Angebotsausbau im HVV, neue Bahnlinien, bessere Radwege, Carsharing, On-Demand-Shuttles und E-Scooter: Hamburg hat in den vergangenen Jahren hohe Millionenbeträge dafür ausgegeben, um eine Verkehrswende anzustoßen – weg vom eigenen PKW, hin zu alternativen Mobilitätsformen.
Doch irgendwie funktioniert das noch nicht so richtig. Darauf deutet zumindest eine Langzeit-Auswertung der PKW-Zulassungszahlen von NAHVERKEHR HAMBURG hin.
Demnach ist die Zahl der zugelassenen Fahrzeuge zwischen Anfang 2010 und Ende 2020 um 13 Prozent gestiegen. Das ist – prozentual gesehen – deutlich mehr als Hamburg in dieser Zeitspanne gewachsen ist. Die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner nahm da nämlich nur um 7 Prozent zu.
In absoluten Zahlen bedeutet das: Die Menge der in Hamburg zugelassenen PKW ist seit 2010 um 90.300 Fahrzeuge gewachsen, wie aus Zulassungsstatistiken des Kraftfahrt-Bundesamts hervorgeht (siehe hier und hier).
6 Antworten auf „Verkehrswende? Zahl der PKW in Hamburg nimmt seit 2010 stetig zu“
Wachstum von 13% und wenn man die gewerblichen Autos abzieht, bleibt es bei 13% in der Gesamtflotte? Hm, ok.
Interessanter fände ich die tatsächliche Verkehrsleistung sowie der Ausstoß von Emissionen. Ohne Blick auf Abgasnormen, Elektroautos, stehende Zweit-/Drittwagen usw. erscheint ein finaler Rückschluss auf Kohlenstoffdioxide etwas fragwürdig.
Steigt jemand bspw. aufs Rad zur Arbeit um und behält seine gummibereifte Kasperbude für Wochenendseinkäufe, ist das ja eine Stagnation im Kfz-Bestand, aber nicht im Ausstoß.
Auch die Verkehrsleistung im MIV ist von 2008 bis 2017 von 22 auf 25,6 Mio. Pkm pro Tag gestiegen. Also gut 16%. Nachzulesen im MiD-Bericht. Der verschwindend geringe Anteil an E-Fahrzeugen fällt da vermutlich kaum ins Gewicht.
Und der Trend hat sich seitdem vermutlich nicht wesentlich geändert.
Es hat ja auch in den letzten zwei Jahrzehnten einen weiteren wesentlichen Ausbau im Straßennetz gegeben während im Schienennetz fast nichts passiert ist. Nur die HafenCity U-Bahn ist tatsächlich hinzu gekommen, aber dort sind eben auch fette Straßen entstanden. Dazu ist die A7 nördlich vom Elbtunnel von 6 auf 8 Fahrstreifen gebracht worden, gleiches die A1 nördlich der Norderelbe. Für die Norderelbe ist eine Verdoppelung der Fahrstreifen vorgesehen und die Wilhelmsburger Reichsstraße wurde von 17m auf 32m Breite gebracht. Die Schäden an der Infrastruktur sind vorhanden, werden aber beseitigt.
Anders bei der Bahn: Da hat bezüglich DB Netz gar kein Ausbau stattgefunden. Dafür sind die vorhandenen Strecken immer weiter runtergerockt worden. Auf der Strecke nach Lübeck fällt nach drei Regentagen die Signaltechnik zuverlässig aus. Derzeit ist der Verkehr der RB81 in der HVZ wegen der Bauarbeiten S4 auf ein Viertel reduziert worden. Einzelne Sperrungen des Harburger S-Bahnastes im laufenden Betrieb oder zur morgendlichen Betriebsaufnahme scheinen auf versäumte Wartungsarbeiten zurück zu führen zu sein. Und dass mit der fertig geplanten Stadtbahn vor 10 Jahren nicht begonnen wurde ist ja Scholzens ganz persönlicher Verdienst. Diesen ins Rennen für Bundeskanzler zu schicken macht dann auch ganz deutlich, wie ehrlich es die SPD mit den Klimazielen meint: Schröder hätte es seinerzeit Gedöns genannt.
Die Sonntagsreden kann man getrost bei Seite lassen. Einfach gucken, was wirklich passiert.
Interessant, danke. Zuletzt hatte das Abendblatt noch geschrieben:
“Das Verkehrsaufkommen in Hamburg nimmt weiter ab. Ende 2019 lag es um 3,5 Prozent unter dem Vergleichswert aus dem Jahr 2000 – und das, obwohl die Einwohnerzahl und die Zahl der angemeldeten Kraftfahrzeuge seitdem deutlich gestiegen sind. Ende 2018 hatte das Minus gegenüber 2000 noch bei 3,0 Prozent gelegen, 2014 aber schon mal bei 3,7 Prozent. […]
Auf den Stadtstraßen verringerte sich das Kfz-Verkehrsaufkommen um 8,2 Prozent, auf den Ring- und Tangentialstraßen um 3,5 Prozent – wobei einige aufgrund von Baustellen „stark in ihrer Leistungsfähigkeit beeinflusst“ waren, so der Senat. Auf den Bundesautobahnen (plus 7,3 Prozent) und an den Landesgrenzen (plus 3,8 – ohne Autobahnen) nahm der Verkehr hingegen zu.”
https://www.abendblatt.de/hamburg/article230821186/Mehr-Menschen-und-Autos-aber-der-Verkehr-nimmt-ab.html
Alleine an dieser Analyse kann man sehen, dass die Verkehrspolitik gescheitert ist. Und das Anwohnerparkausweise 30 Euro im Jahr kosten, ist den Bewohnern ohne Auto in der Stadt nicht vermittelbar. Warum subventionieren diese eigentlich den “Stehzeug-Wahnsinn” auch noch? Die aktuelle Benzinpreis-Diskussion passt gut zu diesem Niveau.
Über Jahrzehnte das Auto in den Vordergrund zu stellen und übermäßig viel zu fördern, das ist radikal. Die Radwege und den ÖPNV jetzt auch mal zu pushen ist aus meiner Sicht gesunder Menschenverstand. Jedoch muss sich da aus meiner Sicht vieles ändern: Es braucht schnellere und einfache Planungsinstrumente, es braucht vor allem mehr Planer*innen, es braucht eine intelligente Bürger*innenkommunikation, es braucht Gesetze, die ÖPNV und andere alternativen zum Auto schützen und fördern und letztlich braucht es mehr Geld. Ansonsten ergibt es keinen Sinn, sich hinzustellen und mehr Maßnahmen zu fordern.