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„Geringverdiener brauchen mehr als ein günstiges HVV-Ticket“

Viele Menschen in Armut können sich Fahrten mit dem HVV nicht leisten – trotz Sozialrabatt. Das hat eine neue Studie der TU Hamburg ergeben. Interview mit Projektleiter Prof. Carsten Gertz über Lösungsmöglichkeiten und in welchen Stadtteilen Geringverdiener mit einer unterdurchschnittlichen HVV-Anbindung leben.
Christian Hinkelmann
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Was brauchen finanziell ärmere Menschen in Hamburg und Berlin im Mobilitätsalltag? Welche sozialen Nachteile ergeben sich durch das Fehlen von Mobilitätsangeboten und wie kann Verkehrsplanung sie abmildern?

Diesen und weiteren Fragen gingen Wissenschaftler der Technischen Universität Berlin und des Instituts für Verkehrsplanung und Logistik der Technischen Universität Hamburg in den vergangenen Jahren auf den Grund – im Projekt „MobileInclusion“, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wurde. Das Ergebnis ist die Studie „Mobilität und soziale Exklusion“, die für Hamburg unter anderem eine dringende Reform zu einem transparenten und bezahlbaren Tarifsystem empfiehlt.

NAHVERKEHR HAMBURG sprach mit Prof. Dr.-Ing. Carsten Gertz über die Erkenntnisse aus der Forschungsarbeit. Gertz leitet das Institut für Verkehrsplanung und Logistik der Technischen Universität Hamburg (TUHH) und ist einer der Projektleiter von „MobileInclusion“.

NAHVERKEHR HAMBURG: Diskriminiert der HVV Menschen in Armut?

Carsten Gertz: Wir haben in der Studie die Mobilität von Geringverdienern in den Blick genommen. Es hat sich herausgestellt, dass geringverdienende Menschen die Preise und Tarifsysteme im öffentlichen Nahverkehr in Hamburg und Berlin unterschiedlich und in der Hauptstadt weniger problematisch wahrnehmen. Der HVV-Tarif bietet etwa im Abo ein Mindestmaß an Bewegungsfreiheit für Menschen in Armut: Ihr „Hartz IV“-Regelbedarf von monatlich 41 Euro erlaubt die Anschaffung einer ermäßigten Zwei-Zonen-Karte (35,50 Euro) oder einer Teilzeitkarte für den Tarifbereich AB (31,90 Euro). Der vergleichsweise günstige Preis geht mit räumlichen bzw. zeitlichen Einschränkungen einher, wobei kein Budget für ergänzende Fahrten bleibt. Hier besteht ein großer Unterschied zu Berlin, wo das Sozialticket pauschal 27,50 Euro monatlich kostet und ganztägig für den Bereich AB gilt. Die Optionen, die sich für Einkommensschwächere in Berlin ergeben, sind also vorteilhafter als in Hamburg.

NAHVERKEHR HAMBURG: Was ist das zentrale Ergebnis Ihrer Studie?

Gertz: In einer großstädtischen Struktur finden auch Geringverdiener Wege zu ihren Anlaufpunkten, aber sie können nicht alle Aktivitäten realisieren, die sie sich wünschen. Das liegt auch an einem Mangel an Informationen, die sie über Mobilitätsangebote zur Verfügung haben, um ihren Alltag mit geringem Einkommen zu bewältigen. Darüber hinaus haben wir untersucht, welchen Einfluss räumliche Strukturen haben und wie schwer die finanzielle Frage wiegt. Die Frage der Leistbarkeit steht für die Betroffenen klar im Vordergrund; aber es gibt auch einen Unterstützungsbedarf in Bezug auf Kenntnisse und Fähigkeiten.
Im ÖPNV kann der Hamburg-Takt eine Maßnahme sein, von der Geringverdienende besonders profitieren. Was ihnen insgesamt weiterhelfen kann, ist ein exzellentes Angebot in einer Großstadt…

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Der Kopf hinter diesem Artikel

Christian Hinkelmann ist begeisterter Bahnfahrer und liebt sein Fahrrad. Wenn er hier gerade keine neue Recherchen über nachhaltige Mobilität veröffentlicht, ist der Journalist und Herausgeber von NAHVERKEHR HAMBURG am liebsten unterwegs und fotografiert Züge.

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4 Antworten auf „„Geringverdiener brauchen mehr als ein günstiges HVV-Ticket““

Ziel: Jungfernstieg

Herr A., Wohnort: Stübenplatz, Nord-Wilhelmsburg,
Bus 13 + S3 = Fahrzeit 18 Min., Fahrpreis: 3,50
ohne Bus (Fußweg = 20 Min), nur S3 = Fahrzeit 10 Min., Fahrpreis: 3,50

Frau B, Wohnort: Wilstedt-Siedlung (bei Norderstedt)
Bus 378 + U1 + S1 = Fahrzeit 108 Min., Fahrpreis: 3,50

Frau C., Wohnort: Eppendorfer Markt
U1 = Fahrzeit 8 Min., Fahrpreis: 2,40

noch Fragen?

Praktischerweise wird dann in Wilhelmsburg mehr kontrolliert. 😉

Den Zuschlag zur ehem. 34 „durfte“ niemand länger zahlen und als Ersatz gbt’s dann einen Bus im Nirgendwo, der ganze vier Mal am Tag in die Stadt fährt. Und würde mich nicht wundern, wenn diese Zahlen mit irgendeinem Vorwand (z.B. wenig Fahrgäste bei der Sperrung der Freihafenelbbrücke) genutzt werden, um das Angebot auf der wachsenden Elbinsel noch weiter zu verschlechtern, so wie man es seit Jahren peu a peu macht, während anderswo zuschlagsfreie, attraktive Expressbus-Linien eingeführt werden. Soziale Verkehrspolitik von Rot-Grün.

Nein, ich vermute eher eine Kritik:
Selbst aus der entlegenen noblen Wilstedt-Siedlung ist man zwar lange unterwegs, aber dafür auch nur für 3,50 wie die Willy-Burger. Und vom Superdorfer Markt ist man natürlich ganz schnell und ganz billig da.

Aber diese ganzen guten Vorschläge von Prof. Gertz werden in dieser Stadt und bei diesem Verkehrsverbund verpuffen. Sicherlich wird eher nochmal das Logo geändert von >hvv auf <HVV, damit der schönste Verkehrsverbund der Welt auch überall der Größte ist. ?

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