Update vom 11.11.2020: Wie es aktuell auf der S4-Baustelle aussieht, lesen und sehen Sie hier in dieser Fotoreportage.
Auf diesen Moment haben viele Pendlerinnen und Pendler im Hamburger Nordosten gewartet: Nach 20 Jahren Diskussion und rund zehn Jahren konkreter Planung starten am kommenden Montag die vorbereitenden Bauarbeiten für die neue S-Bahnlinie S4 zwischen Hamburg und Bad Oldesloe.
Der Termin kommt überraschend, denn vor einem Monat hatte die Deutsche Bahn den ursprünglich für Anfang Oktober vorgesehenen Baubeginn auf Anweisung des Bundesverwaltungsgerichts kurzfristig absagen müssen, weil Gegner des Projekts mehrere Eilanträge und eine Klage gegen das Bahnprojekt vorgebracht hatten (Einzelheiten dazu hier).
Gericht lehnt vier Eilanträge ab
Jetzt die überraschende Wende: Innerhalb weniger Wochen hat das Gericht die insgesamt vier Eilanträge gegen den Planfeststellungsbeschluss abgelehnt, teilte die Deutsche Bahn heute mit und kündigte an, umgehend Tatsachen schaffen zu wollen: Ab Montag werden entlang der zwei neu geplanten S-Bahngleise neben der Fernbahnstrecke Hamburg – Lübeck zwischen Hammer Straße und Hasselbrook Bäusche und Bäume gerodet, das Baufeld freigelegt und Kabeltiefbauarbeiten durchgeführt. Dabei soll laut Bahn sichergestellt sein, dass die Bauvorbereitungen dem noch laufenden Verfahren nicht entgegenstehen.
Bahn und Hamburger Verkehrssenator sind erfreut
Bahn-Projektleiterin Bettina Gnielinski sagt: „Wir freuen uns sehr über das Signal zum Start der Umsetzung der S4.“ Ihr Projektteam werde über die weiteren vorbereitenden Maßnahmen informieren. Für die kommende Woche sind beispielsweise noch keine Arbeiten im Wandsbeker Gehölz vorgesehen.
Anjes Tjarks, Senator für Verkehr und Mobilitätswende: „Neue Schienenstrecken nutzen den Pendlerinnen und Pendlern, dem Klimaschutz und der Mobilitätswende nur, wenn sie nicht nur in Plänen existieren, sondern tatsächlich gebaut werden. Deswegen ist die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Mobilitätswende. Wir wollen mit der Deutschen Bahn nun möglichst schnell in die Umsetzung gehen, denn mit der S4 binden wir perspektivisch knapp eine Viertelmillion Menschen im Osten Hamburgs und im Umland viel besser an das System Schiene an.“
Kläger sind enttäuscht
Die Kläger haben sich unterdessen enttäuscht gezeigt. Claus-Peter Schmidt von der „Bürgerinitiative an der Bahnstrecke Hamburg–Lübeck“ sagte dem hamburger Abendblatt: „Wir haben die Begründung des Gerichts noch nicht. Aber es geht ja weiter.“ Dem Bericht zufolge sei nur der Eilantrag abgelehnt worden. „Aber gegen den Planfeststellungsbeschluss erhalten wir unsere Klage aufrecht“, so Schmidt zu der Zeitung.
S4 ist eines der größten Bahn-Bauprojekte im Norden
Das S-Bahn-Projekt S4 ist eines der größten Bahn-Bauvorhaben in Norddeutschland in den kommenden Jahren und gliedert sich in drei Bauabschnitte. Nur für den ersten rund 2,8 Kilometer langen Abschnitt zwischen dem S-Bahnhof Hasselbrook und der Luetkensallee in Wandsbek liegt bislang Baurecht vor. Er umfasst die Ausfädelung von zwei neuen S-Bahngleisen am Bahnhof Hasselbrook aus dem bestehenden Netz und beinhaltet den Bau von zwei neuen S-Bahn-Gleisen parallel zur Bahnstrecke Hamburg – Lübeck verlaufen (was dort noch geplant ist, lesen Sie hier). Für die beiden anderen Abschnitte der S4 laufen derzeit noch die Planfeststellungsverfahren. Noch gibt es keine Prognosen, wann hier mit den entsprechenden Beschlüssen zu rechnen ist.
Entlang der Strecke haben sich mehrere Initiativen gebildet, die gegen den Bau zusätzlicher Gleise sind. Sie befürchten, dass mit den zusätzlichen S-Bahn-Gleisen auf der Fernbahnstrecke mehr Kapazitäten für Güterzüge entstehen. Zudem befürchten sie laut einer Pressemitteilung, dass sich Wandsbek und Rahlstedt „für mindestens 5 Jahre in eine einzige lärmende Großbaustelle verwandeln“ würden (siehe hier).
S4 soll 250.000 Menschen neu an Hamburger S-Bahn anbinden
Die S4 soll den Regionalverkehr auf der hochbelasteten Bahnstrecke zwischen Hamburg und Lübeck verstärken und die verspätungsanfällige Regionalbahnlinie RB81 (siehe hier) komplett ersetzen. Rund 250.000 Menschen sollen mit der neuen S-Bahnlinie eine umsteigefreie Verbindung aus der Region bis zum Jungfernstieg, den Landungsbrücken, der Reeperbahn und Altona bekommen.
Geplant ist, dass die S4 nördlich des S-Bahnhofs Hasselbrook aus dem bestehenden Netz ausfädelt und dann zweigleisig neben den Fernbahngleisen bis nach Ahrensburg führt. Danach soll ein kurzer eingleisiger Abschnitt folgen. Hinter dem Haltepunkt Ahrensburg-Gartenholz sollen die Züge der S4 dann auf den Fernbahngleisen bis nach Bad Oldesloe weiterfahren.
Dazu sollen spezielle Züge angeschafft werden, die sowohl mit den seitlichen Stromschienen der Hamburger S-Bahn als auch mit den Oberleitungen der Fern- und Regionalbahnen fahren können – ähnlich wie auf der S3 zwischen Neugraben und Stade.
Mit der S4 kommen fünf neue Haltestellen
Für die S4 sollen die fünf neue Haltestellen Wandsbek Rathaus, Bovestraße, Holstenhofweg, Am Pulverhof und Ahrensburg West entstehen. Außerdem hält die S4 – wie bisher die Regionalbahn RB81 – in Tonndorf, Rahlstedt, Ahrensburg, Ahrensburg-Gartenholz, Bargteheide, Kupfermühle und Bad Oldesloe. Der heutige Bahnhof Wandsbek soll im Gegenzug geschlossen werden.
Während der Hauptverkehrszeiten soll die neue S4 zunächst im 10-Minuten-Takt von Altona bis Ahrensburg fahren, weiter bis nach Bargteheide ist ein 20-Minuten-Takt vorgesehen, bis Bad Oldesloe ein Stundentakt.
S4 soll 1,85 Milliarden Euro kosten – inklusive Sicherheitspuffer
Der Bau der S4 zwischen Hamburg und Bad Oldesloe soll nach derzeitiger Planung und inklusive Sicherheitspuffer 1,847 Milliarden Euro kosten. Der Bund trägt laut Finanzierungszusage mit 1,557 Milliarden Euro rund 84 Prozent der Kosten. Der Anteil der Länder von rund 290 Millionen Euro entfällt zu 70 Prozent auf Hamburg und zu 30 Prozent auf Schleswig–Holstein.
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5 Antworten auf „Gericht lehnt Eilanträge ab: Bau der S4 startet am kommenden Montag“
Das ist doch mal eine gute Nachricht – nur wenige Jahrzehnte nach den ersten Überlegungen bekommt der hamburger Osten endlich eine angemessene Anbindung.
Bleibt nur zu hoffen, dass die Bahn ihre selbst gesetzten Planungsziele halbwegs einhält, und die S-Bahn dann tatsächlich ein ein paar Jahren fährt.
Auch wenn die Ausfälle auf der RB81 in letzter Zeit weniger geworden sind – ob ein Zug mit 4 oder 5 Wagen fährt, und wieviel Platz für die Erste-Klasse-Abteile reserviert ist, und ob dann bei zwei Erste-Klasse-Abteilen eines als Zweite Klasse freigegeben ist, ist ja momentan dem Zufall überlassen. Das kann mit der S-Bahn dann nur besser werden.
Toll, über diese vorweihnachtliche Überraschung freue ich mich natürlich sehr! 🙂 🙂 🙂
Na, dann mal los mit dem Bau! Dafür nehme ich gern auch Einschränkungen in Kauf.
Ein guter Tag für Hamburgs ÖPNV! Endlich wird das große Versäumnis von Ende der 1990er Jahre (rot-grüner Senat war da am Zug) beseitigt, als man damals die Strecke elektrifizierte ohne auch nur irgendwelche Vorleistungen für eine S4 zu bauen. Das kostet jetzt eine horrende Summe extra.
Zur Erinnerung: Die S4 wurde 1938 erstmals so geplant.
Hoffen wir, dass die S4 nicht für viele Jahre das letzte Großprojekt im Hamburger Schienenverkehr wird! In London wurde gerade Crossrail 2 gestoppt, weil man das Geld jetzt braucht, um den ÖPNV zu retten. Die U-Bahnverlängerung nach Lewisham wurde deshalb bereits vor einigen Wochen schon abgeblasen. Nur mal so als Beispiel, wie man andernorts die Finanzen viel realistischer sieht (auch wenn da der Brexit noch mit reinspielt).
Ich hoffe, dass es die S4 noch bis Elmshorn schafft und die U4 bis Wilhlemsburg und die U5 als Anhängsel der U1 wenigstens Bramfeld kommt. Aber die übrigen Pläne werden spätestens nach diesem Ausgang der US-Wahl sehr schwierig umzusetzen. Geopolitisch kommen auch mit Biden viele neue Kosten auf Deutschland und Europa zu. Und der soziale Frieden wird das finanzielle und politische Kernthema der nächsten Jahre.
das sehe ich insofern anders, als das man nur durch Investitionen die Wirtschaft in Schwung bringen kann. Ausser diesem peinlichen Hamburger Finanzsenator hat auch niemand bisher Andeutungen gemacht, dass die U5 nicht finanziert werden kann. Im übrigen ist die Entscheidung aus Leipzig eine gute Sache: ich kann nur hoffen, daß die dauerklagenden „Ich bin gegen alles“ Rentner die Verfahrenskosten auferlegt bekommen, damit sie sich beim nächsten Mal zweimal überlegen, ob sie mit ihren Egoismus der Gesellschaft wieder mal auf den Wecker gehen sollten.
Schade. Gefühlt Stehr in dem Artikel nur das Bäume geschnitten werden und ein paar Löcher gebuddelt werden.
Warum braucht man dafür gefühlte 10 DIN A4 Seiten Artikel?! Man hätte auch auf vorhandene Artikel verlinken können, in denen das exakt selbe steht ?♂️