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Neue Straßenbahn für Lübeck? Jetzt droht Streit um Gutachten

Ein neues Gutachten zeigt, welche Rolle eine Straßenbahn bei der Lübecker Verkehrswende spielen könnte. Die Stadtverwaltung empfiehlt, die Idee nicht weiter zu verfolgen. Aber an ihrer Interpretation der Ergebnisse hagelt es Kritik.
Paul Meerkamp
So könnte es aussehen, wenn Straßenbahnen ohne Oberleitungen auf Rasengleisen am Lübecker Holstentorplatz vorbeifahren. (Visualisierung: Ramboll/Hansestadt Lübeck)
So könnte es aussehen, wenn Straßenbahnen ohne Oberleitungen auf Rasengleisen am Lübecker Holstentorplatz vorbeifahren. (Visualisierung: Ramboll/Hansestadt Lübeck)

Seit über 25 Jahren wird in Lübeck schon darüber diskutiert, ob man ein neues Straßenbahnnetz bauen soll. Das könnte dabei helfen, die Verkehrsprobleme der Stadt zu bewältigen und mehr nachhaltige Mobilität ermöglichen. Denn Lübeck hat sich vorgenommen, schon bis 2035 klimaneutral zu sein. Dafür soll der öffentliche Nahverkehr stark ausgebaut werden, der derzeit auf Bussen basiert. Doch lange tat sich in Sachen Straßenbahn nichts.

Erst vor drei Jahren beschloss die Stadt dann, mit einem Gutachten untersuchen zu lassen, ob Lübeck wieder auf Straßenbahnen setzen könnte – und sollte. Jetzt wurden die Ergebnisse veröffentlicht, deutlich später als geplant. Das „Teilgutachten Straßenbahn VEP Lübeck“, wie es offiziell heißt, erschien am vergangenen Freitag auf der Website der Stadt. Die Gutachterinnen und Gutachter kommen darin zu dem Ergebnis, dass es technisch möglich wäre, ein neues Straßenbahnnetz aufzubauen.

An Nachfrage mangelt es demnach nicht. Die Expertinnen und Experten machen konkrete Vorschläge für Linienverläufe und empfehlen, die Planung weiter zu vertiefen. Die Lübecker Stadtverwaltung sieht das anders. Sie schlägt der Politik vor, das Thema Stadtbahn erst einmal nicht weiter zu verfolgen. Warum? NAHVERKEHR HAMBURG erklärt die Hintergründe und zeigt, wie eine Straßenbahn Lübeck an vielen Stellen verändern könnte.

Der lange Weg zum Stadtbahn-Gutachten

Lübecks alte Straßenbahn teilte das Schicksal der Netze in Hamburg, Kiel oder Flensburg: Sie überlebte das 20. Jahrhundert nicht. Im November 1959 fuhr die letzte Lübecker Straßenbahn von Bad Schwartau zum Hauptbahnhof der Hansestadt – dann wurde das Verkehrsmittel mit seinem umfangreichen Netz stillgelegt. Straßenbahnen galten damals – zumindest in Westdeutschland – als veraltet. Der Zeitgeist und Lübeck präferierten Nahverkehr mit Bussen. Die Straßenbahn verschwand aus der Stadt.

So sah das zentrale Lübecker Straßenbahnnetz (rote Linien) in den 1950er Jahren aus. (Quelle: Stadtarchiv Lübeck)
So sah das zentrale Lübecker Straßenbahnnetz (rote Linien) in den 1950er Jahren aus. (Quelle: Stadtarchiv Lübeck)

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Der Kopf hinter diesem Artikel

Paul Meerkamp besitzt, seit er zehn Jahre alt ist, eine ÖPNV-Dauerkarte. Der Politik- und Datenjournalist wohnt in Kiel. Nach der Arbeit düst er gerne mit dem Rad oder der Fähre zum nächsten Strand. Seine Recherchen drehen sich oft um Statistiken und Gesetzesänderungen.

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6 Antworten auf „Neue Straßenbahn für Lübeck? Jetzt droht Streit um Gutachten“

Die Straßenbahn hat bekanntlich den entscheidenden Nachteil, dass diese schienengebunden ist, also keine Umleitungen möglich sind. Die Kommentarspalten in diesem Forum sind voll von Klagen über die Unzuverlässigkeit schienengebundener Verkehrsmittel.

In Lübeck käme erschwerend hinzu, dass alle vier Linien die Strecke vom Hauptbahnhof am Holstentor vorbei in die Altstadt gemeinsam nutzen würden. Wenn auf diesem Abschnitt irgendwas passierte, dann läge das gesamte Netz lahm.

Aber sie haben auch den klaren Vorteil, dass sie schienengebunden sind. Die Straßenbahn ist weitaus leistungsfähiger als ein Bussystem. Und auch bei einer Straßenbahn sind Umleitungen grundsätzlich möglich. Kommt am Ende auf das Netz an. Vielleicht wäre es sinnvoll für die Innenstadt, eine Umfahrungsstrecke zu haben oder zumindest Punkte zu haben, wo die Züge wenden könnten. Beim umfangreichen Bauarbeiten könnten bei genügend Vorlaufzeit auch provisorische Strecken gebaut werden.

Erst letzte Woche haben viele Fahrgäste beim Metrobus 23 wieder erleben müssen, dass auch mit dem angeblichen Vorteil der Schienenungebundenheit alle(!!) Busse dieser Linie an ein und derselben Stelle auf der Schiffbeker Höhe stecken geblieben sind! Kurzfristige “Umleitungen” kreuz und quer durch für Busse zu schmale Wohnstraßen oder gar ein Fahrtrichtungswechsel mitten auf der Straße sind gerade für Gelenkbusse nicht immer möglich. Aus dem 5-Minuten-Takt wurde dann eher ein 50-Minuten-Takt mit 10 gleichzeitig haltenden Bussen 😂

Nur dank Einsetzern viele Haltestellen dahinter konnte zumindest auf Teilabschnitten der Lininenbetrieb des 23ers irgendwie halbwegs aufrecht erhalten werden. Wenn es zu solch kurzfristigen und schwerwiegenden Behinderungen kommt, die den gesamten Verkehr aufhalten, kann der Bus seine Schienenungebundenheit also gar nicht als Vorteil ausspielen!

Flexible Einsetzer auf späteren Linienabschnitten oder gar Umleitungsstrecken sind bei Bussen genauso wie bei Straßen- und Schnellbahnen möglich. Exakt deshalb hat jeder gescheite Straßen- und Schnellbahnbetrieb zusätzliche Betriebsstrecken und/oder an mehreren Haltestellen zusätzliche Abstellmöglichkeiten für Fahrzeuge geschaffen.

Letzteres ist glaub ich bei Neubauprojekten oft das Problem: Um förderfähig zu sein, werden die Streckennetze minimalistisch geplant, ohne Ausweichstrecken. In Städten mit historisch gewachsenen Netzen ist das unkomplizierter. So oder so muss man einkalkulieren: Busse stecken auch regelmäßig fest, primär im Mischverkehr-Stau. Das wäre mit Straßenbahnen auf eigener Trasse, aber natürlich auch Busssen auf Busspuren, anders.

Und jetzt stelle ich mir bildlich vor, wie diese 10 Busse zusammen die größte (und schönste?) Busumsteigeanlage der Welt verstopfen. 😂
Hamburg, deine Busse.

Klassischer eingleisiger Betrieb an Engstellen muss nicht sein. In vielen engen Altstädten werden sog. Gleisverschlingungen praktiziert, d.h. die beiden Gleise werden an der betreffenden Stelle als ein Mehrschienengleis zusammengeführt. Natürlich kann dort auch immer nur eine Bahn gleichzeitig verkehren, aber es entfallen die anfälligen Weichen, die sonst immer gestellt werden müssten. Dadurch müsste ein besserer, zumindest ein stabilerer Takt möglich sein.
Wäre auch eine gute Idee für die Stralsunder Altstadtinsel, natürlich dort auch ohne Oberleitung.

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