Wer nach Vorbildern für die Verkehrswende sucht, sollte einen Blick nach Oslo werfen. Die norwegische Hauptstadt krempelt sich gerade ordentlich um – hin zu mehr Platz für Menschen, mehr Grün und weniger Autoverkehr. Noch ist längst nicht alles fertig. Die Transformation ist in vollem Gange. Und genau das macht Oslo derzeit so spannend.
Die Journalistin Andrea Reidl (Spiegel.de, Zeit.de, Riff-Reporter), erklärt im NAHVERKEHR HAMBURG-Interview, wie sich Oslo verändert, mit welchem Kniff es die norwegische Metropole geschafft hat, dass bei der Mobilitätswende fast alle mitziehen und was Hamburg davon lernen kann.
NAHVERKEHR HAMBURG: Frau Reidl, sie waren kürzlich in Oslo und haben sich die Stadt in Bezug auf die Verkehrswende angesehen. Was hat Sie bei Ihrer Ankunft zuerst überrascht?
Andrea Reidl: Das war tatsächlich der Radverkehr. Wir sind mit einer Fähre in Oslo angekommen, und das Erste, was ich gesehen habe, als wir das Schiff verließen, war ein Pulk an Radfahrenden, die Richtung Innenstadt gefahren sind. Damit habe ich ehrlicherweise nicht gerechnet.
NAHVERKEHR HAMBURG: Wie ging es dann weiter?
Reidl: Wir sind dann mit dem Taxi zum Hotel gefahren, das in der Nähe des Rathauses lag. Dieses ganze Viertel ist bereits vom Autoverkehr befreit. Das ist wirklich spannend, denn die Straßen sind zwar frei, aber noch nicht alle wurden umgestaltet. Dadurch sieht man noch viel Asphalt, was nicht unbedingt schön aussieht, aber man erkennt so die verschiedenen Stufen der Verkehrswende.
NAHVERKEHR HAMBURG: Oslo war ja in den 50er- bis 70er-Jahren stark auf eine autogerechte Stadt ausgerichtet. Wann fand das Umdenken statt und was waren die Gründe dafür?
Reidl: Die Veränderungen in Oslo begannen schon relativ früh. Der Autoverkehr in der Stadt war in den 1970er Jahren extrem stark, weil mehrspurige Straßen, mitten durch die Stadt und am Rathaus vorbeiführten. Entsprechend schlecht war die Luftqualität – besonders im Winter, da Oslo ähnlich wie Stuttgart in einem Tal liegt. Die Stadtregierung beschloss damals, die Hauptstraßen und die große Europastraße in Tunnel zu verlegen. Dadurch wurde der Durchgangsverkehr aus der Stadt entfernt. Für Besucherinnen und Besucher wurden an den Rändern der Innenstadt unterirdische Parkplätze geschaffen, damit sie zu Fuß oder per Bus oder Bahn ins Zentrum fahren. Dadurch ist der Autoverkehr in der Innenstadt stark zurückgegangen. Außerdem wurde eine City-Maut eingeführt und die Zahl der Parkplätze stark reduziert…
10 Antworten auf „Verkehrswende in Oslo: „Es geht nicht darum, den Menschen ihre Autos wegzunehmen““
was ich immer so erschreckend finde, daß in Deutschland alles viel zu lange dauert und zu wenig wirklich versucht wird. Diese Mischung aus „Wir Deutschen wissen eh alles besser“ (was natürlich Quatsch ist), dann der Unfähigkeit, auch einmal über den eigenen Landesrand zu sehen (Am Deutschen Wesen muß die Welt genesen) und dann letztlich absurd unlogische Entscheidungsprozesse (man siehe nur an die Kleingärtner in Barmbek, die ihre Idylle aufgeben müssen, weil die Baugeräte für die U5 nun einmal irgendwo hin gestellt werden müssen. UND UND UND…Deutschland ist einfach veränderungsunfähig.
Um die Autofahrenden aus der Innenstadt rauszuhalten, bedarf es keines großen Aufwands. Dies lässt sich sehr leicht mit hohen Parkgebühren steuern. Und dies praktiziert Hamburg doch bereits seit langer Zeit erfolgreich. Bei mir ist das jedenfalls angekommen. Ich habe daher schon seit ca. 20 Jahren nicht mehr in der Hamburger Innenstadt eingekauft. Viele denken und handeln so wie ich und dies führt langfristig zur Verödung der Innenstadt.
Öffentliche Sitzmöbel ohne Verzehrzwang würden da nicht helfen, ganz im Gegenteil. Habe ich nicht seinerzeit hier in nahverkehrhamburg.de gelesen, dass der Jungfernstieg seit dem Umbau nun ein beliebter Treffpunkt von Jugend-Gangs geworden ist?
Wie Arne W. schon schrieb, ist es immer nützlich, sich andere Städte anzuschauen. Aber Oslo, wie es in dem Bericht beschrieben worden ist, als Vorbild für Hamburg? Ich denke, eher nein!
Dass Innenstädte im Rest der Welt auch ohne viel Autoverkehr funktionieren, kann man in Barcelona mit den Superillas, London mit der City Maut, Amsterdam mit horrenden Parkgebühren, Tallin mit großer Fußgängerzone, Kopenhagen, Bergen, Stockholm, … sehen, diese Liste lässt sich beliebig fortsetzen.
Nur hier in D muss man mit dem Auto bis zur Ladentüre fahren können, und jeder kleine Einzelhändler bekommt seinen Abendblatt-Artikel, in dem er auf die böse Verkehrsbehörde schimpfen kann, die ihn in die Insolvenz treibt, weil die zwei Parkplätze vor seinem Laden in Fahrradwege umgewandelt werden, und sein Geschäftsmodell deshalb nicht mehr funktionieren würde.
Und natürlich findet sich immer ein verkehrspolitischer Sprecher, bevorzugt der CDU oder FDP, der mit all seinem Sachverstand dem Ladeninhaber recht gibt, und für den jeder weggefallene Parkplatz eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort Hamburg, wenn nicht sogar für ganz Deutschland bedeutet – auch wenn zwei Straßen weiter ein Parkhaus 24h halb-leer rumsteht.
Hallo FräuleinTochter,
da Sie namentlich auf mich Bezug nehmen möchte ich mich der Vollständigkeit halber ausdrücklich vom Inhalt Ihres Kommentars distanzieren. Inhaltlich bin ich deutlich näher bei DirkHamburg und kann über Ihren Kommentar insgesamt nur den Kopf schütteln.
Ich bezweifle, dass hohe Parkgebühren wirklich abschreckend wirken. Viele derjenigen, die mit dem Auto durch die Innenstadt fahren, nehmen die Parkgebühren gelassen hin, selbst wenn sie dreimal so hoch wären. Für einige Menschen wird das Auto zunehmend zum Statussymbol, ungeachtet der steigenden Kosten in allen Bereichen. Solange der Parkraum nicht regelmäßig kontrolliert wird, sind auch hohe Parkgebühren wirkungslos. Konsequentes Abschleppen würde jedoch gegen Parkgebührenpreller helfen, denn dann geht es nicht mehr nur ums Geld, sondern um den Aufwand, das Auto zurückzubekommen.
Ich war viel in Oslo vor 2013, und dann erst wieder in 2023. Ich war überrascht mit welcher Konsequenz in den vergangenen 10 Jahren das Verkehrssystem der Stadt modernisiert und für Radler, Fußgänger und den ÖPNV ausgebaut wurde. Es wurde nicht nur geredet, sondern etwas getan. Auch der Hautpbahnhof wurde sinnvoll modernisiert, mit vorbildlichen Fahrgastanzeigen ausgestattet und der Bahnvorortbahnverkehr ausgebaut. Und es sei hinzugefügt, dass schon ab 2025 in Norwegen keine Verbrennerautos mehr neu zugelassen werden dürfen. Radfahrer, Schnee und Eis im dunklen nordeuorpäischen Winter: Scheinbar ein Widerspruch, aber die Radwege werden vorbildlich geräumt! Sicher hat Oslo bein paar besondere Bedingungen, die die Verkehrswende eifacher machen. Tunnels für U-Bahn und Autos können ohne Betonauskleidung in den anstehenden Fels geschlagen werden, das Land hat keine lobbystarke Autoindustrie und zudem Geld, aber auch den Mut trotz einer starken Öl- und Gasindustrie proaktiv die Klimawende anzugehen. Davon könnte sich Hamburg eine Scheibe abschneiden.
Eine Bekannte von mir wohnt auf dem Land am Rande Oslos. Oslo ist quasi nicht erreichbar für Sie und ihre Familie. Busse sind so gut wie nicht existent, an den Bahnhöfen kann man nicht parken, Parkplätze in der Innenstadt sind sehr teuer. Also meiden sie und die Leute am Rande Oslos Fahrten in die Stadt, z.B. was die Arbeitsplatzwahl angeht.
Als jemand der selber knapp 2 Jahre seines Lebens in Norwegen gelebt hat, davon eins im Großraum Oslo, verfolge ich die Entwicklung in Oslo auch mit großem Interesse. Vielen Dank daher für diesen Blick nach Norden. Leider war ich seit mittlerweile mehr als 10 Jahren nicht mehr dort. Die Transformation wurde damals zwar viel diskutiert und auch politisiert, von der richtigen Umsetzung habe ich aber leider nichts mehr mitbekommen und lese davon seither nur noch in verschiedenen Medien.
Ich persönlich finde es immer äußerst schwierig, solche Berichte wirklich einordnen zu können. Aus meinem persönlichen Erleben habe ich die norwegischen Städte und insbesondere auch Oslo immer als sehr unwirtliche und vom Auto dominierte Orte wahrgenommen. Der öffentliche Straßenraum in der Fläche war selten einladend, meist stark versiegelt, abseits der Vorzeigeplätze schlicht gestaltet und wenig begrünt, so mein Eindruck.
Wenn ich Freunde aus Norwegen zu Besuch in Hamburg hatte, haben die oft davon geschwärmt, wie belebt die Straßen sind und wie gut es uns in Deutschland gelingt, die öffentlichen Räume zu aktivieren, weil das in Norwegen viel schlechter funktioniere. Kann ich schlecht verifizieren, nur so wiedergeben, wie es mir berichtet wurde. Aber so unterschiedlich können also die Wahrnehmungen sein.
Von daher frage ich mich seitdem der Fokus in der Verkehrswende-Szene immer öfter auf Oslo gelenkt wurde, wie ich es dort wohl heute wahrnehmen würde. Ich muss unbedingt mal wieder hin. Offenbar hat sich viel getan seit meinem letzten Besuch dort.
Ich könnte mir aber gut vorstellen, dass Eigen- und Fremdwahrnehmung sich bei jemandem aus Oslo auf Kurzbesuch in Hamburg ganz gegenteilig verhalten könnte. Eine Osloer Journalistin zu Besuch in Hamburg würde möglicherweise mit einem ähnlichen Bericht nach Hause kommen, schaut sie sich nur die richtigen Stellen der Stadt an. Das meine ich gar nicht vorwurfsvoll, sondern will nur meine Gedanken dazu teilen. Das liegt vermutlich in der Natur der Sache, wenn man nur auf Stippvisite ist. Das große ganze Bild kann bei sowas halt nur sehr schwer aufgenommen und wiedergegeben werden, vor allem wenn man einen anderen fachlichen Hintergrund hat. Ich frage mich daher immer so ein bisschen, wie aussagekräftig solche Berichte wirklich sein können. Auf jeden Fall regt es an, sich mehr mit Oslo auseinanderzusetzen und selbst mal wieder hinzufahren. Das ist ja auch schon was.
Schwierig finde ich bei solchen Berichten auch immer Aussagen wie „Im Stadtzentrum gilt auf 70 Prozent der Straßen Tempo 30. Das macht das Vorankommen für Radfahrende und den Fußverkehr sehr angenehm, weil die Geschwindigkeitsunterschiede nicht so groß sind.“, die als Beleg für die voranschreitende Verkehrswende herangezogen werden. Ich habe solche Aussagen in letzter Zeit häufig mal gelesen in Berichten aus anderen Städten mit der Tonalität „andere sind so viel weiter als wir in Deutschland“. Ich habe da oft den Eindruck, dass die Leute als Journalisten ein paar Tage durch Oslo spaziert sind, aber ihnen oft der verkehrsplanerische Hintergrund fehlt, um solche Informationen angemessen einordnen zu können.
In Hamburg (und auch in vielen anderen deutschen Städten) erreichen wir _stadtweit_ ähnliche hohe Werte (gut 60 %) an Tempo 30-Bereichen. Ich weiß nicht wie der Anteil in der Innenstadt genau ist, aber vorraussichtlich ist er nochmal deutlich höher als der stadtweite Wert. Was ich sagen will: Das allein sagt also relativ wenig darüber aus, wie weit oder nicht weit eine Stadt ist, vor allem wenn sich solche Zahlen nur auf den Innenstadtbereich einer recht flächigen Stadt wie Oslo beziehen und eine weiterführende vergleichende Einordnung fehlt. Es kommt für die Bewertung auch weniger auf die reine Prozentzahl an, sondern beispielsweise auch darauf, welche Kfz-Verkehrsmengen darüber abgewickelt werden.
Damit will ich die Situation in Deutschland gar nicht schönreden. Ich würde mir auch wünschen, dass wir viel mehr von den Erfahrungen anderer Länder/Städte lernen und glaube auch, dass einige deutlich weiter sind als wir. Insbesondere auch was das Tempo und die Konsequenz der Umsetzung angeht. Möglicherweise auch Oslo, da hat sich scheinbar wirklich massiv etwas getan die vergangenen Jahre und in den Leitfaden der Stadt zum Stadtstraßenentwurf habe ich mitunter selbst dann und wann mal bei der Arbeit reingeschaut. Da habe ich auf jeden Fall den Eindruck, dass das weiter ist als bei uns. Aber manchmal vermisse ich in solchen Berichten dann die Tiefe der Betrachtung und die Einordnung im Vergleich zu Deutschland (oder in diesem speziellen Fall zu Hamburg).
Dennoch vielen Dank für die Schilderung der Eindrücke und die vielen interessanten Fotos. Das ist mal wieder eine schöne Anregung, mal wieder nach Oslo zu fahren und sich die Dinge in echt selbst anzuschauen.
wobei ja immerhin korrekt gesagt wurde, dass T30 nicht flächendeckend gilt, was leider gerne von diversen Aktivisten in sozialen Medien behauptet wird. Auf Nationalstraßen ist T50 weiterhin die Regel und dies selbst vor Schulen und Krankenhäusern. Gleichzeitig hat der Umweltverbund etwas nachgelassen, weil man seine Infrastruktur für elektrischen MIV freigegeben hat und finanzielle Anreize (Parkgebühren, Citymaut) geschaffen. Und wer sich ein Elektroauto aufgrund dieser Privilegien anschafft, wird wenig akzeptieren, dass sich die Regierung für ihre erreichte Quote feiert und diese Privilegien wieder beseitigt, da viele Probleme durch einen anderen Antrieb ja weiterhin bestehen bleiben.
Da fand ich Gespräche mit Fachkollegen aus Oslo interessant, die natürlich zufrieden mit dem Erreichten waren, aber nicht euphorisch. Die Widerstände waren und sind dort weiterhin groß und die Transformation sehr aufwendig, insbesonders wenn man den öffentlichen Raum großflächig aufwerten möchte. Zugleich muss man aber auch sagen, dass Oslo keine sonderlich grüne Stadt ist. Plump gesagt: würden wir in Hamburg unsere vielen Bäume opfern, wäre viel Platz für den Umweltverbund. Aber allein angesichts der Klimafolgen wäre das natürlich keine sinnvolle Idee. Von der Luftqualität ganz zu schweigen.
Aber vielleicht können die Sozen in Oslo ja vorschlagen, dass man ein Straßenbahn für Hamburg „trikken“ oder „die Trische“ nennt. Das klingt eventuell sympathischer als Rumpelbahn. 😉
Noerwegen hat 5,41 Mio Einwohner*Innen, davon 1,6 Mio im Großraum Oslo.
Das Fahrrad ist interessant, aber mich würde die Schiene in Oslo interessieren.
Straßenbahn gibt es seit 1894!
Nicht eingedampft, wie in Hamburg.
Streckenlänge 40 KM
U-Bahn = T-ban hat 80 Km Streckenlänge und 102 Stationen.
Und dann die Frage: Was machen die Fahrradfahrer*Innen im Winter bei Eis und Schnee etc.
Die Ideologie in Hamburg bei der Straßenbahn kommt von derr SPD und ihren führenden Repräsentanten.