Schreibtisch in der S-Bahn: So kommt er bei den Fahrgästen an

Seit anderthalb Jahren fährt in Hamburg eine S-Bahn mit eingebautem Schreibtisch – testweise. Bei den Fahrgästen kam das rollende Homeoffice anders an als von den Verantwortlichen vermutet. So geht es mit der Idee jetzt weiter.
Christian Hinkelmann
Das "Schmuckstück" im Ideenzug der Hamburger S-Bahn: Der große Tresen, an dem bis zu drei Menschen während der Fahrt arbeiten können.
Das "Schmuckstück" im Ideenzug der Hamburger S-Bahn: Der große Tresen, an dem bis zu drei Menschen während der Fahrt arbeiten können.

Montagmorgen, 8:06 Uhr am Bahnhof Bergedorf. Pendler-Hektik. Der Zug der Linie S2 in die Hamburger Innenstadt ist proppenvoll. Marketing-Managerin Anna huscht in letzter Sekunde mit einem Becher Kaffee in der Hand durch die Tür, drängt sich zum Schreibtisch in der Mitte des Waggons durch, klappt ihren Laptop auf und fängt an zu arbeiten – so wie die beiden anderen Herren links und rechts neben ihr.

So oder so ähnlich haben sich die Innovations-Verantwortlichen bei der Deutschen Bahn das Szenario wohl vorgestellt, als sie vor einigen Jahren einen Ideenzug für die Hamburger S-Bahn entworfen hatten. Highlight darin ist ein riesiger geschwungener Echtholz-Tresen mit gepolsterten Barhockern und USB-Steckdosen, der zum digitalen Arbeiten während der Fahrt einlädt. Überall in der Decke, über den Türen und in den Fensterscheiben sind Displays verbaut, die anzeigen, wo sich der Zug gerade befindet, wann welche Anschlüsse an der nächsten Haltestelle abfahren und in welche Richtung man beim Aussteigen laufen muss, um zur nächstgelegenen Treppe zu kommen. Eine hübsche neue Welt im HVV-Alltag.

Die Deutsche Bahn will mit diesem Ideenzug in der Praxis testen, welche Innovationen und technische Möglichkeiten sich im Alltag tatsächlich bewähren und welche nicht. Der Zug ist also eine Art rollendes Versuchslabor. Was sich bewährt, hat die Chance, später in allen Zügen zum Standard zu werden, was nicht, fliegt wieder raus.

Rollender Schreibtisch seit 2022 im Einsatz

Seit November 2022 fährt das Einzelstück fast täglich in den Hauptverkehrszeiten ein- bis zweimal auf der Linie S2 zwischen Altona und Bergedorf hin und her. Man muss also schon etwas Glück haben, um diesen besonderen Zug zu erwischen, zumal die innovative Inneneinrichtung auch nur in einem Waggon verbaut ist.

Das mediale Echo war damals groß, als der Zug in den Fahrgasteinsatz kam. Vor allem der Schreibtisch war Mittelpunkt vieler Schlagzeilen, wie „S-Bahn als Homeoffice“ und „Mini-Büro mit WLAN“. Doch danach wurde es sehr ruhig um das innovative Testfahrzeug.

Was ist aus dem fahrenden S-Bahn-Büro inzwischen geworden? Wie sind die bisherigen Erfahrungen mit der ungewohnten Einrichtung? Hat sich der Schreibtisch bei den Fahrgästen bewährt? Wann wird entschieden, welche Elemente des Ideenzugs in die gesamte S-Bahn-Flotte eingebaut werden sollen? Und welche Chancen haben Schreibtisch und Displays auf einen flächendeckenden Einbau in alle Züge?

NAHVERKEHR HAMBURG hat bei der Deutschen Bahn nachgefragt und gibt Antworten.

Dieses Feature im Ideenzug ist am beliebtesten

Glaubt man den Angaben der Deutschen Bahn, ist der Ideenzug bei der Hamburger S-Bahn ein voller Erfolg. „Unsere Fahrgäste sind begeistert“, schwärmt ein Bahnsprecher auf Nachfrage. Insgesamt sei die Einrichtung sehr positiv bewertet worden. „Auch online stieß das Projekt auf große Resonanz. Das Video zum Ideenzug ist auf dem Instagram-Kanal der S-Bahn Hamburg nach wie vor das meistgesehene Video“, so der Sprecher. Weit mehr als eine halbe Million Menschen haben sich den Clip bis Anfang Juni angesehen.

Insgesamt hat die Deutsche Bahn in den vergangenen Jahren über Online-Fragebögen, Social-Media, direkte Befragungen im Zug und Umfragen in einer geschlossenen Test-Community rund 1.200 Menschen zu der neuen Inneneinrichtung befragt. Am besten haben dabei die vielen neuen Monitore abgeschnitten. „Unseren Fahrgästen haben die Türen-Disp…

Der Kopf hinter diesem Artikel

Christian Hinkelmann ist begeisterter Bahnfahrer und liebt sein Fahrrad. Wenn er hier gerade keine neue Recherchen über nachhaltige Mobilität veröffentlicht, ist der Journalist und Herausgeber von NAHVERKEHR HAMBURG am liebsten unterwegs und fotografiert Züge.

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6 Antworten auf „Schreibtisch in der S-Bahn: So kommt er bei den Fahrgästen an“

Ich fände das schon spannend, der Marketing-Managerin Anna sowie den beiden Herren links und rechts neben ihr in der S-Bahn beim Arbeiten auf Ihren Notebooks zuzugucken. Anna hat sogar den besten Platz erwischt, der hat eine Rückenlehne. Leider werde ich diesen Super Service selber niemals zum Arbeiten nutzen können, da mein Arbeitgeber das nicht erlauben würde. Aber ein bisschen Geschäftsgeheimnisse spicken bei Anna und ihren Platznachbarn fände ich schon verlockend.

Wieder so ein PR-Ablenkungsmanöver der DB. Diese sollte sich lieber darauf konzentrieren, dass die S-Bahnen pünktlich fahren und keine billigen Showeffekte für viel Geld inzenieren, die an der Realitiät vorbei gehen. Oder soll der rollende Schreibtisch darüber hinweg täuschen, dass auf der S4 Ost die Fahrtzeiten von Bald Oldesloe bis zum Hbf. um mehr als 10 Minuten länger sind als jetzt?.Aber generell lässt sich aufgrund der geringenen Anzahl von Halten im Regionalexpress besser arbeiten und man wird zumindest im Oberdeck durch den Fahrgastwechsel deutich weniger gestört als bei der S-Bahn!

Sie haben noch vergessen zu schreiben, dass wir RB81-, resp. S4-Nutzer*innen alle eine schwache Blase haben.
Ich wünsche Ihnen trotzdem ein schönes Wochenende (und allen anderen auch🙂)!

Zusätzlich zur Umfrage wäre interessant, wofür der Tisch wirklich genutzt wird. Dies könnte man nur durch Beobachtung feststellen. Wird dieser als Esstisch, Wickeltisch und/oder als zusätzliche Sitzgelegenheit (Jugendliche sitzen bekanntlich gern in erhöhter Position) genutzt? Sicherlich gibt es noch weitere Verwendungsmöglichkeiten, von welchen wir lieber nicht wissen wollen.

Dass der Schreibtisch in einer echten S-Bahn nur begrenzt positiv angenommen werden würde, war doch im Grunde von Anfang an absehbar. Aber nun gut, man kann jetzt von sich sagen, dass man es immerhin mal versucht hat. Im Regionalverkehr wie z.B. bei der Südostbayernbahn hat die Idee ja auch ihre Existenzberechtigung.
Neben den Displays, die zumindest in Teilen nennenswerte Mehrwerte bieten sehe ich vor allem in den Ladebuchsen und dem WLAN eine Chance für die Zukunft. Gerade mit S4 und S5 und den sich dadurch verlängernden Fahrzeiten sollte man nicht Potential verspielen, in dem man frische Zusatzangebote aus dem Regionalverkehr mit der S-Bahn direkt wieder abschafft.

Ich finde, die Idee mit dem Schreibtisch weiterhin super und wie die DB selbst davon ausgeht, ergibt es für die Kunden mit längeren Fahrzeiten mehr Sinn. Ich würde für 15 Minuten auch nicht mein Notebook auspacken. Aber bei meiner Fahrzeit von 40 Minuten stelle ich mir manchmal schon die Frage, warum ich so blöde auf dem Schoß arbeiten muss, oder lasse es zumeist ganz sein. Empfehlung auf den langen Strecken 1-2 Zugteile damit ausstatten. Was meint ihr wie sich z.B. Kunden aus Neu Wulmstorf oder auch Neugraben bis HBF oder weiter darüber freuen würden, wenn das alles schon als Arbeitszeit gilt, da man effektiv was tun kann. ich glaube schon, dass es auf solchen Strecken einen Kundenstamm dafür gibt.

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