Neue U- und S-Bahn-Strecken, dichtere Takte, bessere Radwege und komplett umgebaute Straßen: Hamburg gibt Milliardensummen dafür aus, um den nachhaltigen Verkehr in der Stadt attraktiver zu machen und Autofahrer zum Umstieg zu bewegen – mit messbarem, aber nur langsamem Erfolg.
Doch woran liegt das? Ein Grund wird in Behörden und Verkehrsunternehmen oft übersehen: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Eine neue Busspur allein ändert nicht zwangsläufig eine über Jahre eingeübte Routine. Kilian Ulm vom Schweizer Tech-Unternehmen Axon Vibe ist davon überzeugt, dass wir das Problem falsch angehen. Die Lösung liege nicht im Beton, sondern in der Verhaltenspsychologie – angewendet im exakt richtigen Moment.
Im Interview mit NAHVERKEHR HAMBURG verrät er, mit welchen kleinen psychologischen Tricks man Autofahrer dazu bringt, die Bahn zu nehmen, wie ein kostenloser Kaffee dabei hilft, den Nahverkehr besser auszulasten und wie die HVV-App für die Stadt zu einer neuen Geldquelle werden könnte.
NAHVERKEHR HAMBURG: Herr Ulm, Sie haben eine digitale Plattform entwickelt, die das Reiseverhalten von Menschen analysiert. Können Sie uns zum Einstieg einfach erklären, was Ihre Lösung macht?
Kilian Ulm: Sehr gerne. Im Grunde ist unsere Software ein unsichtbarer Helfer, der in die bestehenden Apps von Verkehrsbetrieben eingebaut wird. Dort analysiert sie mithilfe der Sensoren im Smartphone – wie dem GPS – die täglichen Wege eines Nutzers von Tür zu Tür. Sie erkennt also automatisch, ob jemand läuft, Rad fährt oder den Bus nimmt. So lernen wir die festen Gewohnheiten einer Person kennen, zum Beispiel den typischen Arbeitsweg. Das erlaubt uns vorauszusagen, welche Wege ein Nutzer wahrscheinlich als Nächstes plant. Wichtig ist dabei: Wir schauen uns keine anonymen Menschenmassen an, sondern verstehen die persönlichen Routinen jedes Einzelnen, der dem zustimmt.
NAHVERKEHR HAMBURG: Was bringt dieses Wissen einem Verkehrsunternehmen wie der Hochbahn oder dem…









7 Antworten auf „Mit diesen psychologischen Tricks sollen Autofahrer zu Bahnfahrern werden“
„Und vor allem fürchte ich, dass davon wieder diejenigen am meisten profitieren werden, die ohnehin keine Alternative zu den Öffis haben.“
Und was ist so schlimm daran wenn Leuten, die keine ALTERNATIVE zu den Öffis haben (also sich kein Auto leisten können!) auch mal was Gutes geschieht?
Hätten sie geschrieben „die ohnehin die Öffis nutzen“ hätte ich ja Verständnis dafür gehabt. Aber so…
Auch hierauf möchte ich direkt antworten: Mit „keiner Alternative zu den Öffis“ meine ich nicht nur diejenigen, die keinen privaten PKW zur Verfügung haben, sondern auch diejenigen, die mit den Öffis fahren, weil sie am Zielort keine Parkmöglichkeit vorfinden oder weil’s schneller geht.
Es ist besser, die Menschen zu überzeugen als zu bestrafen bzw. zu zwingen. Das Belohnen wäre der dritte Weg. Vielleicht nützt es bei dem einen oder anderen. Ich würde deshalb nicht meinen Arbeitsweg zeitlich verdoppeln, mich mit vielen anderen Menschen in Fahrzeuge quetschen und auch noch Fußwege bei Wind und Wetter in Kauf nehmen. Und vor allem fürchte ich, dass davon wieder diejenigen am meisten profitieren werden, die ohnehin keine Alternative zu den Öffis haben.
Ich glaube nicht, dass solche Aktionen etwas bringen, schon gar nicht in konservativen Gegenden wie Wandsbek. Das ist doch sowieso nur dort sinnvoll realisierbar, wo es an jeder Ecke einen Schanzenbäcker, Allaaf oder noch Szenigeres und Individuelleres gibt. In meinem Stadtteil gibt es einen einzigen Bäcker, und der ist auch noch abhängig von der Öffnungszeit des Einkaufszentrums. Na gut, ganz am Rand, am Ölmühlenweg gibt es auch noch einen. Und in den Stadtteilen mit der Infrastruktur dafür müssen die Leute im Grunde gar nicht für eine ÖPNV-Nutzung motiviert werden, denn da ist ja auch die „andere Infrastruktur“ schon attraktiv.
Bei uns wird auch ein „Gratis Coffee to go“ nicht die Menschen animieren, in die langsamen, überfüllten, unattraktiven Busse und dann in die überfüllte U1 oder eben in die unzuverlässige, schlecht getaktete RB81 zu steigen. Und auch nicht – falls sie jemals in diesem Jahrhundert fertig werden sollte – in eine S4, von der sich, trotz aller schönen Reden, schnell herausstellen wird, dass sie nicht häufiger als einen 10-Minuten-Takt fahren kann. Nur, weil die DB nicht in der Lage ist, 5/10 im Citytunnel und auf der Verbindungsbahn zu fahren…
Wie gesagt, all das wird die Menschen in unserer konservativen Gegend nicht davon abhalten, weiterhin „bequem“ mit dem Auto zu fahren. Da können Verkehrspolitiker sich das noch so schön reden.
Wieviel Abfälligkeit und Missgunst mit diesem Kommentar doch gezeigt wird. Das geht natürlich am besten, wenn man seinen Namen nicht angibt.
Der Kommentar ist so formuliert, dass unterstellt wird, jeder brauche mit dem ÖPNV doppelt so lange wie mit dem Auto. Das stimmt natürlich nicht.
Außerdem zeitigt er ziemlichen Hochmut, wenn das Benutzen des ÖPNV als sich „mit vielen anderen Menschen in Fahrzeuge quetschen“ beschrieben wird. Das mag manchmal so sein, ist es aber bei Weitem nicht immer, und wer kein hemmungsloser Egoist ist, vergleicht die Vorteile für die Allgemeinheit mit möglichen eigenen Nachteilen. Dann berücksichtigt er auch, dass Autofahrer sehr viele Ressourcen der Allgemeinheit in Anspruch nehmen, für die sie nicht angemessen bezahlen und dass sie das mit dem Akzeptieren von ein paar Unangenehmlichkeiten leicht vermeiden könnten.
Die allermeisten Fusswege zu den öffentlichen Verkehrsmitteln finden bei gutem, wenn nicht sogar schönem Wetter statt. Also auch hier wird im Subtext etwas unterstellt, was nicht stimmt. Wie gut das Wetter in Hamburg ist, wissen viele Autofahrer anscheinend oft nicht. Diesen täte etwas frische Luft und etwas Bewegung meist sehr gut und würde obendrein ihre Laune verbessern.
Der letzte Satz des Kommentars zeigt, wie missgünstig jemand sein kann, dem es ausreichend gut geht, um ein Auto zu besitzen und – teilweise auf Kosten der Allgemeinheit – damit zu fahren. Dieser Mensch gönnt denjenigen, die – aus welchen Gründen auch immer – mit dem ÖPNV fahren, nicht einmal einen Kaffe. Schade.
Entschuldigung, aber das ist eine krasse, vielleicht auch gewollte Missdeutung meiner Worte! Ich habe nur meine persönliche Situation und meine Konsequenzen beschrieben. Ich kann und will gar nicht für die Allgemeinheit reden. Aber sicherlich sind viele in einer sehr ähnlichen Situation wie ich.
Was den letzten Satz betrifft: Ob Deutschlandticket oder die hier vorgestellte App, eigentlich soll es der Umwelt nützen. Aber es hilft doch nichts, wenn es in erster Linie von denen genutzt wird, die ohnehin schon mit den Öffis fahren. Es geht hier nicht um Neid oder Gerechtigkeit, sondern um eine (Klima)Katastrophe, die abgewendet oder gemildert werden muss. Und dabei muss jeder Euro zielgerichtet investiert und nicht verschenkt werden. Sonst wat dat nix!
Fußwege bei Wind und Wetter , das geht natürlich garnicht und dann auch noch gequetscht ( Ironie Ende). Es gibt eine recht gute Hardware ( Öffies) in Hamburg daran wird gearbeitet und da tut sich auch viel. Auch beim Überzeugen, zumindest Versuche dazu, gibt es auch. Ich denke da an die Klimaschutzdebatten . Gefühlt zieht das aber nicht so gut, wenn es um das individuelle Verhalten geht, das zeigen einige Beiträge in den Kommentaren. Vielleicht ist es also tatsächlich inzwischen an der Zeit zu Belohnungen überzugehen. Ich finde den Vorschlag interessant, ich fremdel aber mit dem Gedanken der Überwachung. Da bin ich mir noch nicht sicher. ????!!!!! Was konservative Gegenden angeht, würde ich das mal ungern so verallgemeinernd stehen lassen mögen. Auch Konservative können dazulernen, das ist nicht ausgeschlossen.😉