Radweg-Konzepte in den Bezirken: planlos, langsam, ignorant

Der Radwegebau auf den Hamburger Nebenstrecken läuft oft noch planlos, weil die meisten Bezirke kein Gesamtkonzept für ihre Radrouten vorgelegt haben. Dabei sollten sie eigentlich schon vor zweieinhalb Jahren fertig sein. Ein Bezirk treibt es mit seiner Ignoranz besonders auf die Spitze.
Katrin Wienefeld
Radwege-Bau in Hamburg
Radwege-Bau in Hamburg

Auch, wenn sich beim Ausbau der Radwege in Hamburg in den vergangenen Jahren viel getan hat, sieht die Lage abseits der Hauptrouten in den zentralen Stadtteilen weiterhin oft mau aus: marode Holperpisten aus den 1980er Jahren, Schlaglöcher, viel zu wenig Platz, oft von Autos zugeparkt und manchmal sogar gar keine Radwege.

Um die Situation für Radfahrende auf den vielen kleinen Nebenstrecken in den einzelnen Bezirken zu verbessern, hatte der rot-grüne Senat vor neun Jahren ein Bündnis für den Radverkehr beschlossen. Darin haben sich die sieben Bezirk der Stadt selbst verpflichtet, bis Ende 2022 eigene Ausbaukonzepte für ihre Bezirksradwege zu entwickeln. Damit sollte vor allem der Radverkehr auf kurzen Strecken, wie zum Bäcker, zur Schule oder zur Kita angekurbelt, konfliktfreier und sicherer werden.

Doch daraus ist nie etwas geworden: Kein einziger Bezirk hatte sich an diese Selbstverpflichtung gehalten und solch ein Bezirksroutenkonzept bis Ende 2022 pünktlich fertiggestellt, wie eine Recherche von NAHVERKEHR HAMBURG im Februar 2023 ergeben hatte. Einige Bezirken hatten damals noch nicht einmal angefangen, andere stecken mitten im Prozess und nur wenige waren so weit, dass das Ziel in Sicht war.  

Rund zwei Jahre später haben wir nun noch einmal nachgefasst und die aktuellen Arbeitsstände abgefragt. Die Ergebnisse sind ernüchternd – und ein Bezirk treibt es mit seiner Ignoranz gegenüber dem Thema besonders auf die Spitze. So sieht die Lage in den einzelnen Bezirken aus.

Grundsätzlich hat sich in den einzelnen Bezirken in den vergangenen Jahren nur wenig getan. Zwar wurden vielerorts neue und bessere Radwege geschaffen, beispielsweise in Altona in der Louise-Schröder-Straße, doch das sind unstrukturierte Einzelmaßnahmen, die keinem Masterplan folgen. Nur zwei von sieben Bezirken haben ihre Routenkonzepte inzwischen fertiggestellt, einer hat mit der Planungen offenbar noch nicht einmal angefangen.

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Der Kopf hinter diesem Artikel

Katrin Wienefeld arbeitet als freiberufliche Journalistin in Hamburg. Sie kennt ihre Heimatstadt als Autorin von Stadtführern aus dem Effeff, schreibt außer über Mobilität und Stadtplanung viel für evangelische Medien und würde nur aus einem Grund auf ihr geliebtes Fahrrad als Fortbewegungsmittel verzichten: Wenn es möglich wäre, durch Alster, Elbe und Bille von A nach B zu schwimmen.

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8 Antworten auf „Radweg-Konzepte in den Bezirken: planlos, langsam, ignorant“

Danke für das kritische Review, welches meine persönlichen Beobachtungen komplett bestätigt. Das Schlimme in Hamburg ist, man will immer alles super und 100% haben und ist nicht offen für pragmatische Lösungen. So z.B. an der max-Brauer-Allee, die seit mehr als 2 Jahren aufwendigst „saniert“ wird. Weil die Straßenbreite keinen, was Hamburg als Standardbreite für einen Radweg vorschreibt, 2,25 m breiten Radweg zulässt, werdeb Rad- und Busspur zusammengelegt (auaf der südgehenen Fahrbahn) und so behindern sich beide, was regelmäßig entweder zu gefährlichen Situationen führt oder schlicht den Busverkehr ausbremst. Gleichermaßen an der Elbchaussee. Die Straßenbreite hätte überall beidseitig einen 1 m breiten Radweg zugelassen. Das hätte Autofahrer, Fußgängern sowie Radfahrern gleichermaßen genutzt. So müssen sich die Radler entweder der Gefahr auf der Straße aussetzen, oder sie fahren auf dem Fußweg und belästigen die Fußgänger. Eine andere prgmatische Lösung wäre die Führung de Radwge durch stille Wohnstraßen (z.B. zwischen Altona und Jenisch-Park) gewesen. Da hätte man nur stellenweise den Fahrbahnbelag ausbessern/erneuern müssen. Stattdessen werden aufwendige Straßenumbauten geplant und deren Realsierung dauert selbst für kurze Streckeabschnitte mehrere Jahre. Musterbeispiel dafür ist der Umbau der Gerichtsstraße zu einem kleinen Stück Radweg.
Genauso abwegig die Beschilderung der neuen Radwege/Velorouten. Anstatt auf bewährte Beschilderungsssyste, wie das holländische Knotenpunktsystem oder die klasssiche Radwegebeschilderung anderern Budnesländer in rot oder grün auf weißem Grund zu setzen, entwickelt man was Eigenes. Die ersten Schilder tauchen vereinzelt an manchen Laternenmasten auf. Der Nachteil: bei Nacht sind diea Schilder in den Farben dunkelilo/orange so gut wie nicht zu sehen. Ein durchgängiges Konzept ist leider nicht erkennbar. Dabei sollte die Rdwegebeschilderung schon 2023 abgeschlossen sein.
Aber das ist Radwegepoltiik in Hamburg, anstatt pragmatisch die kleinen, kostengünstigen Dinge zuerst zu machen, fängt man zuerst mit den aufwendigen und zeitintensiven Umbau der Kreuzungen an, die am Ende der Tage sicher einige Verbesserungen für die Radler bringen, aber die Sanierung der Bestandsradwege hätte Vorrang haben müssen.

Sorry, aber 1 Meter breite Radwege sind keine „pragmatische Lösung“ für Radfahrende. Der Verkehrsraum eines regulären Rads ist bereits 1 Meter, Lastenräder oder Fahrradanhänger brauchen mindestens 1,30 Meter Platz. Daher kommen auch die 2,25 Meter „breiten“ Radwege: Man will schlicht Überholen ermöglichen, denn Radverkehr fährt unterschiedlich schnell. Ansonsten wären 2 Meter breite Kfz-Fahrstreifen ja auch eine „pragmatische Lösung“, die wir gerne angehen können. Muss bei Gegenverkehr halt Schritttempo gefahren, ganz pragmatisch.

Genauso sind Radrouten durch Nebenstraßen oft keine gute Lösung für den Radverkehr, weil die Menschen da schlicht nicht lang wollen, sondern genauso wie der Kfz-Verkehr eine direkte, eingängige Streckenführung bevorzugen. Ich kenne auch keine „stille“ Strecke zwischen Jenisch-Park und Altona, die nicht mehrmaliges Abbiegen erfordern würde. Pragmatisch wäre es, überall wo keine getrennte Radinfra möglich ist, Tempo 30 und/oder Überholverbot von Zweirädern anzuordnen.

Die Gerichtsstraße ist übrigens eine Fahrradstraße, die an die Fahrradstraßen Richtung Neuer Pferdemarkt anknüpft und war bis vor Kurzem Teil einer Veloroute. Das ist also kein „kurzer Radweg“, sondern tatsächlich mal Teil eines Konzepts gewesen, das größtenteils umgesetzt wurde.

Aber keine Angst, mit dem „Parkplatz-Moratorium“ und dem Verzicht auf feste Ausbauziele für Radwege wird in Zukunft eh nur noch der Bestand „saniert“.

Bei der Umsetzung in den Bezirken zeigt sich ganz deutlich wo der Unterschied zwischen Grüner und Schwarz/roter Radwegepolitik liegt.
i n den meisten Bezirken ist die SPD die stärkste Fraktion und/oder die den Ton angebende Fraktion. Der Grundhaltung der SPD entsprechend , hat der Radwegeplan nur eine eher niedrige Priorität. Man hat es in der Regel auch nicht sehr eilig die Vorgaben der Mobilitätsbehörde, die ja eine Grüne Führung hat, umzusetzen. Hier zeigt sich ganz klar, dass es um Ideologie und nicht um das Wohl der Bewohner*innen geht.

Vielen Dank für diesen Bericht!

Die Ergebnisse dieser Recherche sind ein Trauerspiel für Hamburg und zeigen, wie wenig der Radverkehr in der Stadt eine Rolle spielt, übrigens im Gegensatz zu den insbes. von der Hamburger FDP und der Hamburger CDU mantaartig vorgebrachten Behauptungen, dass ja außer dem Autoverkehr alle anderen Fortbewegungsmöglichkeiten bevorzugt werden würden.

Ich empfehle jedem risikoliebenden Radfahrer, den Straßenzug Jenfelder Allee / Schiffbeker Weg in Richtung Süden mit dem Rad zu befahren, dort zeigt sich die Ignoranz der Stadt gegenüber dem Fahrrad in ihrer vollsten Pracht.

Und dass Herr Tjarks sich einerseits bevorzugt um Eimsbüttel kümmert, und die restlichen Hamburger Bezirke ihn nur am Rande kümmern, und andererseits Konflikten und Diskussionen vermeidet (siehe die Deutsche Bahn, deren Bau-Verzögerungen auch keine Konsequenzen haben), ist ja nun nichts überraschend Neues…

Ich kenne den beschriebenen Abschnitt in Jenfeld, das ist ohne Zweifel gruselig.

Aber es geht noch schlimmer: Die Zustände an der Stresemannstraße zwischen Pferdemarkt und Bahnhof Holstenstraße (4 Spuren für Autos und LKW, Radfahrende müssen sich einen jämmerlich schmalen Bürgersteig mit dem Fußverkehr teilen) sind seit Jahren bekannt, oft thematisiert und es ändert sich doch nichts.

Herzlichen Dank für das anschauliche Video. Aber darf ich fragen, warum das hier ein Beispiel für eine besonders schlechte Radfahrstrecke sein soll? In den Siebziger-/Achtzigerjahren (meine Jugend- und Radfahrzeit) waren die Radwege deutlich schlechter.

Damals gab es noch diese gefährlichen roten und weißen Kantsteine zwischen asphaltiertem Radweg und den Gehwegplatten. Dadurch war ich als Kind mal gestürzt und hatte mir den Arm gebrochen.

Und die Verkehrsführung ist doch auch in Ordnung. Ich halte es nach wie vor für viel sicherer, wenn der Radweg an den Einmündungen vielbefahrener Straßen zusammen mit dem Fußweg einen kleinen Schlenker nach rechts macht. So kann man die Radfahrenden als Autofahrer/in viel besser erkennen und es bremst die Radfahrenden zu deren eigenen Sicherheit.

Wenn ich dagegen die Radwege sehe, welche nur durch Linien von der Autofahrspur abgegrenzt sind und sich zum Teil sogar mitten zwischen den Fahrspuren befinden, dann wundere ich mich, dass es nicht viel häufiger zu Zusammenstößen zwischen Kfz und Fahrrädern kommt.

Aber ich lass mich gern aufklären und lerne gern dazu …

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