Suche
Close this search box.
Suche
Close this search box.

Fehlplanung? Warum in der HafenCity der Fahrradverkehr vergessen wurde

Nur rund die Hälfte des Straßennetzes in der neu gebauten HafenCity hat richtige Radwege. Warum gibt es dort so wenig eigenen Platz für Fahrräder? Eine Suche nach Antworten mit den Verantwortlichen von heute und damals.
Matthias Schinck
Bis vor wenigen Wochen gab es am Sandtorkai auf der Nordseite gar keinen Radweg. Radfahrer:innen mussten hier im Mischverkehr auf der vierspurigen Piste fahren.
Bis vor wenigen Wochen gab es am Sandtorkai auf der Nordseite gar keinen Radweg. Radfahrer:innen mussten hier im Mischverkehr auf der vierspurigen Piste fahren.

In dieser Recherche stecken mehr als 35 Stunden Arbeit – finanziert durch unsere Abonnentinnen und Abonnenten. Wenn Sie unseren unabhängigen und kritischen Journalismus über Mobilität in Hamburg auch mit einem Abo unterstützen möchten, klicken Sie hier. Danke.

Die HafenCity: Größtes innerstädtebauliches Projekt Europas. Modell einer europäischen Stadt des 21. Jahrhunderts. Stadtteil der Superlative. Lebendiges Quartier. 

Viele Lobeslieder sind in den vergangenen zwanzig Jahren auf Hamburgs neuen Vorzeigestadtteil gesungen worden. Viele von ihnen sicher zurecht. Doch wer mit dem Fahrrad regelmäßig im Alltag durch die HafenCity fährt, kann darüber ins Zweifeln kommen: Nur rund 5 Kilometer des insgesamt etwa 10 Kilometer langen Straßennetzes sind mit Radspuren, bzw. eigenen Radwegen auf den Bürgersteigen ausgestattet  – knapp die Hälfte davon nur provisorisch und testweise. Auf den restlichen Strecken müssen Radfahrerinnen und Radfahrer entweder im Mischverkehr mit Autos oder auf Fußgängerpromenaden fahren, auf denen sie – rein rechtlich – allenfalls geduldet sind.

Und trotz einiger Nachbesserungen in den vergangenen Jahren bleibt die Situation für den Radverkehr in dem neu erbauten Stadtteil weiterhin kritikwürdig. Drei Beispiele: Auf dem stark von Autos frequentierten Brooktorkai fehlen Linksabbiegerspuren für Radfahrende, in Richtung Shanghaiallee und Osakaallee. Mitten unter dem neuen U- und S-Bahnhof Elbbrücken an der Zweibrückenstraße enden die Radwege im Nirgendwo und in der Straße Großer Grasbrook gibt es überhaupt keine Radwege. Fahrradfahrende müssen sich in dieser Tempo-50-Straße die Fahrbahn mit dem Autoverkehr teilen.

Mitten unter dem U- und S-Bahnhof Elbbrüücken an der Zweibrückenstraße enden die Radwege unvermittelt. Dahinter müssen sich Rad- und Fußverkehr den schmalen Weg teilen.
Mitten unter dem U- und S-Bahnhof Elbbrücken an der Zweibrückenstraße enden die Radwege unvermittelt an einer zu schmalen Bahnbrücke. Dahinter müssen sich Rad- und Fußverkehr den schmalen Weg teilen.

Vielen Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrern drängt sich da die Frage auf, warum der Radverkehr beim Bau dieses neuen Zukunftsstadtteil offenbar so eine untergeordnete Rolle spielte. Hat man Fahrräder damals, bei der Planung der HafenCity, schlicht vergessen?

Ist es wirklich so einfach, wie der damalige Erste Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) kürzlich auf NAHVERKEHR HAMBURG-Nachfrage erklärte? “Das Verkehrskonzept stand damals nicht im Zentrum.”

Der heute 77-Jährige meinte damit den Masterplan HafenCity aus dem Jahr 2000. Radwege spielten dort tatsächlich nur eine Nebenrolle. Dazu später mehr. Wolfgang Weisbrod-Weber, Sprecher der AG Verkehr im Bürgerverein Netzwerk HafenCity e.V. beantwortete die Frage nach dem unterrepräsentierten Radverkehr in der ursprünglichen HafenCity-Planung ähnlich wie Ortwin Runde: „Das atmet eine andere Zeit“, sagte der 66-Jährige gegenüber NAHVERKEHR HAMBURG. “Die Radwege sind für den Freizeitradler nicht wirklich schlecht”, so Weisbrod-Weber weiter – doch, “sie sind für die Radfahrer, die das Rad für den Alltag benutzen, zum Einkaufen und für Erledigungen, problematisch.“ 

Wie es zu der nachlässigen Radverkehrsplanung kam

Um das Problem (und wie es dazu k…

Hat Sie der Artikel weitergebracht?

Der Kopf hinter diesem Artikel

Matthias Schinck ist hauptberuflich Informationsgrafiker, Artdirector und Zeitungsmacher. Daneben schreibt er darüber, was ihn bewegt: Bus, Bahn und Rad. Für eine Weile lebte er in einem Van und ist Experte für mobiles Arbeiten. Der Liebe wegen hat er in Hamburg den Anker geworfen.

Auch interessant

Kein Ort zum Verweilen. Die Zugänge zum S-Bahnhof Elbbrücken an der Zweibrückenstraße sehen schauderhaft aus.

Nagelneu und schon verlottert: S-Bahnhöfe Elbbrücken und Ottensen

Zwei fast baugleiche U- und S-Bahnhöfe an den Hamburger Elbbrücken: einer blitzsauber, der andere schmuddelig. Was macht die Hochbahn in puncto Reinigung dort anders als die Deutsche Bahn? Und warum ist auch der erst vor wenigen Monaten neu eröffnete S-Bahnhof Ottensen bereits so verlottert? Nachfrage bei den Verantwortlichen.

Visualisierung: So soll der Jungfernstieg in Hamburg ab 2024 aussehen.

Autofreier Jungfernstieg: zwischen Wasserspielen und Verkehrswende

Im kommenden Jahr soll der autofreie Jungfernstieg endgültig umgebaut werden. Wer tiefer in die Pläne schaut, entdeckt darin aber weniger Mobilitätswende als die Ankündigungen vermuten lassen. Das größte Problem wird beispielsweise kaum angegangen.

Fahrkartenautomaten im HVV.

HVV erhöht Ticketpreise – aber nur ein bisschen

Im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten soll die anstehende HVV-Preiserhöhung gering ausfallen. Sehen Sie hier im Überblick alle neuen Ticketpreise, welche umstrittene Fahrkarte der HVV abschaffen will und was sich ändert, wenn Sie jemanden zum Zug bringen wollen.

11 Antworten auf „Fehlplanung? Warum in der HafenCity der Fahrradverkehr vergessen wurde“

Der Radverkehr wurde in der HafenCity nicht vergessen, sondern mit ausdrücklichem politischen Willen diskriminiert. Es gab hier eine große politische Einigkeit zwischen dem CDU – Schill Senat und dem SPD geführten Bezirksamt Hamburg Mitte, dass Radverkehr in der Innenstadt unerwünscht ist. Und dazu sollte die HafenCity gehören. Die Planungen der Achse Am Sandtorkai – Brooktorkai sahen unter dem Rot-Grünen Senat noch Stadtbahn und zwei Fahrstreifen vor. Mit dem Wechsel der Fachbehörden zur Schill-Partei entstand dann ein Momentum, noch einmal die autogerechte Stadt der 1960er Jahr zu zelebrieren, was sich in generell 4 Fahrstreifen für die Hauptachsen ausdrückte.
Über die schon damals unzulässig schlechte Radverkehrsplanung haben wir seinerzeit lange im Fachausschuss der Bezirksversammlung mit den Planern diskutiert. Die Innenbehörde, als zuständige Straßenverkehrsbehörde, hat sich dabei i.d.R. nur schriftlich geäußert um die direkte Konfrontation z.B. mit dem fachlich versierten Stefan Warda vom ADFC zu vermeiden. Es war aber eben seinerzeit nur die Grüne Fraktion in der Bezirksversammlung, die sich Radverkehr wünschte. Gegen die Chef der damaligen Planungen aus den jeweiligen Senaten und speziell Bruns-Berentelg für die GmbH, Markus Schreiber für das Bezirksamt und Jörn Walter als Oberbaudirektor war da nichts zu wollen. Die wussten sehr genau, was sie taten und wollten.

An dieser Stelle ein großer Dank an unsere tolle Abo-Community, die mit ihrem eigenen hochwertigen Fachwissen unsere Recherchen noch einmal um zusätzliche Perspektiven bereichert. Darüber freuen wir uns besonders. 🙂

In den 90er-Jahren war das Fahrrad als Verkehrsmittel für alltägliche Wege noch nicht in den Köpfen. Die Innenstadt ist ja mit Schnellbahnen so gut zu erreichen, warum sollte man dafür das Fahrrad nehmen? Und für den sonntäglichen Fahrradausflug oder als Tourist würde man sowieso die Promenaden am Wasser vorziehen.
Flächen in der HafenCity sind wertvoll, und die HafenCity GmbH war verpflichtet, durch den Verkauf von Nettobauland hohe Gewinne zu erzielen. Breite Radwege hätten die verkaufbare Fläche weiter reduziert. Dass vierspurige Straßen erforderlich sein werden, wenn die HafenCity im Endausbau voll belebt sein würde, hatte ein Verkehrsgutachten ergeben und wurde nicht weiter hinterfragt. (Ein Interview mit den Verkehrsplanern hätte diesen sehr guten Artikel übrigens noch interessanter gemacht.) Inzwischen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Verkehrsverhalten auch beeinflussbar ist. Das Verkehrskonzept für den Kleinen Grasbrook sieht schon ganz anders aus und auch für den östlichen Bauabschnitt der HafenCity wurde der Stellplatzschlüssel reduziert. Das zeigt, dass Planende, Verwaltung und Politik lernfähig sind. Ob es für die HafenCity am Ende noch Umgestaltungsspielräume auf öffentlichen Flächen gibt, wird sich zeigen, wenn die noch fehlende Baumasse realisiert ist und die riesige Tiefgarage unter dem Einkaufzentrum in Nutzung geht.

Der Bericht beschreibt gut die klassichen Symptome Hamburger Verkehrsplanung, ob für Radfahrer, Fußgänger, U-Bahn, S-Bahn, oder Straßenbahn (für die immer noch Denkverbot herrscht). Die Planer sind immer noch geistig dem Leitbild der Auto gerechten Stadt der 50er Jahre verhaftet und derartig unflexibel, als dass sie kjurzfristig Planungen, die sich als falsch erwiesen haben, korrigieren können, bevor alles in Beton gegossen ist. Fast kann man glauben sie entstammen der Planungsgerontokratie des ehemals real existierenden Sozialismus. Änderungen kommen erst, wenn ihnen das Geld ausgeht oder wenn es fast schon zu spät ist. Ist erst einmal genügend Beton geflossen, lässt sich schwerlich noch etwas ändern (siehe U4). Deswegen will man gleiches bei der U5 wiederholen, oder bei der völlig überflüssigen Verlegung des Fern- und Regionalbahnhofs Altona nach Diebsteich. Aber solange der Abteilungsleiter Verkehr in der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende, Herr Huber noch verkünden darf: „Lieber ein schlechtes Projekt, als gar kein Projekt“ (so in den Faktencheckgesprächen zum Bahnhof Diebsteich), dann darf man sich über nichts mehr wundern und Änderung ist dann nicht in Sicht. Was hindert der grünen Verkehrssenator denn daran auf allen Straßen in Hafen-City einen Fahrradstreifen anzulegen und alle vierspurigen Straßen auf 2 Spuren zurückzubauen? Mit einem 250 m langen „Pop-Up-Radweg“ am Sandtorkai. der zudem noch die für Radler gefährlichen Stellen ausspart, ist es nicht getan. Die mehrheitlich in der Hafencity wohnende Lifestyle-Klientel mit ihren SUVs wird es dem Senator danken, dass außer ein paar kosmetischen Zugeständnisse nichts passiert.

Bessere Zustände für Radfahrer sollten eigentlich möglich sein. Auch wenn sich die HafenCity GmbH bis heute wohl nicht richtig vorstellen kann, wofür das eigentlich gut sein soll. Letztlich kann man sich immer noch nur zu „Experimenten“ durchringen. Ich fürchte, es fehlt bei Bürgerschaft, Innenbehörde und Entwicklungsgesellschaft immer noch an Einsicht und Mut, progressiv den Verkehr zu entwickeln und bleibt zu gerne beim Altvertrauten: riesige Straßen, große Kreuzungen, viele Ampeln, alles möglichst auf Autos und Lkws ausgerichtet, Fahrradspuren nur als Option. Ich würde mich dafür aussprechen, weitreichend Tempo 30 einzuführen, die „Pop-ups“ in dauerhafte Lösungen zu überführen und möglichste viele Ampelkreuzungen in Kreisverkehre umzubauen.

Hoffen wir mal, dass die Missstände beim Radverkehr behoben werden. Immerhin ist das ja noch mit recht geringem Aufwand möglich.
Die U4 hingegen ist m.M. nach vermurkst. Kein Halt unter dem Großneumarkt, kein Halt unter der Elphi/ westlichen HafenCity; stattdessen der längste Haltestellenabstand des gesamten Netzes mitten in der Innenstadt… Im neuen „Vorzeigeviertel“ gibt es also Ecken, die gar nicht durch die U4 erschlossen werden und nur dank der U3 gerade eben eine U-Bahn im Umkreis von 600m haben.
Ist und bleibt leider eine Autostadt.

was die U4 angeht: Sicher optimal ist die Lage der Haltestellen nicht, aber wenn dann in den dreißiger Jahren die Verlängerung nach Wilhelmsburg hoffentlich kommt, wird sich das schon besser darstellen. Aber das kommt halt davon, wenn man eine U Bahn vor allem aufgrund einer bestimmten Bauweise favorisiert (Schildvortrieb) nur damit die Autofahrer weiter in Hamburg die Luft verpesten können. Bei der U5 – die ja sinnvoll ist – fragt man sich auch, warum überall bergmännisch gebaut werden soll? Zwischen Bramfeld und Rübenkamp ist das eigentlich nicht erforderlich.

Elbphilharmonie und Großmarkt wären wohl einfach zu teuer für ziemlich wenige Fahrgäste, die dort ein- und aussteigen, während zugleich die Fahrt, die schon durch die Herrenknecht-Gedächtniskurve lang ist, unnötig weiter verlängert werden würde. Eine Haltestelle an jeder Milchkanne („Ecken“) ist nicht sinnvoll.

Ja, teuer ist das Problem. Allerdings wäre das eine gute Vorleistungen gewesen, um den Menschen perspektivisch eine autofreie Innenstadt zuzumuten. Ich denke, dass es ein wirklich dichtes Netz aus Stationen bräuchte um die Akzeptanz dafür zu steigern.

Widerspricht dann aber auch der Idee einer Schnellbahn. Die Elbphilharmonie hat nur etwas über 2000 Plätze. Zudem ist sie per U3, Bus, Taxi und Fähre erreichbar. Und vom ÜSQ kann man auch zu Fuß laufen. Selbst wenn 50% der Gäste eines ausverkauften Konzerts (eins pro Woche?) mit einer U4-Haltestelle an- und abreisen und man noch ein paar wenige Anwohner, Beschäftigte und sonstige Besucher (Hotel etc.) hinzurechnet, ist das fernab normaler Fahrgastzahlen. Und die Lage würde eine Station überdurchschnittlich teuer machen. Der politische Wille aufgrund von Prestige war ja da, aber bei so einem unverhältnismäßigen Verhältnis ist dann irgendwann auch mal Schluss.

Wer die Elbphilharmonie als „Milchkanne“ bezeichnet, hat die Aufgaben des ÖPVN nicht begriffen. Allein der große Saal fasst 2.100 Menschen. Die Opéra de Bastille in Paris hat sogar eigene Zugänge von Metro aus. Aber wahrscheinlich hatte man Angst, dass das Parkhaus nicht ausreichend frequentiert würde. Und: die U5 fährt unter dem Großneumarkt lang. Der Großmarkt ist woanders. Aber das sind ja Kleinigkeiten…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert