Was die Stresemannstraße für Radfahrende so gefährlich macht

Die Stresemannstraße ist für Hamburgs Radfahrende ein Albtraum. Auf rund drei Kilometern lauern zahlreiche Gefahren, doch die Stadt duldet die Zustände seit Jahren. Ein Ortsbesuch mit dem ADFC und was Verkehrsbehörde und Polizei dazu sagen.
Katrin Wienefeld
Kein Radweg, kaum Fußweg und jede Menge Hindernisse: Fahrradfahren auf der Stresemannstraße in Hamburg ist nach Ansicht Vieler eine Zumutung.
Kein Radweg, kaum Fußweg und jede Menge Hindernisse: Fahrradfahren auf der Stresemannstraße in Hamburg ist nach Ansicht Vieler eine Zumutung.

Wer mit Dirk Lau die Stresemannstraße entlang fährt, erlebt einen Mann, der mal sprachlos, oft fassungslos und zuweilen richtig wütend ist. „Es ist teilweise lebensgefährlich hier. Aber die Stadt duckt sich weg“, sagt er.

Was Lau (49), Hamburger Pressesprecher des Fahrradclubs ADFC, meint, sind die Bedingungen für Radfahrende auf der Stresemannstraße – eine der wichtigsten Ost-West-Verkehrsachsen in Hamburg. Ein vierspuriges Straßenmonster aus Zeiten, als die autogerechte Stadt noch zum Nonplusultra der Verkehrsplanung gehörte: maximal Platz für den Autoverkehr.

Radwege gibt es auf dieser wichtigen Einfallstraße in das Hamburger Stadtzentrum kaum – seit Jahrzehnten. Konflikte mit Fußgängern und dem Autoverkehr sind da vorprogrammiert. Die Stresemannstraße ist deswegen bei Radfahrerinnen und Radfahrern berüchtigt – und laut Polizei ein Unfallschwerpunkt in Hamburg (siehe hier). Immer wieder kam es in den vergangenen Jahren zu gefährlichen Unfällen, beispielsweise 2014, als ein abbiegender Lastwagenfahrer einen 47-jährigen Radler tötete (siehe hier). 2017 wurde eine 59-Radfahrerin ebenfalls von einem abbiegenden LKW überrollt und schwer verletzt (siehe hier).

Wie gefährlich ist Radfahren auf der Stresemannstraße wirklich? Was sagen die Verantwortlichen dazu? Und welche konkreten Verbesserungen stellen sie in Aussicht?

NAHVERKEHR HAMBURG-Redakteurin Katrin Wienefeld hat den Praxistest gemacht und ist die Stresemannstraße zusammen mit dem ADFC auf dem Fahrrad abgefahren. Von Ost nach West. Vom neuen Pferdemarkt bis nach Bahrenfeld. Drei Kilometer weit. Ein Bericht über Angst, Ärger und scheinbar untätige Verantwortliche.

Praxistest: Zwischen Angst und Ärger

Die Stresemannstraße. Eine der meistbefahrenen Straßen Hamburgs. Jeden Tag quälen sich zwischen 50.000 und 60.000 Autos und Lastwagen über die vierspurige Bundesstraße, wie eine NAHVERKEHR HAMBURG-Auswertung von Infrarotkameradaten entlang des Straßenzugs zwischen dem neuen Pferdemarkt und Bahrenfeld ergab. Für die Verkehrsbehörde und die Polizei zählt die Straße zu den wichtigen West-Ost-Verkehrsachsen für den motorisierten Verkehr. 

Für Hamburgs Radfahrende ist sie gleichfalls wichtig und die kürzeste Verbindung, wenn sie von der Schanze oder aus St. Pauli Richtung Westen wollen. Wie viele Menschen dort aktuell täglich mit dem Fahrrad unterwegs sind, weiß aber scheinbar niemand so richtig. Zwar hat die Stadt Hamburg in den vergangenen Jahren im ganzen Stadtgebiet zig Infrarotkameras installiert, die Radfahrende in Echtzeit zählen, doch ausgerechnet an dieser Hauptroute gibt es keine. Auch die Verkehrsbehörde nannte auf N…

Der Kopf hinter diesem Artikel

Katrin Wienefeld arbeitet als freiberufliche Journalistin in Hamburg. Sie kennt ihre Heimatstadt als Autorin von Stadtführern aus dem Effeff, schreibt außer über Mobilität und Stadtplanung viel für evangelische Medien und würde nur aus einem Grund auf ihr geliebtes Fahrrad als Fortbewegungsmittel verzichten: Wenn es möglich wäre, durch Alster, Elbe und Bille von A nach B zu schwimmen.

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6 Antworten auf „Was die Stresemannstraße für Radfahrende so gefährlich macht“

Nun hat das Verwaltungsgericht Hamburg gesprochen und die Klage eines Radfahrers gehen die Benutzungspflicht abgelehnt.

https://justiz.hamburg.de/resource/blob/661940/dfb015bfd9badfc2e1b4469e61b44816/5-k-3154-18-urteil-vom-02-02-2023-data.pdf

Wieder mal die 5. Kammer, ein seit Jahren erprobter Klagetot, fast stärker an der Seite der Verwaltung als jedes russische Gericht. Dabei denke ich, dass die Richter nicht böswillig, aber einfach komplett ahnungslos sind. Sie wissen nicht, wie mit Ermessensentscheidungen umzugehen ist, und fangen an, selbst Ermessen auszuüben, anstatt lax zu sagen: „Das macht die Verwaltung noch einmal“. Sie haben keine Ahnung, wie eine Abwägung zwischen mehreren gefährlichen Varianten der Verkehrsführung vorgenommen werden müsste. Und die Tatsache, dass hinter dem Schild Z 241 nicht einmal durchgängig eine Fläche zum gefahrlosen Radfahren existiert, wenn man die effektive Breite eines Fahrradfahrers, der die Spur aus physikalischen Gründen nicht genau halten kann, berücksichtigt, wird gleich ganz ignoriert. Die Klage hätte man vor fast jeder deutschen Kammer eines VG gewonnen – außer bei der 5. Kammer des VG Hamburg, die fast jeden Graben als Radweg akzeptiert.

Sobald mal ein älterer Fußgänger totgefahren, wird man wieder auf den Rüpelradlern rumhacken. Aber Rechtsabbiegeropfer sind halt auch vorprogrammiert.

Also ich hole wieder meinen Anhänger raus und fahre ganz legal auf der Fahrbahn – mit 10 km/h!

Das ist das wahre gesicht der „Fahrradstadt“ Hamburg – mehr Fake als Fahrrad!

Eine Radwegbenutzungspflicht setzt eigentlich einen Radweg voraus. Das könnte man also schon einmal vor Gericht bringen. Die Legende von der Gefährlichkeit glauben die Sachbearbeiter bei der Polizei doch selbst nicht mehr. Die klopfen sich doch vor lachen auf die Schenkel, wenn sie ihre Antworten rausschicken. Aber ehrlicherweise muss man sagen, dass einfacher ist, sich über das Verbot zumindest im 30 km/h-Bereich hinwegzusetzen. Passieren tut nix, wenn man sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung hält oder unbekannt ist.

Die Reaktion der Polizei ist mal wieder ein großartiges Beispiel dafür, dass wir Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit innerorts benötigen. Mit Argumenten für deutlich weitere lokale Beschränkungen kommt man offensichtlich kaum weiter.

Schöner Bericht, den ich absolut bestätigen kann, die Strese ist sowohl als Radfahrer als auch als Fußgänger eine Zumutung…
Das Argument mit den Velorouten zeigt mal wieder schön, dass in der Verkehrsbehörde offenbar keiner rafft, dass die Velorouten nur Langstreckenradelnen nützen und für Leute, die nur mal eben ein, zwei Kilometer weiter wollten, völlig irrelevant sind. Trotzdem will man auch auf kurzen Strecken keine Fußgänger anfahren oder unter dem LKW landen. Dreiste Forderung, ich weiß ^^

Ein weiterer Ansatz für die Stresemannstraße wäre, neben der schon erwähnten Bus/Radspur + Tempo 30, das der Schwerlastverkehr nur die linke der beiden Fahrspuren nutzen darf. Das ist meines Wissens schon dort angeordnet, wo die Kinder getötet wurden.
Es gibt für die Strese keine ausbaufähige Nebenstrecke, der Verweis der Behörde auf die Veloroute 1 ist einfach nur eine absolute Unverschämheit.

das Bsp Stresemannstrasse zeigt ja auch, daß man in Hamburg bei den bestimmenden Gruppen keine Verkehrswende will. 1991 wurden Teile der Stresemannstrasse zweispurig und auf 30km/h beschränkt, das wurde dann 10 Jahre später glaube ich wieder aufgehoben. Und seitdem: NICHTS also mehr als 20 Jahre Untätigkeit.
Die einzige Kritik, die man an dem Beitrag haben könnte, das er mit den Verantwortlichen viel zu höflich umgeht.
Was sich in der Stresemannstrasse abspielt, stellt für mich schon fast eine versuchte Körperverletzung da an Fußgängern und auch Radfahren und warum: Weil der Verkehrssenator einfach nicht weiß, wie er sich gegenüber den Autofahrerunterstützern in der Innenbehörde durchsetzen soll.

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