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Mobilitätsberater: Fahrgastschwund in Bussen und Bahnen könnte zwei bis fünf Jahre andauern

Beratungsunternehmen rechnet damit, dass der öffentliche Nahverkehr wegen der Corona-Krise erst zwischen 2022 und 2025 wieder auf das bisherige Fahrgastniveau kommt. Was wird aus HVV-Angebotsoffensiven?
Christian Hinkelmann
Vergleich: S-Bahnsteig im Hamburger Hauptbahnhof vor Corona (li.) und in der Corona-Krise (re.)
Vergleich: S-Bahnsteig im Hamburger Hauptbahnhof vor Corona (li.) und in der Corona-Krise (re.)
Foto: Christian Hinkelmann

Seit vielen Jahren kannten die Fahrgastzahlen im HVV nur einen Weg: Nach oben. Doch diese Höhenflüge sind seit dem Ausbruch der Corona-Krise definitiv vorbei: Um bis zu 70 Prozent war die Zahl der HVV-Passagiere in Bahnen, Bussen und Hafenfähren auf dem Höhepunkt des Lockdowns eingebrochen (siehe hier).

Wegen der aktuellen Corona-Lockerungen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen nimmt die Zahl der Fahrgäste im HVV mittlerweile zwar wieder spürbar zu, doch bis das alte Niveau im öffentlichen Nahverkehr deutschlandweit wieder erreicht sein wird, kann es möglicherweise noch sehr lange dauern.

„Im besten Fall sind es zwei verlorene Jahre, im schlechtesten Fall verlieren wir ein halbes Jahrzehnt“, schreibt das Hamburger Verkehrsberatungsunternehmen Civity in einem Diskussionsbeitrag, in dem drei Corona-Szenarien für den ÖPNV skizziert werden (hier im Original lesen).

Im Worst-Case erreicht der ÖPNV erst 2025 altes Fahrgastniveau

Im Extremfall gehen die Autoren von so einer langen Durststrecke aus, dass selbst noch in 3,5 Jahren nur halb so viele Menschen mit Bahnen und Bussen fahren werden wie vor der Corona-Krise. „Im Worst Case erreicht der ÖPNV das Vorkrisenniveau erst wieder in der Mitte des Jahrzehnts“.

Die Einnahmeverluste der Verkehrsunternehmen würden in diesem Extremszenario bei 10 Milliarden Euro liegen. Dies könnte eine historische Sparwelle auslösen. Möglicherweise würde das Fahrplanangebot aus Kostengründen um ein Drittel redu…

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Der Kopf hinter diesem Artikel

Christian Hinkelmann ist begeisterter Bahnfahrer und liebt sein Fahrrad. Wenn er hier gerade keine neue Recherchen über nachhaltige Mobilität veröffentlicht, ist der Journalist und Herausgeber von NAHVERKEHR HAMBURG am liebsten unterwegs und fotografiert Züge.

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6 Antworten auf „Mobilitätsberater: Fahrgastschwund in Bussen und Bahnen könnte zwei bis fünf Jahre andauern“

Abwarten. Diese Papiere sind stochern im Dunkeln. Ich halte das eher für unseriöses Aufmerksamkeitserhaschen der jeweiligen Veröffentlichter. Glaube nicht, dass es für den ÖPNV so dramatisch kommen wird. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, sobald das ein bisschen aus den Medien verschwindet verschwindet das Thema auch wieder aus den Köpfen der Leute. Und so stark wie von allen vermutet wird sich das HomeOffice auch nicht etablieren meiner Meinung nach.
Wir werden sehen, aber ich glaub nicht, dass es im ÖV so schwarz kommen wird, wie es derzeit gemalt wird.

Der ÖPNV und insgesamt der ganze Bahnverkehr wurden und werden durch die Corona-Krise nachhaltig getroffen, ihr Marktanteil wird leider schrumpfen. Eine falsche Reaktion der Politik wäre, jetzt die begonnenen oder geplanten Projekte zum Ausbau des SPNV zu stoppen oder zu verzögern. Umdenken ist jetzt angesagt. Für Hamburg hieße das, auf die nicht finanzierbaren U-Bahnprojekte (U5) zu verzichten, sondern umgehend in den Bau von kostengünstigen Straßenbahnlinien einzustiegen. Bei Straßenbahnen ist das Angebot leichter skalierbar als bei S- und U-Bahnen, die Bau- und Betriebskoten betragen nur 10% dessen einer U-Bahnlinie und die Fahrgäste fühlen sich aufgrund der Haltestellen im Straßenniveau auch sicherer.
Die durch dei Verzicht von wenig sinnvollen U-Bahnbauten (U5) eingesparten Mittel sollten verwandt werden, um schnellstmöglich in Hamburg das EUR 365,- Jahresicket (für den Hamburgischen Stadtbereich) und EUR 500,- für das gesamte HVV-Netz einzuführen. Post Corona müsen finanzielle Anreize geschaffen werden, um die Fahrgäste wieder aus dem Auto rein in die Bahnen zu bekommen.

„Eine weitere große Sorge der Autoren ist, dass ehemalige Stammkunden des öffentlichen Nahverkehrs im schlimmsten Fall dauerhaft auf das Fahrrad oder Auto umsteigen könnten“
Für die Leitungen der ÖPNV-Betriebe wäre ein dauerhafter Umstieg aufs Fahrrad aus wirtschaftlichen Grünen vielleicht tatsächlich der schlimmste Fall. Generell denke ich aber, dass das in vielerlei Hinsicht durchaus ein positiver anzustrebender Aspekt wäre.
Und dafür, dass die Hamburger Fahrradfahrer sich nicht zu wohl auf den Straßen fühlen, sorgen Senat und Bezirksämter ja schon mit der Nicht-Einrichtung von temporären Fahrradwegen.

Die Krise trifft den ÖPNV in seinem Kern — dem planbaren Bedarf im Berufsverkehr. Dabei ist besonders die Morgenspitze kritisch, weil bisher Pendler und Schüler in einem Zeitfenster von nur einer Stunde zusammentreffen (= Kapazitätsengpässe) und der ÖPNV zu der Zeit noch Geld verdient. Aber durch Homeoffice wird ein wesentlicher Teil von Pendlern nur noch an einzelnen Wochentagen ins Büro fahren. Werden diese Tage außerdem individuell gewählt, ist die Nachfrage an keinem Wochentag mehr so planbar wie bisher. Es wird dann überraschend Wintertage geben, an denen die Nachfrage ähnlich schwach wie in den Sommerferien wird. Dennoch müssen alle Züge müssen trotzdem fahren und die Fahrer entlohnt werden!

Auch ob die „neuen“ Radfahrer bei Hitze, Kälte oder Regen eventuell doch wieder mit dem ÖPNV fahren wollen, ist nicht planbar. Muss der ÖPNV für diese Fälle die entsprechenden Kapazitäten vorhalten? (Bisher hatte das Wetter in Hamburg kaum Einfluss auf die Fahrgastzahlen.) In jedem Fall werden die Kosten im ÖPNV gleich bleiben, während Seltennutzer billigere Tickets einfordern.

Auch andere Experten sehen es wie Civity: Vor 2025 werden die jetzigen Fahrgastzahlen und Fahrgelderlöse kaum wieder erreicht und daher würde der ÖPNV neue Einnahmequellen (=Steuern oder Abgaben) brauchen. Der Widerstand von Bürgern und Wirtschaft ist absehbar und die kommunalen Kassen haben längst ganz andere Sorgen. Aus welchen Mitteln soll dann die zweifellos gebotene Angebotsausweitung finanziert werden?

Eher einsilbig bleiben die diversen Studien übrigens zu der Konsequenz, dass die politisch fest zugesagte Verdoppelung der Fahrgastzahlen im ÖPNV wohl wenn überhaupt nun erst in der zweiten Hälfte der 2020er Jahre stattfinden würde. Daher müssten Politik und Gesellschaft aber noch viele Jahre lang Milliardeninvestitionen unterstützen, allein im Vertrauen darauf, dass in einer fernen Zukunft diese tatsächlich einmal einen angemessenen Nutzen für das Klima bringen werden.

„Je länger die Krise dauert bzw. falls es einen zweiten Shut-Down im Herbst geben sollte, desto dauerhafter werden auch die Marktanteilsverluste in Richtung MIV und Fahrrad ausfallen“

Ich trage auch zu den Marktanteilsverlusten bei, da ich mich nur für wenige Minuten vermummen möchte. Gezwungenermaßen zum Einkaufen im Kiosk, beim Bäcker und kurz vor Ladenschluss dann auch mal bei Budni oder im Supermarkt. Länger hab ich keine Lust auf den Maulkorb und deswegen ist die Nutzung von Bussen und Bahnen für mich auf unabsehbare Zeit ausgeschlossen. Ob ich mir die Kosten für das ProfiTicket zurückerstatten lasse überlege ich noch.

Wenigstens ein Hoffungsschimmer in der Krise. Mit den Fahrgastzahlen bis Januar 2020 war es nur noch grauenvoll. Überfüllte Züge, jeder ausgefallene Zug (also immer einige pro Tag) ein Chaos, Fahrgastwechsel verzögerte die Weiterfahrt um Minuten, die Ansteckung mit (mindestens) einer Erkältung oder Grippe pro Jahr war schon Teil des Fahrpreises. Inzwischen ist es in den Bahnen wirklich nett. Alleine die Tatsache, dass der Fahrgastwechsel die Pünktlichkeit nicht beeinträchtigt und die Züge nicht mehr von Fußball-„fans“ regelmäßig in Schutt und Asche gelegt werden, macht viel aus – nur zum Positiven!

So kann es gerne weitergehen. Selbst wenn infolge der Pandemie langfristig ein paar Züge aus dem Angebot genommen werden würden, wäre es schon ein Gewinn für die Fahrgäste, dass die Streckenauslastung nicht mehr ständig am Limit ist.

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