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Seit nun schon zwei Monaten laufen in Wandsbek die Bauvorbereitungen für die geplante neue S-Bahnlinie S4 zwischen Hamburg und Bad Oldesloe. Zeit für einen kleinen Spaziergang über die Baustelle des größten aktuellen Bahnbauprojekts im Norden.
Was beim NAHVERKEHR HAMBURG-Ortsbesuch in der ersten Januarwoche sofort auffällt: Die Spuren für die künftige S4 sind zwischen den Bahnhöfen Hasselbrook und Wandsbek bereits deutlich sichtbar. Kleinere Bäume und Büsche entlang der künftigen Trasse wurden schon großflächig gerodet, eine Kleingartensiedlung, über deren Gelände die neuen S4-Gleise verlaufen sollen, steht inzwischen leer und wartet auf ihren Abriss.
Auch die erste Spundwand wurde bereits gesetzt. Sie hat allerdings nur indirekt mit der neuen S-Bahnlinie zu tun, wie NAHVERKEHR HAMBURG von der Deutschen Bahn erfuhr. Und dann ist da noch die Sache mit einem längst vergessenen Gleis in Hasselbrook, das Rätsel aufgibt.
Aber der Reihe nach. Unsere Fototour über die S4-Baustelle beginnt zwischen dem S-Bahnhof Hasselbrook und der Hammer Straße. Hier – in einem Gleisdreieck zwischen der S-Bahn-Strecke nach Poppenbüttel, der Fernbahnstrecke nach Lübeck und der Güterumgehungsbahn – sollen die beiden neuen Gleise der S4 aus dem bestehenden S-Bahn-Netz ausfädeln und entlang der Bahnstrecke Richtung Lübeck verlaufen.
Dazu muss in dem Gleisdreieck ein so genanntes Überwerfungsbauwerk errichtet werden, damit die S4-Züge später kreuzungsfrei aus der S1-Strecke aus- und wieder einfädeln können. Dieses Überwerfungsbauwerk wird die erste wirkliche Neubaumaßnahme für die S4 sein.
Der Bau soll bereits ab Ende März beginnen – früher als ursprünglich geplant, erklärt Bahn-Sprecher Peter Mantik auf NAHVERKEHR HAMBURG-Nachfrage. Demnach laufen derzeit noch die Ausführungsplanungen für das Bauwerk.
Bau einer provisorischen Straßenbrücke läuft bereits
Im Moment befindet sich auf der Fläche der geplanten S4-Ausfädelung noch eine alte Kleingartensiedlung. Seit Ende November vergangenen Jahres sind die Lauben gekündigt, wie aus dem Planfeststellungsbeschluss für den ersten Bauabschnitt der S4 hervorgeht (siehe hier).
Doch damit die schweren Maschinen für den Bau der Ausfädelung überhaupt erst einmal dorthin kommen, muss eine neue Straßenzufahrt ins Gleisdreieck gebaut, das vollständig von Bahnschienen umschlossen ist und aktuell nur zu Fuß erreicht werden kann.
Hierfür lässt die Bahn derzeit eine provisorische Straßenbrücke von einer Brachfläche an der Hammer Straße über die Güterumgehungsbahn ins Gleisdreieck bauen. Die erste Spundwand für diese künftige Behelfsbrücke steht bereits mitten in der Kleingartensiedlung.
Das erste Baumaterial kam über ein gekapptes Gleis
Der Bau dieser Spundwand dürfte für die Verantwortlichen eine Herausforderung gewesen sein, denn das dafür nötige Material und die Maschinen mussten irgendwie auf das von Bahnschienen umzingelte Gelände kommen.
Hier hat offenbar ein altes und vermutlich längst vergessenes Gleis geholfen, das von der Güterumgehungsbahn in das Kleingartengelände hereinführt – zu einem alten Gleichrichterwerk der S-Bahn. Dieser Schienenstrang endet nämlich direkt an der neu gesetzten Spundwand im Gleisdreieck. Über ihn wurden offenbar Material und Maschinen auf Bahnwaggons bis an die Baugrube herangefahren. Frische Nutzungsspuren auf dem alten und ehemals zugewachsenen Gleis deuten zumindest darauf hin.
Ein Rätsel bleibt allerdings, wie die Bahnwaggons überhaupt auf dieses alte Bahngleis gekommen sind, denn die Anbindung dieses Gleises an die Güterumgehungsbahn ist seit Jahren gekappt; die ehemalige Verbindungsweiche ausgebaut. Möglicherweise wurde das Baumaterial per Zug bis an die ehemalige Verbindungsweiche herangefahren und dort auf eine Arbeitslore umgeladen, die auf das alte Anschlussgleis gestellt wurde. Ende Januar, bzw. Anfang Februar soll die neue Behelfsbrücke über der Güterumgehungsbahn eingesetzt werden, erklärt Bahn-Sprecher Peter Mantik.
Noch unklar ist übrigens, was aus dem historischen Gebäude des alten Gleichrichterwerks im Gleisdreieck Hasselbrook werden soll. Laut Bahn ist derzeit noch nicht entschieden, ob es abgerissen wird oder stehen bleibt. Eine Entscheidung wird bis Ende März erwartet.
Provisorische Kabelbrücken an der Claudiusstraße
Vom Gleisdreieck Hasselbrook geht unsere Fototour weiter Richtung Norden an der Bahnstrecke Hamburg – Lübeck entlang. Hier fällt vor allem eine große Brachfläche an der Hammer Straße auf, auf der bereits zahlreiche Baumaterialen und Maschinen für die S4 bereitstehen. In einigen Jahren werden die beiden S4-Gleise über diese Brachfläche verlaufen und anschließend die tiefergelegte Hammer Straße überqueren. Dort ist derzeit noch nichts von Bauaktivitäten zu sehen.
Auch weiter nördlich, am Bahnübergang Claudiusstraße, deutet im Moment noch nichts auf den Bau der S4 hin. Hier soll in den nächsten Jahren ein komplett neuer S-Bahnhof entstehen. In den kommenden Wochen will die Bahn hier erst einmal provisorische Kabelhilfsbrücken für die künftige Baustelle aufstellen.
Erst zwischen dem Wandsbeker Bahnhof und der Bovestraße, wo ein neuer S-Bahnhof errichtet wird, finden sich wieder sichtbare Bauvorbereitungen: Dort wurden neben den Fernbahngleisen an der Strecke Hamburg – Lübeck bereits Flächen für den S-Bahn-Bau gerodet. Auch an der Bovestraße sollen laut Bahn demnächst provisorische Kabelhilfsbrücken aufgestellt werden.
Noch keine Baumfällungen im Wandsbeker Gehölz
Noch keine Bauaktivitäten sind im Wandsbeker Gehölz zu sehen, wo unsere Fototour endet. In diesem kleinen Wald will die Deutsche Bahn rund 30 größere Bäume fällen lassen, um die künftige S4-Baustelle besser zu erreichen. Die Maßnahme ist umstritten. Eine Bürgerinitiative kämpft gegen die geplanten Fällarbeiten und hat zahlreiche Protestschilder an Bäumen im Park befestigt.
Wann die Fällarbeiten starten, lässt die Deutsche Bahn auf Nachfrage noch offen. Sicher ist nach Angaben des Bahn-Sprechers Mantik derzeit nur, dass die offiziellen Hauptbahnarbeiten für die S4 im kommenden Sommer starten sollen – etwas später als ursprünglich kalkuliert.
S4 soll ab 2025 eröffnet werden
Läuft alles gut, sollen die ersten S-Bahnen auf der neuen Linie S4 bereits ab 2025 auf einem Teilstück zwischen Altona und Rahlstedt fahren. Die Eröffnung der gesamten Strecke bis nach Bad Oldesloe ist ab 2027 vorgesehen.
Doch zuvor müssen noch die Baugenehmigungen für die beiden Streckenabschnitte der S4 zwischen dem Wandsbeker Güterbahnhof und der Hamburger Landesgrenze sowie von dort bis nach Ahrensburg erteilt werden, die derzeit noch ausstehen. Bislang hat die Deutsche Bahn nur für den kurzen ersten Streckenabschnitt zwischen Hasselbrook und dem Wandsbeker Güterbahnhof Baurecht.
Die Planungen für das rund 1,85 Milliarden Euro teure Verkehrsprojekt sehen vor, dass die S4 von Hasselbrook bis Ahrensburg auf rund 17 Kilometern Länge zwei eigene Gleise neben der Fernbahnstrecke Hamburg – Lübeck bekommt. Vom Ahrensburger Bahnhof bis zur Station Ahrensburg-Gartenholz wird die S-Bahn nur noch auf einem eigenen Gleis verkehren. Auf der restlichen Strecke bis Bad Oldesloe werden die S-Bahn-Züge die bereits vorhandenen Fernbahngleise mitnutzen.
Die S4 soll nach Angaben der Deutschen Bahn eine neue Direktverbindung für 250.000 Menschen vom Umland bis zum Hamburger Jungfernstieg, den Landungsbrücken, der Reeperbahn und Altona.
8 Antworten auf „Fotostrecke: Die erste Spundwand für die S4 steht“
Das „wiedergefundene“ Anschluß Gleis für das Gleichrichter Werk Wandsbek wurde Zeitgleich mit diesem erbaut und diente dem Transport der äußerst gewichtigen damaligen elektro Technik.
Wie gut das es nach der Stilllegung des Werkes nicht abgebaut wurde.
Sollte das ehemalige Gleichrichterwerk stehenbleiben wäre es ein Prima Standort für ein Museum der Hamburger
S-Bahn und auf dem Anschlußgleis könnte ein alter
S-Bahn Zug parken, gerne mit Gastronomie.
Vielen Dank für den ausführlichen Bericht. Ich stehe dem Projekt auch eher positiv gegenüber. Der Verein der sich gegen den Teilaspekt des Güterverkehrs stellt wurde zumindest erwähnt. Vielleicht hätte noch etwas mehr auf deren Argumente (zumindest die vernünftigen) eingegangen werden können. Die alternative Strecke an der A1 finde ich durchaus Interessant. Aber beim jetzigen Planungsstand ist des dafür wahrscheinlich zu spät.
Gerne würde ich regelmäßig solche Berichte zum fortschritt der S4 lesen.
Lieber Herr Hinkelmann, Ihnen und Ihrem Team ein gutes Jahr 2021 und vor allem Gesundheit (auch für die Mitdiskutanten, egal, wie sie zur S4 stehen) und vielen Dank für diese ausführliche Reportage! Dadurch bewahren Sie mich vor einem Fehler. Denn in meinem Übereifer für die S4 hatte ich die Spundwände am alten Gleichrichterwerk (Gw) und die am Hang gegenüber stattfindenden Fundamentierungen schon zu Arbeiten für das Überwerfungsbauwerk der S4-Richtung Rahlstedt-Hbf erklärt. 😉 Aber es sind ja erst einmal Vorbereitungen für die benötigte Baustraßen-Brücke.
Das Anschlussgleis am Gw endete vor den auf mehreren Bildern in Textmitte erkennbaren vier Nischen, in denen die Umspanner standen und diente, wie schon Herr Spliedt geschrieben hatte, dem Austausch dieser Trafos, sowie der Quecksilberdampfgleichrichter ( https://de.wikipedia.org/wiki/Quecksilberdampfgleichrichter ). Eine noch in Betrieb stehende ähnliche Anlage mit vorhandenen Trafos befindet sich am Berliner Tor und kann vom Bahnsteig der S21 aus betrachtet werden.
Ich hoffe sehr, dass sich die DB für einen Erhalt und eine Sanierung dieses Denkmals aus den Anfängen des Gleichstrombetriebs bei der Hamburger S-Bahn entscheidet, zumal es ja auf den Visualisierungen zur S4 (wie hier auf Bild 3) weiterhin erkennbar ist. In diesem Gebäude könnte die S-Bahn GmbH eine Art „S-Bahn-Museum“ mit der Präsentation der historischen Technik betreiben, zumal die Lage auch sehr zentral und verkehrsgünstig erreichbar ist. (Heutige Gw mit Halbleitertechnik sind dagegen völlig unspektakulär in Containerbauweise untergebracht.)
Was die Nutzung des Gleisrumpfes für den Antransport des Baumaterials und der Maschinen betrifft, so könnte auch ein flexibles Überwerfungsgleis von der Güterumgehungsbahn aus gelegt worden sein. So ähnlich, wie bei einer Verladung von Schienenfahrzeugen auf Transportwaggons.
Michael Junk: Ihr Desinteresse für immerhin demokratische Entscheidungen ist ja nun ausreichend erörtert worden: Was die Kleingärten angeht: Ich empfinde es als eine Unsitte, daß in Hamburg z.b in Barmbek an der S Bahn nach Ohlsdorf oder auch im Bereich Horner Rennbahn immer noch Kleingärten existieren. Diese Freizeitbeschäftigungsbereiche gehören nicht in die Nähe von Schnellbahnen, sondern dort sollten Wohnungen und Arbeitsstätten sein. Von daher ist der Abriss der genannten Kleingärten keineswegs zu beklagen. etwas off topic: Es ist ja auch geplant, in Ahrensburg West einen S-Bahn Haltepunkt einzurichten, zum Übergang zur U Bahn. Wie soll das eigentlich genau gestaltet werden? Wird der U Bahnhof verlegt oder bleibt alles wie es ist und die Leute müssen zwei Strassen queren für den Unstieg?
Traurig wie Nahverkehr den Abriss der Kleingartenanlagen für den Bau einer umstrittenen Güterverkerhstrasse, die als S4 getarnt wird, abfeiert. Nochmals eine dringend notwendige Verbesserung des Nahverkehrs im Hamburger Osten ließe sich auch auf den bestehenden Gleisanlagen erreichen, wenn man den Fehmarnbelthinterland-Güterverkehr auf einer neuen Trasse parallel zur Autobahn A1 bündeln würde. Und die neue S4 wird ein Danaergeschenk: Eine Bahn vom Hauptbahnhof bis Bad Oldesloe ohne Klo!!!
Die S3 fährt von Pinneberg bis Stade ohne Toilette, und es wurde bisher nicht gehäuft von verrichteten Notdurften in den Bahnen berichtet, daher bin ich vorsichtig optimistisch gestimmt, dass auch die S4-Ost ohne Toilette funktionieren wird. Auch die S-Bahnen der BVG oder des RMV haben keine Toiletten und ebenfalls lange Fahrtzeiten – ich denke, Sie unterschätzen da das Durchhaltevermögen der Fahrgäste.
In der Tat sind Kleingärten einerseits als Naherholung und aus Klimagründen wertvoll, aber in diesem Fall wiegt das Interesse der ÖPNV-Nutzer nun m.E. doch höher, als das Interesse der Kleingärtner, zumal denen meines Wissens Ausgleiche angeboten wurde.
Hallo DirkHamburg,
es ist schon eigenartig: Sobald es um die S4 geht, kommen das „Toiletten-Thema“, die angeblich unkomfortablen 490er, genau, wie die ebenso angebliche Fahrzeitverlängerung. Bei der S3 stört sich da eigenartigerweise niemand daran.
Als ob die vielleicht 3-4 Minuten längere Gesamtfahrzeit OD-HH so schlimm wäre und die künftige gute Erschließung von bisher abgehängten Gegenden aufwiegen würde! Und wer es nicht glauben sollte, dass trotz vieler neuer Halte die Fahrt kaum länger sein wird, sollte sich mal einen Wettkampf S1/S11 mit BR 474 gegen RB81 mit BR 112 und Bombardier-Dostos in Hasselbrook ansehen: RB81 kommt an den Bahnsteig herangeschlichen, steht eine Minute rum und setzt sich dann ganz, ganz sachte wie ein schwerer Güterzug in Bewegung. Während dessen kommt die S-Bahn mit Tempo an, macht den notwendigen Fahrgastwechsel und ist schon wieder fort. 😉
Und wer es schneller und mit WC haben möchte, nimmt ab Bad Oldesloe den zweimal pro Stunde fahrenden RE und nicht die einmal in der gleichen Zeit verkehrende S4. (Ganz genau wie von Stade aus mit der „Start Unterelbe“).
Früher hatte ich mich immer über Kommentare, wie die von Herrn Jung, geärgert. Jetzt sage ich mir nur: „S4 geht los!“ 😉
Das „geheimnisvolle“ Gleis am Gleichrichterwerk diente ursprünglich sicherlich zum Antransport der sehr schweren Gleichrichter / Trafos mit ihren oft vekehrsbehindernden Abmessungen, zumal, wenn eine Straßenanbindung fehlt. Es ist in solchen Fällen nicht ganz unüblich, die Anschlußweiche nach Gebrauch wieder auszubauen, eh sie jahrzehntelang ungenutzt da liegt, aber teuer unterhalten werden muss und bei Bedarf kurzfristig wieder einzubauen.