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Machtkampf um Mobilität: Hamburgs Verkehrswende bröckelt

Im Bezirk Wandsbek soll die Mobilitätswende gestoppt werden, im Bezirk Nord droht ebenfalls das Aus und im Bürgerschaftswahlkampf plant die SPD offenbar Ähnliches. Während bei den Grünen Unruhe herrscht, mobilisieren Verbände und Aktivisten zum Widerstand.
Christian Hinkelmann
Verkehrswende in Hamburg: Mehr Rad, mehr ÖPNV, weniger Auto.
Verkehrswende in Hamburg: Mehr Rad, mehr ÖPNV, weniger Auto.
Foto: Christian Hinkelmann

Hamburg hat in den vergangenen Jahren viel für die Verkehrswende im Straßenverkehr getan: Parkplätze wurden abgebaut, Straßen schmaler gemacht und breitere Radwege geschaffen. Doch nun scheint es, dass der Kurs zu bröckeln beginnt. Einerseits im Kleinen in den Bezirken, andererseits im Großen auf Landesebene.

Die Hamburger SPD fordert beispielsweise im Bürgerschaftswahlkampf neuerdings einen Stopp beim Parkplatzabbau und mehr Fokus auf den Autoverkehr, was gewissermaßen einer Kehrtwende gleichkommt, nachdem die Sozialdemokraten den Verkehrswendekurs ihres grünen Koalitionspartners bisher stets mitgetragen hatten – zumindest nach Außen hin. Die Sozialdemokraten distanzieren sich damit deutlich von der Marschrichtung des grünen Verkehrssenators Anjes Tjarks und besetzen klassische CDU-Positionen.

Im Bezirk Wandsbek hat sich kürzlich eine neue Ampel-Koalition – unter Beteiligung der Grünen – auf die Fahnen geschrieben, keine neuen Radwege und Fahrradstraßen mehr zu bauen, neue Tempo-30-Strecken nur noch in Ausnahmefällen zu unterstützen und innerhalb der ersten 100 Tage min…

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Der Kopf hinter diesem Artikel

Christian Hinkelmann ist begeisterter Bahnfahrer und liebt sein Fahrrad. Wenn er hier gerade keine neue Recherchen über nachhaltige Mobilität veröffentlicht, ist der Journalist und Herausgeber von NAHVERKEHR HAMBURG am liebsten unterwegs und fotografiert Züge.

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11 Antworten auf „Machtkampf um Mobilität: Hamburgs Verkehrswende bröckelt“

Seit Jahren des Stillstands passiert seit 2020 spürbar etwas in der Stadt. Das Rathausviertel wurde autofrei umgestaltet, der Jungfernstieg ist autofrei, die Steinstraße verkehrsberuhigt, weniger Buslinien fahren durch die Mönckebergstraße. Die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt ist dadurch gestiegen.

Die lange versprochene dritte Linie nach Harburg wird endlich konkret geplant und Hamburg geht finanziell in Vorleistung, damit die Strecke ertüchtigt wird dafür. Die U5 wird im ersten Abschnitt gebaut und schließt erstmals seit Jahrzehnten Steilshoop an das U-Bahn-Netz an. Erst kürzlich wurde festgestellt: die U5 spart 70% der üblicherweise entstehenden CO2-Emissionen ein und ist zudem im Zeit- und Kostenrahmen.

Auch die U4-Erweiterung auf die Horner Geest ist in vollem Gang. Der Umbau der A1-Linie zur S-Bahn bis Kaltenkirchen geht voran und auf Hamburger Gebiet geht es auch bei der S4 voran.

Die ganzen alten Zeitkarten wurden mit Einführung des Deutschlandtickets abgeschafft, was eine massive Erleichterung für die Hamburger*innen darstellt und auch im Hintergrund den technischen Aufwand sinken lässt. Erst kürzlich wurde bekannt: ca 50% der Hamburger*innen haben ein Deutschlandticket und es gibt mehr Deutschlandtickets als registrierte PKW in Hamburg.

Im Bereich Fahrplanauskunft geht es ebenfalls voran: einerseits durch eine Kooperation von Hamburg mit Berlin für eine gemeinsame ÖPNV-App und andererseits über innovative Features. So kann man seit kurzem in der switch App bei HOCHBAHN-Busse die Buspositionen in Verbindungen einsehen, damit man sich nicht mehr fragen muss: wo bleibt dieser Bus eigentlich?

Die Velorouten wurden ebenfalls in großem Stil ausgebaut, wenngleich mit unterschiedlichem Erfolg. Und ja: es bleibt noch viel im Bereich Fahrrad und Fuß zu tun, damit wirklich alle Menschen gleichberechtigt ihr Verkehrsmittel wählen können und nicht auf das Auto angewiesen sind.

Kurzum: es ist verdammt viel passiert in den letzten fünf Jahren und die Bilanz lässt sich sehen.

Jo mei, es ist tatsächlich schon Wahlk(r)ampf! Ob’s was nützt?

Jubel, Jubel!

„Die lange versprochene dritte Linie nach Harburg…“ verhindert einen irgendwann notwendig werdenden 5-Minuten-Takt nach Rahlstedt.
„Die U5 wird im ersten Abschnitt gebaut und schließt erstmals seit Jahrzehnten Steilshoop an das U-Bahn-Netz an.“ …mit einer einzigen Station, die den an den Enden der Großsiedlung fast nichts bringt, außer längeren Wegen und Wegfall von Bussen in fußläufiger Nähe.
„Auch die U4-Erweiterung auf die Horner Geest…“ verendet kurz vor einem wichtigen Ziel, an dem die Menschen auch schon seit Jahrzehnten auf einen Schnellbahnanschluss warten.
„… und auf Hamburger Gebiet geht es auch bei der S4 voran.“ Auf der S4 geht gar nichts voran, wenn man mal von Werbeaktionen, wie mit den durchsichtigen Schallschutzwänden, absieht. Die GUB-Anbindung ist weiterhin nur eingleisig in Betrieb, die Anbindung an die Lübecker Strecke weiterhin wie eh und je, die verläuft immer noch über die Behelfsgleise, und, und, und. (Alles erst am Wochenende wieder mal gesichtet.) Da nützen auch die paar Baugruben hinter Hasselbrook und das planierte Planum vor Luetkensallee nicht viel.
Als ich gegen 2002 hierher gezogen bin hatte man uns schon die S4 „jetzt geht’s los“ versprochen, wenn ich nach meinem Berufsleben vermutlich in den „östlichen Norden“ ziehen werde, wird sie immer noch nicht fahren.

Wenn es um die Verkehrswende geht, ist die Frage zu stellen, was haben SPD geführte Verkehrsbehörden denn überhaupt an Innovationen hervorgebracht. Wir sollten uns daran erinnern, dass Verkehrspolitik jahrzehntelang als Teil der Stadtentwicklung bzw. der Wirtschaftsbehörde in eben den Behörden untergebracht war. Entsprechend wurde das Thema behandelt. Der Wirtschaftsverkehr stand im Vordergrund. Erst die Grünen haben die Frage der Mobilität in der Stadt zu einem eigenständigen Thema , mit einem zum Glück ehrgeizigen Senator, gemacht. Für mich als ehemalige Autofahrerin, Radfahrerin, Fußgängerin und Nutzerin des ÖPNV haben sich viele neue Möglichkeiten aufgetan die ich auch nutze. Sogar ich als Rentnerin habe einen finanziellen Vorteil vom Deutschlandticket und ich profitiere von den Radwegekonzepten. Es sind im ÖPNV für mich Querverbindungen entstanden von denen ich nie zu träumen wagte. Ich kann mir gut vorstellen, dass es viele Menschen in Hamburg gibt die ebenso denken und empfinden. Klar , es gibt noch viel zu tun und es ist auch viel geplant. Besonders freut mich, dass nun ernsthaft über eine Verlängerung der U-Bahn nach Wilhelmsburg nachgedacht bzw. diese Strecke geplant wird. Leid tun mir die Menschen, denen von der SPD seit Jahrzehnten eine U-Bahn versprochen wurde, und nichts passiert ist. . Leid tun mir die Menschen, die bereits einen Anschluss an eine Stadtbahn hätten haben können, wenn dieses Grüne Projekt nicht mehrmals an dem Widerstand von SPD und CDU gescheitert wäre. Ich bin nach wie vor eine Anhängerin der Stadtbahn. Ich bin aber froh, dass sich der Grüne Senator nicht ein drittes Mal an dem Projekt verkämpft hat und andere Wege einer verbesserten Anbindung, eben an U-Bahnen, für viele Menschen und Einrichtungen beschritten hat. Die Befürworter*innen der Stadtbahn mögen das bedauern, ich ziehe jedenfalls Taten, den langwierigen , nicht endenden Diskussionen in der SPD/cDU , vor. Das schlimmste was dieser Stadt passieren kann ist eine Mobilitätsbehörde in den Händen von SPD und CDU, das hatten wir bereits und es hat uns nicht voran gebracht.

Mein lieber Scholli. Ist schon Wahlk(r)ampf? Und ist hier das richtige Medium dafür? Eindeutig nein. Bitte einfach wieder ins grüne Bettchen unter dem Starschnitt vom Verkehrssenator schlüpfen und weiter träumen.

Leider haben sich die Grünen die Aversion gegen die Verkehrswende, die sich jetzt leider auch von der SPD gestützt aufbaut, zu Teilen selber zuzuschreiben. In Altona ist es weder bisher gelungen Ottensen autofrei zu gestalten (gleiches gilt für das Schanzenviertel) noch eine brauchbare Lösung für Radfahrer auf der seit zwei Jahren in Sanierung befindlichen Max-Brauer-Allee hinzubekommen. Die Kombination von Rad- und Busspur auf der südgehenden Straßenrichtung ab Holstenplatz ist für beide ein Desaster, die Busse, und damit der ÖPNV, werden ausgebremst und die Radfahrer fühlen sich von den Bussen unter Druck gesetzt. Das nur weil ein angeblich normgerechter Radweg von 2,20 Metern Breite keinen Platz gehabt hätte. Ein Hochbordradweg von 1,50 Meter Breite hätte für die Radler völlig ausgereicht. Und wenn dann noch für diese Straßensanierung 25 kerngesudne Bäume gefällt werden, ist auch die Geduld aller, die bisher mit den Grünen sympathisierten, am Ende. Gleiches Desaster beim Umbau der Elbchaussee. Die praktisch parallel zur Elbchaussee verlaufende Bernadottestraße hätte mit wenig Aufwand in eine Fahrradstraße umgewandelt werden können. Stattdessen gibt es jetzt mit Millionenaufwand eine vermorkelte Radwegelösung auf der Elbchaussee. Auch eine weitgehende Trennung von Fuß und Radverkehr auf dem zu sanierenden Elbwanderweg wäre eine pragmatische Lösung gewesen. Aber auch hier Fehlanzeige unter einer grünen Bezirksamtsleiterin.

Ich glaube nicht, dass es an den Grünen liegt, dass die Verkehrswende teilweise abgewürgt wird. Es sind doch immer wieder Partikularinteressen, insbesondere um Parkplätze, die für Aufregung und medial aufgebauschte Artikel sorgen. Sie schreiben, dass 1,50 m Radwege auch ausreichen…warum sollen aber immer Radfahrer und Fußgänger darunter leiden, dass zu wenig Platz da ist. Und es ist nicht zu wenig Platz vorhanden, es steht einfach nur zu viel Blech rum. Wer das nicht sieht, ist blind. Beklagen Sie zudem auch die vielen Bäume, die für die A1 Verbreiterung verloren gehen, oder geht es immer nur um die ach so vielen Bäumen, die natürlich nur wegen Radwegen gefällt werden (ich habe noch nie einen Bericht gelesen, in dem gefällte Bäume im Zusammenhang mit Straßenarbeiten beklagt worden sind, da wird das einfach so hingenommen). Und das Thema Elbchaussee ist doch auch wieder so ein medialer Streich der CDU. Die Millionen sind definitiv nicht in den Radweg geflossen, das ist primär in die Leitungsarbeiten gegangen. Die Bernadottestraße ist schön, aber hört leider am Jenischpark auf, danach geht es nicht gerade direkt weiter.

Schade, dass hier mit der Themengestaltung zwar noch um den Bezirk Nord „gekämpft“ wird, aber als das Gleiche für meinen Bezirk Wandsbek akut war, nichts dazu zu hören war und dieser somit „rechts“ liegen gelassen wurde. Deshalb gibt es diesmal leider von mir einen „Unzufrieden-Klick“.

Bis jetzt hört man von den Grünen hier im Forum dazu auch nur „dröhnendes Schweigen“, wie es so schön im grünen taz-Community-Sprech heißt.
Wer noch die Möglichkeit hat, die November-Ausgabe von „Wandsbek informativ“ zu bekommen: Da steht der Machtpoker, um ja „Ritzenhof 2.0“ sicherzustellen, ausführlich drin, und das haarsträubende Umfallen der Grünen.

Leider hat die Hamburg-Politik der Linken, vor allem ihrer lautstarken Vertreter*innen, diese in unserem Bezirk völlig desavouiert, vor allem ihre katastrophale Haltung zu S4, U5 und U4.

Viele sehnen sich schon nach den „guten alten Zeiten von Herrn Fuchs“ zurück. Wenn jetzt bei der nächsten Bürgerschaftswahl noch das BSW antritt, dann sehe ich ganz schwarz für Grüne und Linke im Bezirk Wandsbek.

Hallo Herr Ruge,

danke für Ihr Feedback. Wir haben in den vergangenen Monaten wiederholt über die Bezirkswahl und deren Konsequenzen in Wandsbek berichtet – siehe hier, hier und hier. Manchmal braucht es etwas mehr als einen einzelnen Bezirk, um das „große Bild“ in einem umfangreicheren Artikel zu zeichnen, das für ganz Hamburg von Relevanz ist, so, wie heute geschehen.

Beste Grüße

Christian Hinkelmann

Die Ausgabe von „Wandsbek informativ“ ist auf den Internetseiten des Bürgervereins Wandsbek abrufbar.
Allerdings berichtet das Blättchen über Verkehrsthemen rein auto-zentriert und wenig neutral.

Hallo DirkHamburg,
ja, ich weiß, dass „Wandsbek informativ“ ein konservatives Blättchen ist und dass der Artikel-Hauptschreiber absolut autozentriert schreibt. Und die meisten Leserbriefe sind es auch. Dafür ist die Ausgabe 11/2024 ja das typische Beispiel. Aber zur reinen Information über die Abläufe bei der BV-Konstituierung reichte mir das aus. Die Wertung mache ich dann selber. 😉

Ich wohne im Bezirk Wandsbek und war beim Lesen des Koalitionsvertrags auf der Suche nach Vorgaben in Sachen Klimaschutz und Verkehrswende überrascht, wie wenig es braucht, damit die Grünen Teil einer Regierung werden.

Wie oben geschrieben, wird hier eine Rolle rückwärts gemacht, und man findet nur so bahnbrechende Inhalte wie Ausbesserung vorhandener Radwege, Zusammenlegen von Rad- und Fußwegen (damit man dem Auto keinen Platz wegnehmen muss), und Blühstreifen bzw. begrünte Haltestellendächer.

Auf der anderen Seite haben wir die Beibehaltung der 6 Spuren auf der Wandsbeker Chaussee, den Wegfall der Busspur auf der Rodigallee bei Stau (also genau dann, wenn die Busspur benötigt würde), Parkplätze, und ein Stopp des Radwegeausbaus für die nächsten 5 Jahre.

Und dann wundern sich die Grünen ernsthaft, wenn sie bei solchen Koalitionsverhandlungsergebnissen nicht mehr gewählt werden, und schauen mit kullergroßen Augen auf Volt?

Vielleicht sollten die Grünen nicht um jeden Preis in eine Regierung einsteigen, sondern auch mal „lieber nicht regieren, als schlecht regieren“.

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