHR HAMBURG-Datenrecherche zeigt, dass im Juni täglich 41 Züge in Schleswig-Holstein ausgefallen sind – meist, weil nicht genug Personal da war. Eine Strecke stach dabei besonders negativ hervor. Das sind die Hintergründe und das sagen Bahn und Auftraggeber dazu.

Bauarbeiten für die U5 südlich der Haltestelle Sengemannstraße.

Kostenexplosion bei der U5 in Hamburg: Lohnt sich der Bau jetzt noch?

Der Bau der neuen U-Bahnlinie U5 in Hamburg verteuert sich massiv um mehr als eine Milliarde Euro. Damit wird die U5 zur teuersten Tunnellinie, die jemals in Hamburg gebaut wurde. Doch ein Ausstieg ist im Grunde keine Alternative. Bei einem Baustopp müsste die Stadt wohl ähnlich viel zahlen wie bei einem Weiterbau der kompletten Strecke – aus diesen Gründen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert