„Radlerinnen und Radler in Hamburg lieben das modernisierte Stadtrad“, verkündete die Deutsche Bahn (DB) im Oktober. Kurz zuvor hatten der Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) und Cornelius Kiermasch vom Betreiber DB Connect selbstbewusst lächelnd eine neue Stadtrad-Station eingeweiht. Sie versuchten dabei, gemeinsam Optimismus zu verbreiten. Denn in den vergangenen Jahren lief es für das Verleihsystem mit den roten Fahrrädern alles andere als rund.
Gegenüber dem bisherigen Rekordjahr hatte sich die Zahl der Ausleihen 2023 halbiert. Damit lag die Nachfrage nur knapp über dem Niveau von 2011. Und das, obwohl die Zahl der Fahrräder und der Ausleihstationen in der Zwischenzeit stark gestiegen war. Jetzt soll zusätzliches Steuergeld das Stadtrad zurück auf den Wachstumspfad bringen, um wieder zu Rekorden in anderen deutschen Großstädten aufzuschließen. Gelingt das? Und wie ist es um die Zukunft des Bikesharing-Angebots in Hamburg bestellt?
Hamburgs Stadtrad steckt mitten in der Pubertät. Vor 15 Jahren ging das Fahrradverleihsystem in der Hansestadt an den Start. Zu Beginn war die Flotte überschaubar, sie bestand aus gerade einmal 700 Fahrrädern. Es folgten Jahre des rasanten Wachstums, auch das Ausleihen wurde für Nutzerinnen und Nutzer immer unkomplizierter. Begünstigt wurde das auch durch die Verbreitung von Smartphone-Apps, die die anfänglichen elektronischen Schlüsselanhänger ablösten.
Inzwischen hat sich die Zahl der Stadträder verfünffacht, auf theoretisch rund 3.900. Für das Interesse, das sich in der Zahl der Fahrten widerspiegelt, gilt das jedoch nicht. Jahrelang konnten die Hamburgerinnen und Hamburger gar nicht genug bekommen von den Stadträdern, mit denen man eine halbe Stunde lang gratis herumfahren kann. Bis 2016 stieg die Z…
9 Antworten auf „Rekorde in anderen Städten – warum das Stadtrad in Hamburg schwächelt“
Ich stimme den anderen Kommentatoren voll und ganz zu: Das Stadtrad hat aus meiner Sicht ein zentrales Problem – die Stationsgebundenheit.
Warum sollte ich mehrere hundert Meter zur nächsten Station laufen, wo ich dann möglicherweise nur kaputte Räder vorfinde (trotz anderer Anzeige in der App), wenn überall E-Scooter bereitstehen? Bikesharing ist für mich kein Selbstzweck. Ich möchte so schnell und einfach wie möglich von A nach B kommen – nicht mehr und nicht weniger.
Meine Wahl hängt dabei rein von der Effizienz ab: Wenn der E-Scooter am praktischsten ist, nehme ich ihn. Ist es ein Carsharing-Fahrzeug, dann das. Und wenn der HVV am besten passt, entscheide ich mich dafür. Leider schneidet das Stadtrad bei meiner persönlichen, rationalen Entscheidungsfindung in den letzten Jahren immer schlechter ab.
Das größte Problem ist das Risiko: Unter Zeitdruck 5–10 Minuten zur nächsten Station laufen, dort kein funktionierendes Rad vorfinden und dann zur nächsten Station weiterlaufen müssen – das ist einfach nicht tragbar. Hinzu kommt der Zwang, das Rad nicht an meinem Ziel abstellen zu dürfen, sondern bis zur nächsten Station fahren zu müssen. Das wirkt im Vergleich zur Free-Floating-Konkurrenz in Hamburg geradezu absurd.
Das Stadtrad war früher erfolgreich, weil es schlicht keine besseren Alternativen gab. Diese gibt es heute jedoch – und das macht die Schwächen des Systems umso deutlicher. Entweder das Stadtrad-System passt sich an, oder es wird langfristig obsolet. Schade eigentlich.
Ich beziehe Stadtrad nach 15 Jahren im System gar nicht mehr in meine Überlegungen ein, weil ich zuletzt einfach zu oft enttäuscht wurde: In der App sind schon fast notorisch Räder als „verfügbar“ genannt, die sich vor Ort als gesperrt herausstellen. Stationen mit nur wenigen verfügbaren Rädern haben sich in der Realität oft genug als leere Stationen entpuppt, der Weg war völlig umsonst und es ging zu Fuß weiter zum nächsten Standort. Erwischte ich doch ein Rad, war die Chance hoch, dass irgendwas kaputt war: die Kette sprang, das Licht war im Arsch oder der Sattel machte sich während der Fahrt selbständig und sackte ab. Mehrfach funktionierte die Rückgabe nicht und ich hing nach 16 Minuten Fahrt noch 30 Minuten in der Hotline(-Warteschleife) oder schrieb E-Mails. Ich mache präventiv nach jeder Fahrt ein Foto vom abgegebenen Rad an der Station, weil ich ich nach dem ganzen Ärger nicht mehr darauf vertraue, dass ich nicht mit Pech eine gesalzene Rechnung wegen ‚fehlender‘ Rückgabe bekomme.
Kurz: die Qualität ist einfach zu mies.
Genau das ist mir neulich auch passiert. Ich mußte eine gezalzene Rechnung dafür zahlen, dass Stattrad es nicht hin bekommen hat meine ‚Rückfahrt‘ richtig zu buchen und meine Abgabe daher im ’nirgendwo‘, sprich außerhald der Stationen war, keinerlei Service.
Was mich häufig daran hindert, für die letzte Meile ein Stadtrad zu benutzen ist, dass es stationsgebunden ist. Ich muss dann also eine Bahnstation (meist) mit Stadtrad-Station suchen. Da kann ich auch gleich mit der Bahn fahren. Oder ich nehme halt einen E-Scooter, den ich überall abstellen kann. Geht mit dem Stadtrad halt nicht.
Für mich sind die neuen Stadträder („neo“) ein Grund, seltener zum Stadtrad zu greifen.
Das liegt eigentlich nur am Gepäckträger: Der neue Gepäckträger ist zu klein für meinen Rucksack und die Gepäcklast beeinflusst das Lenkverhalten negativ, da der Gepäckträger nicht am Rahmen, sondern am Lenker hängt. Damit ist das neo-Stadtrad für meine Zwecke häufig nicht geeignet. Wirklich schade.
Sehr informativer Artikel! Der Rückgang der Stadtradausleihungen liegt im wesenltichen an den Scheiß E-Rollern, die überall herumliegen. Von dern Erstellern der Studie verschämt als „Konkurrenz durch neue Anbieter der Mikromolität“ beschreiben. Ein radikales Rollerverbot wie in Paris und auch anderen Städten, würde dem Stadtrad garantiert weider auf die Beine helfen.
E-Scooter haben sicherlich einen Effekt. Es gibt sie aber auch in Köln (mit hoher Sondernutzungsgebühr) und besonders zahlreich in Berlin. Das allein kann es also nicht erklären, warum das Stadtrad schwächelt.
Trotzdem lese ich auch aus Paris, dass das Verbot dort die Leihrad-Nutzung beflügelt hat: https://www.hochparterre.ch/nachrichten/themenfokus/e-scooter-verbot-befluegelt-bikesharing
Kann das nicht auch daran liegen, daß Hamburg flächenmäßig halt sehr groß ist und das man mit der 30min. Time limit eben nicht so weit kommt wie in anderen Städten? Es wäre schön, wenn einmal genauer anaylisiert würde, warum die Ausleihezahlen in Hamburg so viel schlechter sind als meinethalben in Köln.
Flächenvergleiche sind bei dem Thema recht komplex. Man müsste da die Flächen betrachten, in denen die Fahrräder verfügbar sind, nicht die Gebietsgrenzen. Und viele Alltagswege werden in HH ähnlich lang sein wie in Köln und Berlin ist noch größer als HH.