„Nicht akzeptiert“ – Deswegen streiten Hamburg und Berlin um neuen S-Bahn-Tunnel

Neben einer neuen Prioritätensetzung beim Bund gibt es auch noch einen Streit zwischen Hamburg und Berlin um die Kosten. Darum geht es im Detail, deswegen liegt auch die Suche nach Tunnel-Alternativen auf Eis und das sind die Konsequenzen für Fahrgäste.
Christian Hinkelmann
S-Bahnen am Hamburger Hauptbahnhof
S-Bahnen am Hamburger Hauptbahnhof

Es sieht derzeit nicht gut aus für den geplanten zusätzlichen S-Bahn-Tunnel in der Hamburger Innenstadt. Das Milliardenbauwerk sollte eigentlich die S-Bahn-Strecke zwischen Hauptbahnhof, Dammtor und Altona komplett unter die Erde verlegen, damit an der Oberfläche Platz für mehr Fern- und Regionalzüge entsteht.

Doch seit Monaten liegen die Planungen auf Eis und in einem neuen Gutachten im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums wird sogar empfohlen, den Tunnelbau in weite Ferne zu verschieben und ihn frühestens nach dem Jahr 2050 anzugehen (NAHVERKEHR HAMBURG berichtete in der vergangenen Woche exklusiv). Würde Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) dem Vorschlag folgen, wäre es für den Tunnel das faktische Aus.

Auch unabhängig von diesem Gutachten steht es derzeit nicht gut um diesen sogenannten Verbindungsbahnentlastungstunnel – kurz: VET. Die Stadt Hamburg und der Bund liegen bei der Finanzierungsfrage nämlich über Kreuz. Die Verkehrsbehörde wirft dem Bund sogar ein „nicht akzeptables“ Vorgehen vor.

NAHVERKEHR HAMBURG erklärt, worum es bei dem Streit geht, warum auch die Suche nach Alternativen aktuell nicht richtig vorankommt und was das alles für HVV-Fahrgäste bedeutet.

Die Luft ist raus

„Ich hau’ das gleich mal raus“, soll er im kleinen Kreis gesagt haben, kurz bevor er seine große Festrede begann. So erinnern sich Teilnehmende an ein Treffen mit dem damaligen Staatssekretär Enak Ferlemann (CDU) aus dem Bundesverkehrsministerium am 14. Dezember 2019. Ein nasskalter Vormittag. Viel Bahn- und Politprominenz, sowie die Presse hatten sich in der HafenCity am Elbufer versammelt. Denn es gab etwas zu feiern: die Eröffnung des neuen S-Bahnhofs Elbbrücken.

Doch der neue Bahnhalt blieb nicht lange der Star des Tages. Ferlemann machte ernst und ließ in seiner Festrede eine Bombe platzen: Hamburg soll einen zweiten S-Bahn-Tunnel mitten unter der Innenstadt bekommen. Ein Milliardenprojekt. Ein Befreiungsschlag für den völlig überlasteten Hauptbahnhof und die angrenzende V…

Der Kopf hinter diesem Artikel

Christian Hinkelmann ist begeisterter Bahnfahrer und liebt sein Fahrrad. Wenn er hier gerade keine neue Recherchen über nachhaltige Mobilität veröffentlicht, ist der Journalist und Herausgeber von NAHVERKEHR HAMBURG am liebsten unterwegs und fotografiert Züge.

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12 Antworten auf „„Nicht akzeptiert“ – Deswegen streiten Hamburg und Berlin um neuen S-Bahn-Tunnel“

@Mavis: Mit Linksverkehr auf dem Abschnitt HafenCity-Hbf wäre der Verkehr im Hauptbahnhof so, dass es im Westen zwei Gleise mit Fahrtrichtung Nord, in der Mitte vier Gleise mit Fahrtrichtung Süd und im Osten zwei Gleise mit Fahrtrichtung Nord gäbe. Damit bräuchte es eine lange und schlanke eingleisige Brücke, um die Züge von der Westseite im Hauptbahnhof auf die Ostseite am Ferdinandstor zu bringen. Platz ist nämlich im Nordkopf des Hauptbahnhofs sehr knapp, vor allem im südlichen und mittleren Teil. Beim jetzigen Layout (von West nach Ost: 2 nach S, 2 nach N, 2 nach S, 2 nach N) bräuchte es eine Brücke, die zwar etwas kürzer wäre als bei meinem Vorschlag, aber schwieriger in der Einfädelung, weil der Anstieg im Süden ziemlich mittig zwischen anderen Gleisen erfolgen müsste, was viel Platz am Boden bräuchte, während der Anstieg „meiner“ Brücke am Westrand hinter den Museen aufgebaut werden könnte. Im anderen Fall würden die Bauarbeiten die Fahrten zwischen Hauptbahnhof und Dammtor über Jahre hinweg massiv behindern. Die „Westrand-Lösung“ könnte wohl mit relativ kurzen Sperrungen einzelner Gleise auskommen, wenn ein benachbarter Pfeiler gebaut wird. Dieses Überwerfungsbauwerk wäre zwar immer noch schwierig in der Umsetzung, aber es würde nachhaltig bei der Kapazitätssteigerung helfen. Das Beste: Selbst wenn eines Tages der VET käme und die Gleise 3 und 4 von S-Bahn auf Fernbahn umgenutzt werden würden, wäre der Nordkopf mit dem von mir beschriebenen Überwerfungsbauwerk vollständig oder nahezu vollständig kreuzungsfrei, der Bahnhof wäre sehr leistungsfähig. Und die zwei Ferngleise auf der Dammtor-Südseite wären auch beim VET sehr nützlich, denn auch bei vier Ferngleisen zwischen Hauptbahnhof und Altona wäre die Streckenkapazität durch sechs Gleise in Dammtor erheblich vergrößert im Vergleich zu nur vier Gleisen, wie es jetzt für den VET geplant ist. Sprich: Beide von mir beschriebenen Maßnahmen ergänzen sich hervorragend, sind im Bestand mit relativ geringem Flächenbedarf umsetzbar sind vollständig zum VET aufwärtskompatibel, bringen also auch im Verbindung mit dem VET noch sehr hohen Nutzen.

@Nils Duge: Ein weiteres Gleis auf der Südseite von Dammtor, zusätzlich zu zwei S-Bahn-Gleisen auf der Nordseite, klingt spannend, weil damit die Kapazität für den Güterverkehr deutlich erhöht werden könnte, vor allem, wenn zusätzlich der Abschnitt Hbf-Dammtor (oder Hbf-Sternschanze) auf drei Ferngleise ausgebaut werden würde. Denn diese Strecke würde bevorzugt für den Güterverkehr aus Richtung Pinneberg genutzt werden (das zusätzliche Gleis wäre ja auf der Südseite). Im Gegenzug könnte die eingleisige Güterumgehungsbahn primär den Güterverkehr in Gegenrichtung, also nach Pinneberg aufnehmen, die Streckenkapazität durch den Richtungsverkehr wäre deutlich vergrößert. Außerdem bräuchte dieses Gütergleis südlich der Dammtor-Halle nur wenig Platz. Aber dieses Gleis zusätzlich zu zwei S-Bahn-Gleisen auf der Nordseite würde die Denkmalschützer zu Furien machen. Und außerdem wäre die Lösung „zwei Ferngleise auf der Südseite“ wohl die nachhaltigere Lösung, wenn der VET eines Tagen doch kommen sollte, denn schließlich wäre die nördliche aufgeständerte S-Bahn-Strecke von den Traglasten und Bahnsteiglängen für den Fernverkehr völlig ungeeignet. Deshalb und wegen des Denkmalschutzes: besser zwei neue Ferngleise auf der Südseite.

Der VET war von Anbeginn an ein totgeborenes Kind. Die Nachteile haben von Anbeginn an die Vorteile überwogen. Das war 2019 so und ist es auch noch heute. Warum ist die Politik bloß so feige, das zuzugeben. 6 verlorene Jahre! Mit den 10 Milliarden, die der Tunnel kosten dürfte, hätte man in den Jahren zumindest den Grundstein für ein attraktives Straßenbahnnetz legen können. Aber das Hamburger Mantra ist und bleibt: der ÖPNV auf der Schiene gehört in den dunklen Keller damit oben mehr Fläche für das Auto bleibt. Für die Entlastung des Hauptbahnhofes gibt es schon seit Jahren Pläne, die mit geringen Investitionen umgesetzt werden könnten, dazu zählt, sämtliche Verkehre, die nicht zwingend zum Hauptbahnhof müssen um diesen herumzuleiten und 6 der 12 am Hbf. endenden RE/RB-Linien durchzubinden.

Das Ding heißt ja Verbindungsbahnentlastungstunnel und nicht Hauptbahnhofentlastungstunnel, obwohl dem zumindest zwei neue Gleise spendiert worden wären. so gesehen würde durch eine Liniendurchbindung der Verkehr über die Verbindungsbahn auch nicht entlastet. Was zumindest etwas bringen würde, wäre die S4 West, was zumindest die RB-Linien rausnehmen würde.

Ich werde nicht müde es immer wieder zu betonen: Der Hauptverkehr wird in Zukunft nicht mehr nach Nordwesten sondern nach Nordosten gehen. Deshalb wird auch der VET oder sonst etwas in diese Richtung nicht gebraucht.
Wer hätte das gedacht, hier kann ich sogar mal auf das „Neue Hanseatische“ („Wir halten unsere Pfeffer-, äh Geldsäcke zusammen.“) setzen. (Gegensatz mittelalterliche Hanse: „Wir investieren schon mal, auch wenn es nicht gleich und sofort Gewinn bringt.“)
Vielleicht hilft das, und diese milliardenteure Schnapsidee („Ich hau’ das gleich mal raus“) wird endlich begraben. Und dann bitte vernünftige Ideen zur Entlastung des Hbf umsetzen.

Wie man hört, wollte der Bund eigentlich einen Eisenbahntunnel ohne Zwischenhalte wie jetzt in Frankfurt geplant. Vielleicht fehlte Ferlemann und seinen Leute die Ortskenntnis und man stand unter Druck, für die Klimademonstranten etwas „raushauen“ zu müssen. Ahnte wohl keiner, wie kompliziert das auch als S-Bahn würde. (Es ahnte auch niemand, dass die DB so abgenutzt war.)

Der VET ist altes Eisenbahn-Denken. (Die S-Bahnen braucht man gar nicht alle bis Altona.) Erst später sickerte der Tunnel Ferlemann 2 durch, mit dem ICE von Bremen oder Hannover nach Lübeck, Kopenhagen und Schwerin durchfahren könnten und ein attraktives Netz für den Regionalexpress käme. Ca. sechs Zugpaare pro Stunde würden auf der Verbindungsbahn wegfallen, Diebsteich würde plötzlich nicht mehr zu klein sein und Nordeuropa und Norddeutschland würde von vielen neuen Direktverbindungen profitieren.

Ohne Pandemie hätte Hamburg vielleicht noch ernsthaft darüber diskutiert, ob man nicht die U5-Trasse ab Dammtor lieber als VET baut. (Die U5 wäre dann als U4 zur Hafen City und Wilhelmsburg gefahren, die U4 bis Schlump und die S2 über Stellingen nach Altona.) Hamburg hätte mehr ÖPNV für das gleiche Geld bekommen können.

Jetzt läuft es darauf hinaus, dass nur der zweite Tunnel in ferner Zukunft kommt. Wenn nicht jemand vorher noch eine günstigere und einfachere Idee „raushaut“. Wer hat eine Idee?

wie schon gesagt, die Verbindungsbahn sechsgleisig ausbauen und den Dammtor Haltepunkt endlich seinen „Kaiser Bahnhof“ endlich seinen Kaisernimbus nehmen. Der neue S Bahnhof an der Kirchenallee kann ja trotzdem gebaut werden. Die Vorteile sind ja schon wiederholt angesprochen.

Für mich ist und war der VET immer nur eine halbherzige Notlösung und wenn er nicht kommt, wird das sicherlich kein Schaden sein: kaum, oder sogar negativer Nutzen für die HVV-Fahrgäste, ein sehr komplexes Bauwerk am Hbf mit extremen Radien und Steigungen, die Dreifachausfädelung am Westende, die erneute Baustelle am Bahnhof Diebsteich, die Beeinträchtigungen während der Bauzeit…
Ich denke man sollte jetzt 1. pragmatische Lösungen für den Hbf finden und zügig in die Wege leiten, wie die neue Bahnsteigkante Gleis 9/10, vielleicht ein Gleis 15 im Norden oder Süden der Halle, mehr Bahnsteigzugänge, vielleicht dann doch mal einen Fahrgaststeg in der Mitte der Halle, Fußgängertunnel wieder öffnen, etc. und 2. eine langfristige, große Lösung erarbeiten: neuer Hbf am Berliner Tor oder eine unterirdische Ergänzungsstation, wie in Frankfurt geplant/ in München im Bau, ein Fernbahntunnel von der Veddel bis Diebsteich oder oder oder.

Der VET ist tot. Die Probleme in Hamburg werden bleiben, auch wenn sich viel Güterverkehr auf den Fehmarnbelt verlagern wird. Zeit für einen Umbau, der risikoärmer und billiger ist und trotzdem große Verbesserungen bei Kapazität und Pünktlichkeit auf der Verbindungsbahn bietet, bestehend aus 2 Komponenten:

1) Sechsgleisiger Ausbau von Dammtor
Durch vier Gleise für die Ferngleise sind wegen der relativ langen Standzeiten in Dammtor deutlich geringere Zugfolgezeiten möglich. Mit den zwei Gleisen für die S-Bahn hätte Dammtor dann sechs Gleise. Weil in der Halle nur Platz für vier Gleise ist, müssen zwei Gleise außerhalb der Halle gebaut werden. Dafür gibt es zwei sinnvolle Variante 1a) und 1b):
1a) S-Bahnhof nordöstlich über dem Theodor-Heuss-Platz: technisch einfacher umzusetzen, mit optimalen Umsteigemöglichkeiten zu den Bussen, aber weiteren Wegen zum U-Bahn, Hauptproblem Denkmalschutz (Dammtor, aber auch Bibliothek)
1b) Ferngleise südwestlich über dem Dag-Hammarskjöld-Platz: das Kino müsste weichen, und wenig Abstand zum Radison-Hotel, massive Behinderungen auf der Tiergartenstraße während des Baus, schwierigere Einfädelung nördlich von Dammtor, voraussichtlich deutlich teurer wegen des längeren Viadukts und der höheren zu tragenden Massen, Probleme beim Denkmalschutz, wenn wohl auch geringere als bei 1a)

2) Kreuzungsfreier Betrieb im Hbf-Nordkopf
Erreichbar durch ein eingleisiges Überwerfungsbauwerk zwischen Ernst-Merck-Straße und Ferdinandstor, das die Gleise 13 und 14 mit dem nördlichen der drei Ferngleise über Ferdinandstor verbindet. Der große Trick besteht darin, den Südkopf auf dem Abschnitt zwischen Harburg und Hbf so umzubauen, dass die Züge im nördlichen Abschnitt auf der linken Seite fahren! Das würde bedeuten: Gleise 5 und 6 sowie 13 und 14 führen nach Norden, die Gleise 7 und 8 sowie 11 und 12 nach Süden; Gleis 9 führt in beide Richtungen, aber hauptsächlich für Züge, die im Hbf enden oder zwischen Berliner Tor und Harburg geführt werden.

Mit diesen beiden Maßnahmen wäre die Verbindungsbahn erheblich leistungsfähiger. Weil viele Regionalzüge durchgebunden werden könnten, wäre auch der extralange Bahnsteig an den Gleisen 7 und 8 nicht mehr erforderlich, was Platz für das nördliche Überwerfungsbauwerk schafft. Und das Beste: Diese Maßnahmen wären zwar aufwendig, aber unabhängig umsetzbar und auch alleinstehend nützlich, was die Hürden für die Umsetzung erheblich senkt.

Ein guter Vorschlag. Ich würde noch ergänzen, dass auch eine eingleisige Umfahrung des Fernbahnhofes an der Gebäudekante am Dag-Hamarskjöld-Platz für Züge ohne Halt in Dammtor einiges bringen dürfte und noch deutlich leichter und günstiger zu realisieren wäre. Das wäre sogar im unwahrscheinlichen Fall einer Realisierung eines VET noch nützlich.

Interessante Ideen. Der Sinn des Linksverkehrs erschließt sich leider vom Lesen nicht. Kannst du bitte erläutern, was daran besser ist als die Situation jetzt?

ich glaube, daß man die Verbindungsbahn sechsgleisig ausbauen sollte. Es braucht keine S-Bahn Haltestelle an der Feldstrasse oder der Max Brauer Allee. Und man könnte mit der Umsetzung 2030 beginnen (naja in normalen Ländern könnte man bereits 2028 anfangen, aber die Planungsindustrie in Deutschland läßt das leider nicht zu, weil man in Deutschland fälschlich glaubt, das langjährige Planung gute Planung sei.

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