Es passiert nicht oft, aber wenn er mit heulenden Motoren angesaust kommt, zieht er an den Haltestellen die Blicke auf sich: der 472 062. Im glänzenden beige-blauen Lack der Bundesbahn ist der mehr als 40 Jahre alte Museumszug der Hamburger S-Bahn ein echter Hingucker – und eine rollende Zeitkapsel: Mit viel Liebe zum Detail und Hingabe haben Ehrenamtliche und S-Bahn-Mitarbeitende (und mit viel Geld vom Hamburger Senat und der DB) das ehemalige Arbeitspferd weitgehend in den Originalzustand von 1984 zurückversetzt.
Im vergangenen Sommer wurde der Zug nach jahrelanger Restaurierung wieder in Betrieb genommen. Am kommenden Ostermontag ist er beispielsweise zum HVV-Tarif auf der Strecke nach Bergedorf unterwegs.
Doch das Retro-Schmuckstück der Hamburger S-Bahn kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass das historische Erbe auf den Hamburger Bahngleisen in den vergangenen Jahren arg verkümmert ist, denn der 472 062 ist inzwischen der einzige Schienen-Oldtimer, der überhaupt noch im U- und S-Bahn-Netz unterwegs ist.
Das sah vor einigen Jahren noch ganz anders aus: Die Hochbahn schickte regelmäßig ihren historischen Triebzug DT1 „Hanseat“ für Sonder- und Charterfahrten auf Reisen. Und einmal jährlich im Herbst drehten am sogenannten „Verkehrshistorischen Tag“ sogar noch vier weitere historische U-Bahnen ihre Runden. Die älteste von ihnen war mehr als 100 Jahre alt.
Auch die AKN war mit einem alten Schienenbus oft beim „Verkehrshistorischen Tag“ dabei, für den zahlreiche Verkehrsvereine und -unternehmen in und um Hamburg mit aufeinander abgestimmten Fahrplänen und -routen alle noch fahrfähigen Züge und Busse einen Tag lang gleichzeitig auf die Strecken schickten.
Das alles ist längst Geschichte. Mit der Corona-Pandemie verschwanden die alten Schienen-Veteranen fast vollständig aus dem Verkehr und kehrten bis heute nicht mehr zurück. Auch den „Verkehrshistorischen Tag“ gibt es seit 2019 nicht mehr.
Wo sind die vielen alten Züge geblieben? Wie viele von ihnen sind aktuell überhaupt noch fahrfähig? Und wann werden sie wieder fahren?
NAHVERKEHR HAMBURG hat bei den Verantwortlichen nachgefragt und erklärt die Hintergründe und Zukunftsaussichten.
Hochbahn: Kein einziger Oldtimer ist fahrtüchtig
Es war keine einfache Recherche, zu diesem Thema Licht ins Dunkel zu bringen, denn die Prioritäten der Hamburger Verkehrsunternehmen liegen nach Corona-Krise, Fahrgastschwund, Kostenexplosionen, Personalmangel und Finanzierungsproblemen ganz offensichtlich nicht bei ein paar alten Fahrzeugen, die viel Handarbeit und Geld erfordern, aber wenig einbringen. Man hat aktuell andere Sorgen.
Dementsprechend gering war beispielsweise die Auskunftsfreude der Hochbahn. „Das Thema ist bei uns derzeit nicht priorisiert“, erklärte Unternehmenssprecher Christoph Kreienbaum auf NAHVERKEHR HAMBURG-Nachfragen. Zurzeit sei kein einziger historischer U-Bahn-Zug betriebsbereit, auch nicht der Charterzug „Hanseat“. Dort seien die Betriebsfristen abgelaufen, darum müsse er noch ertüchtigt werden.
Über den technischen Zustand der anderen Oldtimer gibt Kreienbaum keine Ausk…
5 Antworten auf „HVV: Warum in Hamburg kaum noch ein historischer Zug fährt“
Ich finde was Hamburg gut tun würde wäre ein gutes Verkehrsmuseum
Wieder so ein typisch Hamburger Trauerspiel. Alles soll auf Digitalisierung getrimmt werden. Da passen historische Fahrzeuge nicht in das Marketingkonzept. Dabei sind es doch gerade die historischen Fahrzeuge, die noch eine Identität hatten, die bei Jung wie Alt eine Begeisterung für die Bahn und der SPNV schufen. Noch kann man hoffen, dass diesder Artikel dazu beirägt, dass zumindest der Partyzug Hanseat bald wieder lauffähig wird.
wenn wir jetzt das Jahr. 1890 hätten, dann hätten Sie bestimmt geschrieben „Alles muß auf Elektrizität getrimmt werden. Dabei sind doch Pferdekutschen als Identitätsmerkmal so wichtig, um die Leute auf die Bahn zu bekommen.“ Die Digitalisierung aller Lebensbereiche ist kein nice to have, sondern eine Tatsache und auch notwendig Sie muss so gestaltet werden, daß auch in 20 Jahren z.b. die Renten ausgeszahlt werden können. Verschläft Deutschand das Thema weiter wie bisher, dann fährt übrigens auch dieser famose Partyzug nicht mehr.
Danke schön für euren lesenswerten Bericht, der mich doch etwas traurig macht.
Was für ein Glück hatte ich doch, dass ich mit Verwandten und Freunden im Herbst 2022 die letzte Gästefahrt mit dem HANSEAT unternehmen konnte. Danach gab es wohl nur noch eine interne Abschiedsfahrt. Eigentlich wollte ich den Partyzug schon ein Jahr zuvor anlässlich meines 60. Geburtstags chartern, was aber wegen des Corona-Lockdowns nicht möglich war. So wurde das eben zu meinem 61. nachgeholt. Wir konnten in den zwei Stunden viele verschiedenen Ecken von Hamburg aus einer ganz anderen Perspektive sehen, von den Walddörfern bis zum Kiez. In Farmsen ein- und ausgestiegen sind wir dabei, trotz einer Streckensperrung im Bereich Schlump-Barmbek, optimal über verschiedene Linienübergänge und Kehranlagen und sogar dem Verbindungsgleis 20 (von Berliner Tor nach Hauptbahnhof Süd U1) gefahren.
Nochmals vielen Dank an das Fahr- und das Catering-Team für die tolle Tour, die für alle ein schönes Erlebnis war.
Der Hanseat steht in Billstedt in der Betriebswerkstatt, der DT2 in Mümmelmannsberg, die beiden DT3 in Garstedt.