So unsicher die Zukunft des Deutschlandtickets derzeit auch ist, so sicher ist: In Hamburg ist es ein Verkaufsschlager. 860.000 aktive Deutschlandtickets zählte der HVV im Januar 2025 innerhalb der Hansestadt.
Der Verkehrsverbund hatte seit Einführung des Tickets konsequent auf das neue Angebot gesetzt und andere Tickets radikal reduziert. Mit einer bequemen App-Lösung, die sogar anteilige Monatskosten berechnet, hat der HVV dafür gesorgt, dass auch viele Menschen von außerhalb Hamburgs das Deutschlandticket beim HVV erwerben. Fast jedes zehnte deutschlandweit verkaufte Deutschlandticket stammt vom HVV.
Doch innerhalb Hamburgs verkauft sich das Deutschlandticket sehr unterschiedlich. In einigen Ecken der Stadt hat es jeder zweite Bewohner in der Tasche, in anderen Bezirken nicht einmal jeder Dritte.
Wo in Hamburg ist das Deutschlandticket besonders beliebt und wo nicht? Was sind die Hauptgründe für die Kaufentscheidung und welcher naheliegende Grund ist beim Kauf scheinbar gar nicht so wichtig?
Exklusiv für NAHVERKEHR HAMBURG hat der HVV seine Verkaufsstatistik offengelegt und ermöglicht damit erstmals einen tieferen Einblick in die Zahlen. Dabei zeigen sich spannende Auffälligkeiten und klare Muster.
Datengrundlage und Methodik
Die detaillierte Auswertung für Hamburg ist möglich, weil der HVV beim Verkauf die Postleitzahlen seiner Kunden erfasst. Auf dieser Basis hat der Verbund anonymisiert zusammengefasst, wie viele aktive HVV-Deutschlandtickets es in den sieben Bezirken gibt (Stand Januar 2025).
Ein kleiner Hinweis vorweg: Die Zahlen bergen kleine Unschärfen, da Postleitzahlgebiete sich nicht immer vollständig mit den Bezirksgrenzen decken. In etwa 1 Prozent der Fälle war laut HVV keine eindeutige Zuordnung möglich. Außerdem sind in den Zahlen auch rund 80.000 Semester-Deutschlandtickets enthalten, die nachträglich dem tatsächlichen Wohnort der Studierenden zugeordnet wurden.
Die Statistik ist nicht ganz vollständig, da Tickets, die bei der Deutschen Bahn oder anderen Anbietern gekauft wurden, nicht enthalten sind. Allerdings dürfte dieser Anteil marginal sein.
Absolute Zahlen nach Bezirken
In absoluten Za…
12 Antworten auf „Wo sich das Deutschlandticket in Hamburg am besten verkauft – und wo nicht“
Für mich stellt sich die Frage – und ich bitte die Dämpfung der allgemeinen Euphorie zu entschuldigen – ob es sich beim D-Ticket nicht einfach nur um einen erfolgreichen Discountansatz handelt. Es mag ja derzeit ein Verkaufsschlager sein, aber hatten die meisten Käufer vorher nicht auch ein Zeitticket des HVV? Und hatten viele nicht trotzdem ein Auto, da das Einsatzgebiet in der Regel ja anders ist (und darum haben die das Auto immer noch)? Wie hoch war die Zahl der Abonnenten vor Einführung des D-Tickets – verteilt über HH? War die Verteilung über HH anders als heute? Und sind die nicht nur umgestiegen, weil das D-Ticket billiger ist? Ich kenne viele, die so zum D-Ticket gekommen sind, aber kaum welche, die sich dadurch neu für den ÖPNV begeistert hätten. Und ich kenne viele, die zu dem Preis auch ein HH-Ticket genommen hätten, ohne den bundesweiten Aspekt. Und wie hoch ist die Zahl der neuen Abonnenten, die ja sicher auch wg. der finanziellen Alternativlosigkeit Abonnenten wurden? Antworten auf diese Fragen würden mich interessieren. Zumal sich an diesen Fragen zeigen könnte, dass das D-Ticket in mancher Hinsicht ein echter subventionserfordernder Verlustbringer für den ÖPNV (in HH) ist. ÖPNV ist jetzt für einen größeren Kreis halt billiger, da brauchts m.E. keine tiefschürfenden Statistiken. Sorry.
Die Überraschung ist für mich nicht die Verteilung der Tickets über die Stadtteile, sondern der hohe Anteil der Ticketinhaber insgesamt.
Dass in Eimsbüttel der Anteil der Ticketinhaber trotz der hohen PKW-Quote so hoch ist, dürfte auch keine Überraschung sein. Wir haben ja gerade letzte Woche in Ihrem Artikel gelesen, wie schwierig das Parken in diesem Stadtteil ist. Da lässt man im Zweifelsfall den Wagen lieber stehen und fährt mit dem Bus oder der Bahn.
Auch von mir ein Dankeschön für diese datenbasierte Auswertung, Christian! Für solche Untersuchungen bin ich gerne NVHH-Abonnent.
An zwei Stellen interpretierst du mir aber etwas weit:
Erstens: Pkw-Quote –> D-Ticket
Mehrfach stellst du einen Kausalzusammenhang vom Pkw-Besitz auf die D-Ticket-Quote in den Raum. Korrelation heißt aber nicht Kausation. Ebenso plausibel erscheint mir der Umkehrschluss: Wo es eine hohe Ticketquote gibt (und schon auch vor dem D-Ticket gab), senkt sie den Pkw-Besitz, da der HVV (und Rad- und Fußverkehr) die Bedürfnisse viel einfacher befriedigen können.
Darüber hinaus fehlt mir die Bevölkerungsdichte als Erklärvariable.
Zweitens: Sonderfall Eimsbüttel
An dieser Stelle mutmaße ich, dass die kleinräumigere Struktur einen Einfluss ausübt, der auf Bezirks-Ebene nicht sichtbar ist. Ein schneller Blick auf die Dichtekarte legt nahe, dass Eimsbüttel anteilig mehr hochverdichtete Gebiete hat als die anderen Bezirke. Es erscheint also etwas ‚homogener‘ als bspw. Wandsbek oder Harburg zu sein, und selbst Mitte hat abseits des Zentrums relativ große dünn besiedelte Gebiete (etwa Finkenwerder und Umgebung oder der dörfliche Teil der Elbinsel). Nagelt mich nicht drauf fest – wie gesagt: schneller Blick auf die Karte – jedenfalls vermute ich, dass ihr mit der Dichte einen besseren Erklärzusammenhang erreicht als allein durch die Sozialstruktur á la „Viele Studierende, Berufseinsteiger und Doppelverdiener“.
Grundsätzlich fände ich es spannend, die Untersuchung noch mal nach Stadtteilen aufgeschlüsselt zu sehen. Oder sogar nach Statistischen Gebieten, für die ja auch Bürgergeld-Quote etc. sehr kleinräumig vorgehalten werden. (Wobei dann ja die PLZ-Daten damit verschnitten werden müssten, die ewige Krux der Untersuchungsebene eben…). Wendet euch doch mal an die HCU oder TU, vielleicht möchte ein engagierter Studi eine räumliche Regression rechnen. Habe ich erst neulich für einen anderen Zweck gemacht, den Code stelle ich gern zur Verfügung.
Abgesehen davon finde ich es spannend, dass es in Hamburg nur 80k Semestertickets gibt. Laut CHE studieren hier 120k Menschen [1]. Heißt das, ein Drittel der Studierenden lebt nicht in Hamburg? Grob dürfte ja die Daumenregel gelten, dass jede Immatrikulation auch ein HVV-Semesterticket beinhaltet. Ausgenommen natürlich die paar Promovierenden an der TUHH, die kriegen nüscht. 😉
[1]https://hochschuldaten.che.de/hamburg/studierende/
Hallo Christoph,
danke für den Diskussionsansatz und die neuen Perspektiven. Die Aufschlüsselung nach Bezirken ist sicher ein Anfang auf der Suche nach Learnings, aber tatsächlich auch recht grobschlächtig, da die Bezirke eben riesig und sehr vielfältig strukturiert sind (z.B. der Bezirk Altona mit seinen vorstädtisch geprägten Elbvororten und dem sehr verdichteten Ottensen, etc.) Lieber wäre mir auch eine Analyse auf Stadtteilebene gewesen. Doch dafür bekamen wir wegen des großen Arbeitsaufwands und wegen der oft fehlenden Synchronität zwischen PLZ-Bereichen und Stadtteilgrenzen leider eine Absage.
Ich würde mich aber auch sehr freuen, wenn sich jemand berufen fühlen würde, das Thema noch weiter auszuleuchten.
Beste Grüße
Christian
Sehr schöner Artikel!
Allerdings bin ich mir nicht sicher ob die fehlenden DB-Abos wirklich so irrelevant sind!? Sie ändern vermutlich allerdings nichts an den relativen Zahlen sondern nur an den absoluten.
Leider können die Medien es nicht lassen das Deutschlandticket schlechtzureden indem sie die Zukunft in Frage stellen. So auch hier in der Einleitung wieder! Es hat Zukunft! So haben sich nicht nur die Unterhändler von SPD und CDU schon darauf geeinigt! Etwas anderes wäre politisches Harakiri gerade bei den hier gezeigten und wohl für andere Großstädte ähnlich geltenden Verbreitungszahlen. Zu verbessern ist sicherlich die Einbindung des ländlichen Raumes. Aber auch da gibt es gute Ansätze z.B. in der Schlei Region. Dass die CSU das Deutschlandticket abgelehnt hat kann man auch als Bankrotterklärung der Erschließung des ländlichen Raumes ansehen der ja ihr Einzugsgebiet ist!
Sinnvolle Auswertung, die sich auch für andere Städte anbieten würde. Nur wenn der Absatz des Detuschlandtickets fundamental gesteigert wird, kann seine langfristige Fortführung zum gegenwärtigen Preis gesichert werden und die Poltik wird sich dann schwerer tun das Deutschlandticket abzuschaffen.
Super Auswertung!
Ich habe jedoch in Erinnerung, daß viele Bürger aus dem restlichen Deutschland gerne das HVV-Deutschlandticket wegen der variablen Startphase gekauft.
Ihre Verkaufskarte ergibt in der Summe 100%. //
Wie ist Verhältnis der Verkäufe HH incl. Umland zum restlichen Bundesgebiet???!
Hallo Herr Kühl,
vielen Dank für die Anmerkung. Die Auswertung der Ticketverkäufe bezieht sich nur auf Hamburg und das angrenzende Umland. Ticketverkäufe von Außerhalb sind in der Statistik nicht erfasst und kommen on top.
Beste Grüße
Christian Hinkelmann
Im Grunde war das Ergebnis für mich voraussehbar. Und es wird auch so bleiben, da niemand etwas an den Diskrepanzen bei der Schnellbahnerschließung ändern wird. Ein solidarisches Herangehen, dass auf Angleichung der Verhältnisse angelegt ist, ist in einer Stadt wie Hamburg, in der Individualismus mit Egoismus verwechselt wird, nicht möglich. Es zählt immer, wer am lautesten schreit, auch wenn man schon die optimalen Bedingungen hat. Z.B. ist es für einige schon eine „Schnellbahnlücke“, wenn mal ein Hinterausgang einer S-Bahn-Station fehlt und man dann vergleichbar weit gehen muss, wie ich zu meiner Regionalbahnstation, oder es dem Haltestellenabstand zwischen Bahnhof Tonndorf (Tonndorfer Hauptstraße) und Friedhof Tonndorf entspricht.
Und am interessantesten ist es, dass meist von Leuten mit der besten Schnellbahnerschließung das Gezerre und Gemäkel kommt, wenn auch mal etwas Weniges für uns gemacht wird (S4).
Es wird keine andere Politik gemacht werden, da die Grünen in Hamburg im Grunde unabwählbar sind, auch wenn z.B. ganz Wandsbek die Grünen nicht wählen würde. Da auf der „richtigen Seite der Alster“ (diesen Begriff kannte ich bis dato nicht, wusste aber sofort, was die „grüne“ taz damit meint und auch, dass ich auf der „falschen Seite der Alster“ wohne) genügend Leute die Grünen aus reinem Lebensgefühl, statt im Abgleich zur tatsächlichen Politik wählen.
zum Trost: sowohl die richtige als auch die falsche Seite der Alster liegen nördlich der Elbe.
Hallo Lokstedter, das stimmt: Die falscheste Seite ist in Hamburg immer noch die falsche Seite der (Norder)Elbe … um das Wortspiel mal weiterzutreiben. 😉
Sehr guter Artikel! Wenn aber Eimsbüttel ein Sonderfall ist – D-Tickets plus Autos pro 1000 = 844 – was ist dann mit Nord – nur 696? Alle anderen Bezirke sind mit 737 bis 773 sehr nah beinander…