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Tödlicher Radunfall in Hamburg: „Das war Behördenversagen“

Der Fahrradverband ADFC erhebt nach dem Tod einer Radfahrerin schwere Vorwürfe gegen die Hamburger Polizei. Den Behörden sei die Gefährlichkeit der Unfall-Kreuzung seit Monaten bekannt, so der Verband im Interview. Ein Gespräch über Konsequenzen, schnelle Verbesserungsmöglichkeiten und vier konkrete Tipps, wie sich Radfahrende vor abbiegenden Lastwagen besser schützen können.
Christian Hinkelmann
Ein weiß lackiertes Fahrrad ("Ghost-Bike") erinnert an die am 30.1.2023 von einem Lastwagenfahrer getötete Radfahrerin in der Hamburger HafenCity.
Ein weiß lackiertes Fahrrad ("Ghost-Bike") erinnert an die am 30.1.2023 von einem Lastwagenfahrer getötete Radfahrerin in der Hamburger HafenCity.
Foto: ADFC

Trotz Millioneninvestitionen in bessere Radwege und Abbiegeassistenten: In Hamburg sterben nach wie vor immer wieder Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer, weil sie von abbiegenden Lastwagen überfahren werden. Zuletzt am vergangenen Montag in der HafenCity. Dieses Mal traf es eine 34-jährige Mutter, die ihr Kleinkind aus der Kita abholen wollte und direkt am U-Bahnhof Überseequartier von einem abbiegenden Baulastwagen totgefahren wurde.

Der Fall hatte in der Hansestadt für große Bestürzung gesorgt. Am vergangenen Samstag versammelten sich rund 200 Menschen am Unfallort zu einer Mahnwache, die der Fahrradverband ADFC organisiert hatte. Viele Menschen legten Blumen ab, legten sich symbolisch auf die Straße und sangen „Yesterday“ von den Beatles. Ein weiß lackiertes Fahrrad, ein so genanntes Ghost-Bike“ soll an die Verstorbene erinnern.

Unterdessen erhebt der ADFC schwere Vorwürfe gegen die Polizei. Im Interview mit NAHVERKEHR HAMBURG bezeichnet der stellvertretende Hamburger Landesvorsitzende, Thomas Lütke, den tödlichen Unfall als Folge von Behördenversagen und erklärt, was die Unfallkreuzung in der HafenCity für den Radverkehr so gefährlich macht. Außerdem gibt er vier konkrete Tipps, wie sich Radfahrende an Kreuzungen besser vor abbiegenden Lastwagen schützen können und mit welcher einfachen Maßnahme Kreuzungen in Hamburg schnell sicherer werden könnten.

NAHVERKEHR HAMBURG: Herr Lütke, der ADFC war nicht überrascht, dass es an der Unglückkreuzung in der HafenCity zu diesem tragischen Unfall kommen konnte. Warum?

Lütke: Die Verkehrsführung an der Unfallkreuzung hat zwei klare Schwachpunkte. Erstens: Auf der Magdeburger Brücke gibt es in Richtung stadteinwärts, dort wo die Radfahrerin und der Lastwagen fuhren, nur einen sehr schmalen Schutzstreifen mit einer Minimalbreite von 1,5 Metern für den Radverkehr. Fahrräder und Autos werden dort also extrem dicht nebeneinander geführt. Zweitens: Direkt an der Ampel ist die Haltelinie für den Radverkehr nur um 2,5 Meter vorgezogen gegenüber der Linie für den Autoverkehr. Das ist viel zu wenig, denn gerade in hohen Lastwagen kann man wegen des schlechten Blinkwinkels dort haltende Radfahrende nicht erkennen. Die Haltelinie für Fahrräder müsste um mindestens fünf Meter vorgezogen werden, damit Radfahrende klar im Sichtfeld von Lastwagenfahrerinnen und -fahrern sind.

Polizei weiß seit acht Monaten von den Gefahren der Kreuzung

NAHVERKEHR HAMBURG: War der Hamburger Polizei und der zuständigen Verkehrsdirektion das denn nicht bekannt?

Lütke: Doch, nach unseren Kenntnissen schon. Wir haben in unserer ADFC-Bezirksgruppe Mitte mehrere Mitglieder, die in der HafenCity wohnen und die Unfallkreuzung regelmäßig befahren, um ihre Kinder in die umliegenden Kindergärten zu bringen. Sie kennen die Gefahren aus eigener Erfahrung und haben die Hamburger Polizei am 17. Mai 2022 – also vor mehr als acht Monaten – direkt dazu angeschrieben und konkrete Verbesserungsvorschläge gemacht.

NAHVERKEHR HAMBURG: Und wie war die Reaktion?

Lütke: Die Polizei hat sinngemäß geantwortet, dass eine zweijährige Evaluierung zu keinen Beanstandungen geführt habe sowie die Kreuzung laut ihrer Statistik kein Unfallschwerpunkt sei und dass aus diesem Grunde dort auch nichts geändert werden müsse.

NAHVERKEHR HAMBURG: Haben die Behörden also versagt?

Lütke: Hier wurden Hinweise aus der Bevölkerung nicht ernst genommen und es wurde mit Verweis auf die Statistik nicht reagiert. Dabei hätte der schlimme Unfall so vielleicht verhindert werden können. Das würde ich schon als Behördenversagen bezeichnen.

NAHVERKEHR HAMBURG: Wie kann man aus Ihrer Sicht dafür sorgen, dass solche Hinweise aus der Bevölkerung von den zuständigen Behörden in Zukunft ernster genommen werden?

Lütke: Ich würde mir wünschen, dass die Behörden endlich ihre Schreibtisch- und Autoperspektive verlassen und sich bei Vor-Ort-Ter…

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Der Kopf hinter diesem Artikel

Christian Hinkelmann ist begeisterter Bahnfahrer und liebt sein Fahrrad. Wenn er hier gerade keine neue Recherchen über nachhaltige Mobilität veröffentlicht, ist der Journalist und Herausgeber von NAHVERKEHR HAMBURG am liebsten unterwegs und fotografiert Züge.

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20 Antworten auf „Tödlicher Radunfall in Hamburg: „Das war Behördenversagen““

ich habe lange überlegt, ob ich mich überhaupt zu Wort melden soll, aber das Thema wühlt mich doch ziemlich auf. Mir zieht es jedesmal die Kehle zusammen, wenn ich von solch schrecklichen Unfällen erfahre und jetzt daran denken muß , dass ein kleines Kind ohne seine Mama auskommen muß, da treibt es mir die Tränen in die Augen, zumal ich selber Vater bin.

Unfälle dieser Art müssen aufhören.

Ich versuche mich in die Perspektive aller hineinzuversetzen und denke, dass ich das auch kann, da ich
– als Radfahrer und Fußgänger unterwegs bin
– einen Busführerschein habe und auch Linienbusse bewege
– einen LKW-Führerschein habe und auch LKWs bewege.

Meist werden Unfälle dieser Art so dargestellt, dass „Radfahrermordende LKW schon wieder zugeschlagen haben“ eine zugegeben etwas überspitzte Formulierung.
Ich bin überzeugt, dass so ein Unfall auch für einen LKW-Fahrenden das schrecklichste ist, was je passieren kann. Von der juristischen Schuld abgesehen muß die Person jetzt den Rest ihrer Tage mit der moralischen Schuld klarkommen, einen Menschen, hier die Mutter eines kleinen Kindes, absolut unbeabsichtigt getötet zu haben. Daran können Menschen zerbrechen. Wer denkt an diese Unfallbetroffenen und stützt sie? Ich möchte mir nicht ausmalen, wie es mir damit ginge und bete, dass ich nie in eine solche Situation komme.

Es ist nicht wegzudiskutieren, dass die Sichtverhältnisse aus der Perspektive der hinter dem LKW-Lenkrad sitzenden Person aus technischen Gründen eingeschränkt ist. Umso mehr ist die Sorgfalt gefragt, mit der man ein solches Fahrzeug im Verkehr bewegt, vor allem in der Stadt. Assistenzsysteme können dabei helfen, gefährliche Situationen hoffentlich rechtzeitig zu erkennen – verhindern können sie sie aber nicht, da kann man als Fahrer noch so sorgfältig sein, gucken, wo man gucken kann und noch so langsam um die Ecke fahren. Absolut eklige Situation.

Ich beobachte schon lange eine höchst gefährliche Entwicklung und das ist allgemein ein rapider Verlust des Gefahrenbewußtseins und der stetigen Forderung nach Lösungen, wie so etwas verhindert werden kann. Aus meiner Perspektive als Radfahrender kann ich nur sagen, dass ich größten Respekt vor Großfahrzeugen habe, eben weil es große Bereiche gibt, wo ich beim besten Willen nicht gesehen werden kann.

Einfacher Hinweis:
Kann ich den Fahrzeugführenden sehen (auch über die Fahrzeugspiegel), dann kann sie/er mich auch sehen. Kann ich ihn nicht sehen, dann kann er mich auch nicht sehen. Ergo: Halte Dich niemals in den Bereichen auf, wo Du den Fahrer nicht sehen kannst. Eigentlich ganz einfach. Und das predige ich meinen Kindern bei jeder sich bietenden Gelegenheit.

Kann man mich nicht sehen, dann passe ich doppelt bis dreifach auf. Da bleibe ich im Zweifel lieber stehen und warte ab, auch wenn ich rein nach der StVO vorfahrtsberechtigt wäre. Was nützt mir der beste Vorrang, wenn ich akut Gefahr laufe vom LKW überfahren zu werden? Ich kann hier nur an alle im Verkehr Teilnehmenden appellieren, darauf zu achten, was um einen herum passiert und im Zweifel zurückzustecken, um solche Unfälle zu verhindern, gerade als Radfahrer und Fußgänger.

Kein sonstwas-sowieso-Assistent und keine noch so akribische Verkehrsraumplanung kann den Verkehrsteilnehmenden die Pflicht zur Sorgfalt und Verantwortung abnehmen, aufeinander zu achten, auch und vor allem auf sich selber. Und das betrifft alle, die am Verkehr teilnehmen.

„Drittens: Wenn es nicht anders geht und Sie nun doch an einer roten Ampel neben einem Lastwagen auf einem Radstreifen stehen, fahren Sie sofort los, sobald die Ampel auf Grünlicht umspringt. Lastwagen beschleunigen sehr langsam. Nutzen Sie diesen Zeitvorteil und machen Sie einen Schnellstart, sodass Sie der Lastwagen auf der Kreuzung gar nicht mehr erreichen kann.“

GANZ FATAL!!! Wie kann man so etwas empfehlen?? An den meisten Kreuzungen wird der Abbiegevorgang sofort und ohne Verzögerung eingeleitet, da kann man als Radfahrer noch so schnell starten, Katastrophe ist vorprogrammiert! Unglaublich so etwas öffentlich als Radfahrprofi kund zu tun!!! Ich empfehle jedem Radfahrer, auf KEINEN Fall in die Kreuzung einzufahren, wenn auch nur
die geringste Gefahr besteht, daß ein links stehendes Fahrzeug ihn/sie nicht gesehen haben könnte, auch wenn man als Radfahrer grün hat! Das sage ich als Bus- und Fahrradfahrer.

Fahrzeuge können nicht sehen, wenn man mal von Assistenzsystemen absieht. Zudem muss sie sichtbar gewesen sein, da es keinen „Toten Winkel“ bei Lkw geben darf. Auch nicht direkt vor dem Fahrzeug. Darauf weist selbst die Polizei Hamburg hin, z.B. hier: https://twitter.com/polizeihamburg/status/891950999845445633

Ausnahme wäre, wenn das Fahrzeuge diese Spiegel nicht hat oder sie falsch eingestellt sind. Dann wurde es aber illegal betrieben. Oder, wie fast immer, war der Fahrer unaufmerksam.

Es ist ein typisches Hamburger Phänomen, dort wo es eng und gefährlich wird, hören die Radwege einfach auf oder die Wegweisung ist mehr als unübersichtlich. Drei Beispiele:
1. Altonaer Straße Richtung Süden vom kleinen Schäferkamp her kommend. Obwohl ein für Hamburger Verhältnisse durchaus brauchbarer Radweg existiert, ist die Straßenbemalung so, dass man als Radler die Straße nutzen soll, die relativ eng und stark befahren ist, auch von Bussen, die einen Radler bei Gegenverkehr nicht mit dem gebotenen Abstand überholen können. Besodners gefährlich für ortsunkundige Radler. Ortskundige bleiben auf dem Radweg. Warum wird das nicht geändert?
2. Wegeführung vom Kaltenkirchner Platz/Stresemannstraße in die Harkortstraße. Unter der Eisenbahnüberfühung Harkortstraße gibt es einen relativ breiten Fuweg. Offiziell müssen die Radler die enge einspurige Straße nahmen. Die Radwegmarkierung beginnt erst 30 Meter hinter der Unterführung. Hier wäre eine Abmarkierung eines Pop-up-Radweges unter der Unterführung angezeigt.
3. Max-Brauer-Allee zwischen Holstenstraße und Paul-Nevermannplatz: Straße ist zweispurig. Hier wäre es einfach einen Pop-up-Radweg abzumarkieren bis die Straße saniert ist. Wird aber nicht getan. Auf dem Teilstück Goetheallee – Paul-Nevermann-Platz ist der Hochbordradweg in grottenschlechtem Zustand, teilweise nur geschottert und mit tiefen Löchern versehen. Kein Wunder dass die Radler auf die Straße ausweichen und häufig sich und den Autoverkehr in Bedrängnis bringen. Was hier stattfindet ist eine grobe Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch das Bezirksamt Altona!
Der ADFC sollte einmal ein Karte der besonders gefährlichen Stellen für Radler in Hamburg zusammenstellen. Damit würde er dem zuständigen Senator auf die Füße treten, aber hier arbeitet man mit gebremsten Schaum, weil sonst die Karrieren einiger ehemaliger ADFC-Funktionäre in der Verkehrbehörde einen Knick bekämen.

Kann mir hier jemand weiter helfen, wie man an die Unfallberichte heran kommt? Ich vermute fast, dass diese in der Regel nur oberflächlich verfasst werden. In Hamburg kommt erschwerend hinzu, dass die gleiche Behörde (Polizei) die Straßenverkehrsbehörde ist und als Polizei den Unfall untersucht. Das führt dann dazu, dass fachliche Mängel innerhalb der Behörde gar nicht erkannt werden.
Vorbildlich hier der Schienenverkehr mit der Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung (BEU), die auch für den interessierten Laien gut lesbare Berichte verfasst:
https://www.eisenbahn-unfalluntersuchung.de/EUB/DE/home_node.html

Gut das sich der ADFC einbringt und gut, dass solche tragischen Unfälle zum Anlass genommen werden, Umstäde kritisch zu hinterfragen. Allerdings darf auch ich, als Verkehrsteilnehmer der sowohl PKW, Rad und Bahn fährt anmerken, das nicht jede Äußerungen des ADFC im konkreten Beispiel auch wirklich zündet.

Der LKW-Fahrer wird sich einem Verfahren und seiner Schuld stellen müssen. Allerdings darf man auch fragen, ob die Radfahrerin alles richtig gemacht hat. Ich empfehle die Verkehrssituation an der Unfallstelle mal genau zu prüfen und sich zu fragen, warum die Radfahrerin gerade aus gefahren ist. Dort ist durch die Baustelle der Verkehr geradeaus gar nicht möglich und wird zwangsweise nach rechts geführt. Gilt das nicht für Radfahrer?

Will uns Herr Lütke tatsächlich an einer Ampel ein Hasenfußrennen mit einem 400PS LKW empfehlen? Das Rennen werden ältere Menschen, Verkehrsanfänger und Radfahrende mit älteren Rädern nicht gewinnen können…

Und wenn Herr Lütke uns schon die Lektüre der StVO empfiehlt, dann sollte neben dem Blick in den §2 (1) auch Zeit für den §2 (2) sein.

Und auch wenn es der eigenen Sicherheit dienen mag, wie es „fliegwech“ beschrieb: wer Regeln biegt und bricht und nach seinen eigenen Vorstellungen auslegt oder ignoriert, sollte sich nicht wundern, wenn ihm von Anderen anarchische Tendenzen unterstellt werden. Wer dabei auch noch die Gefährdung anderer der eigenen Gefährdung vorzieht und sich damit im Recht sieht, hat bei weitem nicht alles im Leben verstanden. Der ist nicht besser, als der SUV-Fahrer, de aus Mangel an Parkplätzen auf dem Radweg steht…

Hier hilft ein Blick in den §1 der bereits erwähnten StVO. Ein Lehrer meinte einmal zu uns, eigentlich bedarf es in der StVO nur den §1. Aber nun kommt der Mensch hinzu…

Herr Michael Loose meint, die untere Straßenverkehrsbehörde hat in Hamburg zu viel Macht? Ich warte gerne auf eine Erläuterung, ob es in anderen Bundesländern anders strukturiert ist und besser läuft. Lieber eine von der Verkehrsbehörde unabhängige StVB, als teilweise unsinnige, weil fachfremde Entscheidungen wie im Umland, wo der Amtsleiter oder Bürgermeister mal kurz etwas anordnen lassen, was einer rechtlichen Prüfung nicht stand hält.

Egal wie weit man auf die eine oder andere Seite eingeht und wie vermeintlich sicher man Straßen baut oder Verkehre abgrenzt, umlenkt, unterbindet oder wendet: ein Restrisiko wird man für niemanden ganz ausschließen können. Irgendwer macht irgendwo immer etwas falsch. Und wenn es dann zu solchen schicksalhaften Begegnungen führt, bleiben alle nur sprachlos und hilflos zurück. Man kann bei allem guten Willen, nicht alles Verhindern. Und eine richtige Bewertung von gestern, steht heute in einem anderen Licht und muss neu gedacht werden. Das ist aber ALLEN gemein. Behörden, Polizisten, LKW und Radfahrern…

Da ich auch Auto, Radfahrer und Fußgänger bin, würde ich vieles von dem, was Frank geschrieben hat, zustimmen.
Ich möchte ergänzen, dass meiner Meinung nach ADFC (bin selbst Mitglied) viel zu wenig macht, um ihren Mitgliedern und anderen Fahrradfahrern das „passive Fahren“ zu empfehlen. Wenn man die vorhandene Information über die Unfälle in Hamburg mit tödlichem Ausgang für den Fahrradfahrer betrachtet, ist in den meisten Fällen der Fahrradfahrer (ob männlich oder weiblich, jung oder alt) nicht schuld, aber hätte den Unfall vermeiden können. Es geht um hören, sehen, gesehen werden und antizipieren. Hier hat ADFC eine wichtige Aufgabe zu erfüllen, um zu helfen weitere tragische Unfälle zu vermeiden.

Ich weiche oft auf den Fußweg aus und „breche“ damit das Gesetz nicht aus Jux, sondern weil der Verdrändungsprozeß auf der Straße durch die Autofahrer beginnt. Allerdings gefährde ich im Gegensatz zu Autofahrern, die auf den Radwegen parken bzw. halten – in den letzten 15 Monaten habe ich allein 115 dieser Gefährder an die Polizei weiter gemeldet (es gibt da mittlerweile wunderbare Apps, die das bewerkstelligen ohne großen Aufwand) – keine Fußgänger. Ich halte z.b.an, wenn ich eine Gruppe von Kleinkindern entgegenkommen sehe selbst wenn ich auf dem Radweg unterwegs oder steige ab, wenn auf zwei Meter breiten Fußwegen, die es in Hamburg zu Hunderten gibt, wenn dort Familien unterwegs sind usw. ich bezahle lieber 300 bis 400 EURO für Ordnungswidrigkeiten für die Fehlbenutzung von Fußwegen im Jahr als mich dem autofahrenden Straßenbereich oder besser -Irrsinn auszusetzen.

Bei der rechtswidrigen Benutzung der Fußwege geht es also um Selbstschutz und nicht darum, Fußgänger zu gefährden. Wieviele Fußgänger sterben denn in Deutschland im Jahr durch radfahrende „Rowdys)? 1 bis 2 vielleicht. Und wieviele Radfahrer? Hunderte!
Das eigentliche Problem ist nicht nur in Hamburg, daß immer noch viel zu Rücksicht auf die Fahrbedürfnisse der Blecheimer Community gelegt wird. Die sog. „Radfahrerrowdys“ ist nur eine Bildzeitung Mär. Tatsächlich haben wir es mit Millionen von autofahrenden Verkehrsgefährdern zu tun.
Wir müssen als Gesellschaft aus nicht nur aus umweltpolitischen Gründen vom Individualverkehr im Auto oder Motorrad/Vespa/Mofa wegkommen, darum geht es.
Ein Bsp: Bis heute ist die Wandsbeker Chausse im Wesentlichen sechsspurig: es gibt miserable Radwege, die Unfälle zwischen Radfahrern und Fußgängern gerade zu herausfordern. Und nichts geschieht. Und durch die vermeintliche Lösung „E-Mobilität“ wird das Problem auch in der nächsten Generation nicht gelöst werden. motorisierte Blecheimer haben einfach zuviel Platz im Verkehrsraum.

Da gebe ich Ihnen vollkommen recht, das sehe ich ganz genauso. ALLE Verkehrsteilnehmer machen Fehler, da ist man persönlich immer auf der sicheren Seite, wenn man sich defensiv und vorausschauend verhält um eventuell auftretende Konflikte von der eigenen Seite heraus möglichst zu vermeiden. Und wenn man selbst 20mal recht in der konkreten Situation hat.

Ich will hier gar nicht zu lange ausschweifen, sondern nur einmal kurz klarstellen: „Egal wie weit man auf die eine oder andere Seite eingeht und wie vermeintlich sicher man Straßen baut oder Verkehre abgrenzt, umlenkt, unterbindet oder wendet: ein Restrisiko wird man für niemanden ganz ausschließen können. Irgendwer macht irgendwo immer etwas falsch. “
Das stimmt sicher. Es ist allerdings durchaus möglich, Städte und insbesondere die Verkehrsräume so zu gestalten und zu organisieren, dass solche Fehler nahezu nie direkt zum Tod eines oder mehrerer beteiligter Menschen führen. Funktioniert in anderen Städten, muss man nur ernsthaft wollen und mal nicht den Fluss des Kfz-Verkehrs über alles andere stellen. In den Medien bekanntestes Beispiel ist Helsinki.
https://www.ndr.de/nachrichten/info/Keine-Verkehrstoten-Was-Helsinki-richtig-macht,visionzero110.html

Dass das in Deutschlands Städten niemanden ernsthaft interessiert, ist das, was der Herr vom ADFC mit gesellschaftlichen und behördlichen Versagen meint. Jedenfalls verstehe ich ihn so, und so sehe ich das persönlich auch. Die Aussagen der beiden Vorposter, insbesondere Frank, empfinde ich daher als unglaublich zynisch. Woher wissen Sie denn, ob die Frau geradeaus gefahren ist, und nicht einfach auch beim Rechtsabbiegen in der Schleppkurve vom LKW gelandet ist? Habe ich in der Berichterstattung der letzten Tage nirgendwo lesen können. Wer weiß das denn schon, oder unterstellen Sie das mal eben einfach so? Mal ganz davon abgesehen, dass – selbst wenn es so wäre – solch ein Fehler keine Erklärung, Entschuldigung oder Rechtfertigung sein kann, direkt mit dem Tod bestraft zu werden. Unfassbar.

„Lieber eine von der Verkehrsbehörde unabhängige StVB, als teilweise unsinnige, weil fachfremde Entscheidungen wie im Umland, wo der Amtsleiter oder Bürgermeister mal kurz etwas anordnen lassen, was einer rechtlichen Prüfung nicht stand hält.“

Die StVB ist bloß fachfremd besetzt. Da gibt’s keine Verkehrsplaner, sondern Polizeibeamte, die nach 20 Jahren im Peterwagen glauben, sie seien Experten für Mobilität und Unfallforschung. Da kann auch jeder kleine Kommissar erstmal Tempo 30 blockieren, weil der Abschnitt auf seinem Heimweg liegt und die Partnerin meckert, wenn man zu spät zum Abendessen kommt. (Und jeder, der ein bisschen mit Verkehrsstatistik vertraut ist, weiß, wie irrelevant es für die Durchschnittsgeschwindigkeit ist. Für die StVB aber unvorstellbar, weil es nur den Horizont durch die Windschutzsscheibe gibt.)

Hey Lokstedter, cool. Ein Post von dir, den ich zu nahezu hundert Prozent so unterschreiben kann, das freut mich wirklich. Diese Hamburger Besonderheit ist wirklich extrem hinderlich. Es ist wirklich anstrengend, sich mit den Herren auseinandersetzen zu müssen. Zumal die in der Regel nicht nur wenig Ahnung von Verkehrsplanung und Unfallforschung und -statistik haben, sondern gleichzeitig als Polizisten auch noch gewohnt sind, Autorität zu sein und immer Recht zu haben. Fehler eingestehen oder mal zugeben, dass man im Unrecht ist, ist da schwierig, Fachargumente prallen häufig einfach ab. Ist sicher nicht bei allen so, aber doch recht verbreitet. Diese Organisationsstruktur müsste dringend refomiert werden, wenn man ernsthaft mit der Verkehrswende vorankommen möchte in Hamburg.

„… immer ein Anlaß, auf den Fußweg zu wechseln und eben Fußgänger zu gefährden…“

Die Zahl der gegenüber Fußgängern skrupellosen Rad-Rowdys steigt leider immer mehr. Es sollte daher niemanden wundern, wenn die schikanierten Fußgänger wenig Rücksicht auf Radfahrer nehmen sobald sie mit ihrem Auto unterwegs sind.

Ihre These von den radfahrenden „Verkehrsrowdys“ ist genau die Propaganda, die die Verkehrswende – Weg vom Auto – behindert bzw. unmöglich macht. Radfahrer töten nicht hunderte von Fußgängern im Jahr, Autofahrer dagegen schon.

Sie stimmt auch nicht, es sind in der Regel nie die „Radfahrer-Rowdys“, die sterben, sondern fast immer Frauen bzw. Senioren, die darauf vertrauen, dass alle sich an die Regeln halten und normalerweise auch nicht über rot fahren. Der Radfahrer-Rowdy ist eine schöne Ablenkung für die tatsächlichen Probleme in der Stadt: zu schnell fahrende Autofahrer und extrem viele Falschparker. Bei den Falschparkern hat die Polizei zum Großteil seit Jahren nichts gemacht, jetzt sehen es viele als Gewohnheitsrecht an. Und wie fliegwech schon schreibt, es gibt so gut wie keine Toten durch Radverkehr, aber sehr viele durch PKW/LKW-Fahrer. Und wenn man auf Beinahe-Unfälle durch Radfahrer verweist, die gibt es noch viel mehr durch Autos. Ich fahre selber defensiv, aber nicht devot in der Stadt. Wenn ich nicht, insbesondere an Kreuzungen, immer für die Abbieger mitdenken würde, hätte ich schon längst einen Unfall erlitten.

„Ihre These von den radfahrenden “Verkehrsrowdys” ist … Propaganda …“

Leider nein!

Insbesondere an Stellen, wo es für Radfahrer gefährlich oder durch Kopfsteinpflaster unbequem wird, erlebt man regelmäßig, wie Radfahrer jeden Alters mit hoher Geschwindigkeit rücksichtslos über sehr schmale Fußwege rasen. Das ist Rowdytum pur!

Was nutzt es im ÖPNV in Barrierefreiheit zu investieren, wenn man Haltestellen kaum noch Erreichen kann, ohne von Radrowdys über den Haufen gefahren zu werden. Man müsste solange jedes auf einem Gehweg gefahrene Fahrrad sofort einziehen und zu einem guten Zweck versteigern, bis auch der letzte Radfahrer begriffen hat, dass Umsicht und Rücksichtnahme auf andere Verkehrsteilnehmer nichts einseitige ist.

Die Aussage der Polizei „laut ihrer Statistik kein Unfallschwerpunkt sei und dass aus diesem Grunde dort auch nichts geändert werden müsse“ hören bzw. lesen wir nicht zum ersten Mal. So eine Aussage ich doch furchtbar zynisch. Wie viele Unfälle müssen laut der Polizei passieren, damit sie der Meinung sind, etwas ändern zu müssen, obwohl mehrmals auf potentielle Gefahren hingewiesen worden ist?

Das ist ein Skandal und eine furchtbare Tragödie begünstigt durch die „Autofahrt voran“ Ideologie in Hamburg. Mehr als 900.000 Fahrzeuge zugelassen. (London hat bei 9.000.000 Einwohner gerade einmal 3.5 Mio Zulassungen) und dann Radwege, die einfach oft gefährlich sind. Gerade der Ort wo die arme Frau umgekommen ist, ist für mich immer ein Anlaß, auf den Fußweg zu wechseln und eben Fußgänger zu gefährden anstatt mein eigenes Leben. Und unser Verkehrsenator: Leider eilt er von Einweihung zu Einweihung, strahlt in die Kameras und versucht, zu vertuschen, daß er längst den Überblick verloren hat.

Das große Problem in Hamburg sind die unteren Verkehrsbehörden, die in Hamburg unverhältnismäßig viel Macht haben und jegliche Verkehrsänderung ablehnen können und das auch tun, wenn die „Leichtigkeit des Verkehrs“ (gemeint ist natürlich der PKW-Verkehr) beeinträchtigt wird. Zudem muss immer erst ein Unfall passieren, bevor überhaupt etwas in Betracht gezogen wird, anstatt präventiv vorzugehen. Zudem hat sie bei Parkverstößen Jahrzehnt weggeschaut und die aktuellen Verhältnisse geschaffen. Ich hatte vor Monaten einmal die Polizei in Bergedorf angeschrieben, weil in Vierlande auf den Deichen häufig viel zu schnell gefahren wird (teilweise 80-90) und dort viel Radverkehr ist. Was macht die Polizei: kündigt Schwerpunktrollen für Radfahrer an.
Ich glaube, wir wären schon weiter mit der Mobilitätswende, wenn die Verkehrsbehörde tatsächlich Dinge so entscheiden könnte, wie sie es wünscht und nicht von der Polizei ausgebremst wird.

Die Stadt sollte ihre ganze Veloroutenpolitik nochmal überdenken.
Auch wenn man noch zu aufmerksam fährt, diese Radfahrstreifen an großen Kreuzungen bleiben einfach unübersichtlich.
Abbiegende Fahrzeuge fahren langsam, beobachten den Verkehr und plötzlich schießt rechts neben einem ein Fahrrad geradeaus vorbei.
Oder die Radfahrstreifen vor Bushaltestellen. Der Bus zuckelt langsam hinterher um in die Haltestelle zu kommen, wenn er kurz vorher noch überholt bremst er den Radfahrer aus. Gleiches gilt für abfahrende Busse aus Busbuchten neben denen links ein Radfahrstreifen verläuft. Auch hier verbirgt sich ein großes Gefahrenpotential.
In meinen Augen sind Kopenhagener Radweg die beste Lösung.

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