Wer am Barmbeker Bahnhof von der S-Bahn in die U3 umsteigen will, braucht laut HVV-Fahrplanauskunft 2 Minuten für den Fußweg von einem Bahnsteig zum nächsten. Diese Wegezeit ist nicht von Algorithmen berechnet worden, sondern von Menschen wie Philipp Holz. Er ist der Kopf hinter den Umsteigezeiten im HVV. Dafür läuft er mit seinen Kolleginnen und Kollegen barrierefreie Zugänge an den Haltestellen ab und lässt seine Erfahrungen mit dem Kinderwagen einfließen.
Ein Gespräch über perfekte Laufgeschwindigkeiten, über den Kampf um jede Minute, warum die HVV-Fahrplanauskunft manchmal andere Umsteigezeiten ausspuckt als die Deutsche Bahn und welche Unterschiede es ausmachen kann, wenn man in einem Zug vorn oder hinten sitzt.
NAHVERKEHR HAMBURG: Wenn in der HVV-App steht, wie viele Minuten ich am Hauptbahnhof beim Umsteigen von der U-Bahn auf die S-Bahn benötige, haben Sie dann diesen Wert ermittelt?
Philipp Holz: Die Grundlage für diesen Wert haben schon die HVV-Kollegen Anfang der 1990er-Jahre erfasst und eingegeben, als das Auskunftssystem Geofox entwickelt wurde.
NAHVERKEHR HAMBURG: Sie ruhen sich auf der Arbeit der Kollegen von vor 30 Jahren aus?
Holz: In diesem Beispiel hat sich die Länge des Fußwegs nicht geändert. Natürlich müssen wir die Daten auf dem neuesten Stand halten, neue Haltestellennamen nachpflegen. Die Philosophie von damals halten wir aufrecht: „Wir wollen konkurrenzfähig sein zum Auto.“
NAHVERKEHR HAMBURG: Wie erreichen Sie das?
Holz: Wenn man in die Umsteigezeit überall Puffer einbaut, ist man natürlich immer auf der sicheren Seite, wenn es darum geht, die Anschlüsse zu erreichen. Dabei entstehen aber Reisezeiten, die unnötig sehr viel länger sind als die Vergleichsfahrt im Auto. Wir bauen vielleicht mal einen Puffer von einer oder zwei Minuten ein bei unübersichtlichen Haltestellen. Aber nicht grundsätzlich.
NAHVERKEHR HAMBURG: Wie wird die Länge eines Umstiegs definiert? Legen Sie eine Grundgeschwindigkeit zugrunde oder das Verhalten von Modellpersonen?
Holz: Es gibt nicht die eine Standard-Fußweggeschwindigkeit. Weit verbreitet ist die Annahme von vier Stundenkilometern. Die legen auch wir bei normalen Fußwegen zur Starthaltestelle zugrunde. Also 70 Meter pro Minute. Beträgt ein Umsteigeweg 200 Meter – und damit ist nicht die Luftlinie gemeint –, schauen wir, ob an dieser Stelle drei Minuten angemessen sind oder ob viel Niveauunterschiede oder …
6 Antworten auf „Der Herr der Umsteigezeiten im HVV“
Wunderbarer Bericht – Schönen Gruß an Herrn Holz!
Klitzekleine Korrektur: Als die Grundlagen Anfang der 1990er-Jahre erfasst wurden, wurde das zumindest teilweise von Mitarbeitern der Verkehrsunternehmen und dem HVV gemeinsam gemacht. Ich arbeitete damals bei der VHH und habe Bergedorf und den ganzen S21-Ostast mit abgelaufen.
Ich erinnere mich noch gut. Es war schönster Sonnenschein, und wir haben uns gefragt ob es bei Regen länger dauert. Also durfte ich ein paar Wochen später bei richtigem Schietwetter nochmal ein paar Haltestellen überprüfen – Ergebnis war es dauerte nicht länger und ich war so nass dass ich früher nach Hause durfte.
„Wir müssen zum Auto konkurrenzfähig sein“. Unter dem Aspekt, im Bus zu stehen statt im Auto zu sitzen und eine doppelt so lange Reisezeit einplanen zu müssen, am Stadtrand sogar noch deutlich mehr, ist das eine hoch anspruchsvolle Aussage. Widersprechen kann man auch dem Hinweis, die DB würde beim Umsteigen mehr Pufferzeit einplanen, weil der ICE nicht so häufig fährt und man dem Kunden die Wartezeit bei verpassten Anschlüssen ersparen möchte. In den Außenbezirken des HVV fahren Bahnen und Busse genau so selten, und dennoch bietet Geofox 0-Minuten-Anschlüsse. Und das, obwohl das Problem der Anschluss-Sicherung seit Gründung des HVV keinen Schritt weitergekommen ist, vor allem bei Übergängen zwischen unterschiedlichen Verbundpartnern; auch die Digitalisierung hat hier keinen Weg aus der Steinzeit gewiesen. Anschluss-Verbindungen werden auf die theoretisch kürzeste Reisezeit optimiert, das pralle Leben mit seinen Unwägbarkeiten macht daraus jedoch schieren Zufall und gibt immer die Chance, etwa im Spätverkehr die nächsten 40 Minuten an einer zugigen Haltestelle abzusitzen/-stehen. Die PC-Ausgabe von Geofox lässt sich über „Geschwindigkeit langsam” in gewissem Umfang beeinflussen; in der mobilen Fassung fehlt so etwas. Für die Fälle, in denen Sicherheit vor Tempo geht, wäre eine Option „Neuberechnung mit verlängerter Umsteigezeit” hilfreich. Sollte so etwas im HVV nicht möglich/gewünscht sein, wäre als Alternative die Fahrplan-App des Verkehrsverbundes Bremen/Niedersachsen (FahrPlaner) zu empfehlen, die die Hamburger Daten auch enthält und eine Option „Mindestumsteigezeit 5 Minuten” bietet. Der Anteil der erreichten Umsteige-Beziehungen geht damit sprunghaft nach oben; und sollte man dann tatsächlich einmal einen früheren als den angezeigten Anschluss erreichen, wäre das sicher kein Schaden.
Hallo, ich nutze extra ein Programm Namens NimmBus, weil es mir angibt, wo ich einsteigen sollte, also Vorne, in der Mitte oder Hinten. Auch kann ich dort detailiierter meinen Bedarf konfigurieren.
Man hätte ja neben der Vereinfachung der Optionen einen Punkt Detaillierte Optionen oder so was kreieren können. Und die Zwischenhaltestellen waren und sind immer schon wichtig gewesen. Aber da ja gern nicht danach gefragt wird ob vile es nutzen oder wenige, im Fall für die Mehrheit entschieden wird, fallen einige Gruppen halt standardmäßig weg. Aber dass sind diese Gruppen ja gewohnt.
Die Angabe der Umsteige-Zeiten ist schon mal gut. Es kann sich dabei aber nur um einen Mittelwert handeln, es gibt Fahrgäste, die schneller und die langsamer sind. Wenn wie beim Umsteigeweg Bf Dammtor und U Stephansplatz die Entfernung in Metern zusätzlich angeben wird, ist dies sehr hilfreich.
Danke für diesen interessanten Hintergrundbericht! Das sind solche Sachverhalte, die ich als “gewöhnlicher” >hvv Nutzer sonst gar nicht mitbekomme und erst durch NAHVERKEHR HAMBURG erfahre. Macht weiter so!
Danke dafür! 🙂