Viele Radfans und Verkehrspolitiker blicken bewundernd auf Groningen – die niederländische Stadt gilt als Vorzeigemodell für Radverkehr. Fast die Hälfte aller Wege in der Stadt werden mit dem Fahrrad zurückgelegt. Zum Vergleich: In Hamburg sind es 22 Prozent.
Autoverkehr gibt es in der Altstadt von Groningen dagegen kaum, was vor allem daran liegt, dass der kompakte Stadtkern mit seinen engen Gassen und vielen Geschäften auf einer Insel liegt – ähnlich wie Lübeck. Da stieß der Autoverkehr schon früh an Grenzen. Mit rund 243.000 Einwohnern ist Groningen auch ähnlich groß wie Lübeck (ca. 219.000 Einwohner) oder Kiel (ca. 249.000 Einwohner)
Wieso ist das Fahrrad der Radverkehr in Groningen so auffallend erfolgreich? Was sind die Erfolgsrezepte?
NAHVERKEHR HAMBURG-Redakteur Frank Muth war vor Ort. Bei seinen Besuchen hat er allerdings nicht nur Licht, sondern auch Schatten gesehen, denn viel Radverkehr bringt auch neue Probleme mit sich. Am Ende stand die überraschende Erkenntnis: Entscheidend sind gar nicht unbedingt klug ausgefeilte Konzepte, sondern es ist die Mentalität der Menschen.
Groningens sog. Binnenstad ist stark vom Wohnen geprägt: Rund 12.000 Menschen wohnen dort rund um die Einkaufsmeilen und zwar überwiegend junge Menschen. Außerdem ist Groningen sehr kompakt strukturiert. Fast alle Wohn- und Gewerbegebiete der Stadt liegen maximal fünf Kilometer von der Innenstadt entfernt.
So war Radfahren dort schon lange grundsätzlich attraktiv, weil man bereits mit dem konventionellen Rad am schnellsten seine Ziele erreichen konnte.
Kooperation statt Verkehrsregeln
Wichtiger Unterschied: Während man in Deutschland bei engen Altstadtgassen meist Fußgängerzonen ausweist, sind die engen Gassen und die Plätze in Groningen überwiegend als „Shared Space“ ausgewiesen, wo – zumindest in der Theorie – Fußverkehr und Radverkehr ein Miteinander auf Augenhöhe leben sollen.
Dahinter steht der grundlegend andere Ansatz „Wir lösen das zusammen“, der typisch für die Niederlande ist. Denn in den Niederlanden gehören Chancengleichheit, Kompromis…
5 Antworten auf „Fahrrad-Paradies Groningen: Was Hamburg davon lernen kann – und was nicht“
Ich sehe auf allen Fotos hier im Artikel sommerlich leichtbekleidete Menschen unter strahlend blauem Himmel. Ob Groningen auch bei nasskaltem und stürmischen Wetter ein Fahrrad-Paradies ist, möchte ich bezweifeln. Na gut, ein Fahrrad-Paradies wird es auch bei „schlechtem“ Wetter sein. Aber man dürfte sich dabei als Radfahrer nicht wie im Paradies vorkommen.
Als Person, die mehrere Jahre in den Niederlanden (nicht Groningen, aber eine andere Stadt) gelebt hat kann ich sagen, dass auch bei schlechtem Wetter das Fahrrad das Mittel der Wahl ist. Das Rad wird primär als ‚Fußverlängerung‘ gesehen, sprich auch kürzere Distanzen werden zumeist mit dem Rad zurückgelegt – Wie beim zu Fuß gehen auch bei schlechtem Wetter. Hierbei sei jedoch bemerkt, dass die Geschwindigkeit und Hektik in NL beim Radfahren eine andere ist – Auf einem ‚Hollandrad‘ fährt man aufrechter und gemütlicher, wenn die Infrastruktur es hergibt. Da ist es dann auch möglich, mit Regenschirm zu radeln 🙂
Aber was heißt das jetzt in Bezug auf diesen Artikel und eine fahrrad-freundliche Innenstadt?
Weil man auf dem Rad mal nass werden kann… ist Radfahren generell Mist?…sollten alle Straßen fürs Auto optimiert werden? …sollte die Innenstadt komplett überdacht werden?
Ich verstehe Ihren Einwand nicht.
Der Artikel nennt einen Radverkehrsanteil von satten 46,5 Prozent an allen Wegen in der Stadt. In diesen Anteil sind natürlich auch alle Wege bei strömendem Regen eingeschlossen. Wenn man sich den Jahresverlauf anschaut, dann stellt man fest, dass selbst bei Einbrüchen in der Radverkehrsnutzung das Rad weiterhin das meistbenutzte Verkehrsmittel bleibt 🚲.
Jeder, der mal in den Niederlanden war, wird festgestellt haben, dass die Niederländer auch bei Regen mit dem Rad unterwegs sind. Manche fahren dann mit dem Regenschirm in einer Hand, aber viele pfeifen drauf und fahren einfach trotz Regen ohne Regenschirm Rad💪. Wir tun in Deutschland gerne so als ob normales Wetter mit Regen oder Kälte pures Gift sei, obwohl es einfach ein nur wenig unbequemer ist 🤷. Autofahren und „autogerechte“ Stadtplanung machen einen anscheinend weich 😂.
Guter Bericht über die Radfahrer-Situation in Groningen. Hamburg könne davon viel lernen. Hier einige Ergänzungen: An vielen Ampeln wird die Ampelschaltung durch Regensensoren geteuert. Wenn es regnet, bekommen Radler schneller grün, und werden so weniger im Stand nass geregnet. Die Regelung „Togleich groen“ erlaubt schnelles Linksabbiegen an großen Kreuzungen. Das beschleunigt den Radverkehr enorm, weil mannicht zweimal an der kreuzung warten muss. Ferner sollten die großen Parkplätze nicht unerwähnt bleiben, auf die die Autofahrer, die in die Stadt wollen quasi zwangsweise hingelenkt werden. Von dort fahren Shuttlebusse alle 2 Minuten in die Innenstadt. Dass die Fußgänger unter den Radfahrern leiden, ist mir nicht aufgefallen. Denn im Gegensatz zu Deutschland greift die Politzei (auf Rädern) bei Radfahren in Fußgängerzonen rabiat durch und teuer ist es obendrein. Und eins sollte Nahverkehr nicht unerwähnt lassen: Früher gab es mal direkte Zugverbindungen von Hamburg ohne Umsteigen bis nach Groningen. Heute ist von Norddeutschland aus Groningen nicht einmal per Bahn erreichbar, weil die DB es nicht fertigbekommt eine vor vier Jahren beschädigte Bahnbrücke über die Ems zu reparieren. Und eins sollte dem grünen Verkehrssenator zu denkengeben: Allein am hauptbahnhof von Groningen gibt es nach der Eweiterung auf 17.000 Parkplätze mehr Fahrradabstellplätze als an allen U-, S- und Regional-/Fernbahnhöfen in Hamburg zusammen! Dabei hat Groningen nur etwas mehr als 12% der Einwohner von Hamburg!