Es ist ein Traum für jeden Fahrgast: Alle 100 Sekunden eine U-Bahn! Ab Ende 2026 soll dieser Traum Wirklichkeit werden – zumindest auf der Strecke zwischen den Haltestellen Horner Rennbahn und Jungfernstieg, wo sich die beiden Linien U2 und U4 dieselben Gleise teilen.
Derzeit muss man an auf den Bahnsteigen noch 3 bis 5 Minuten auf den nächsten Zug warten, doch spätestens mit der Eröffnung der U4-Verlängerung in die Horner Geest will die Hochbahn dort mindestens 4 Züge in 10 Minuten (150-Sekunden-Takt) einsetzen. In Spitzenzeiten soll dann ungefähr alle anderthalb Minuten ein Zug kommen (6 Züge in 10 Minuten).
Um diesen dichten Takt zu ermöglichen, ist eine neue Technik nötig, die Signale und feste Sicherheitsabstände zwischen den einzelnen Zügen überflüssig macht, denn die Zeitpuffer zwischen den einzelnen Zügen werden bei einem 100-Sekunden-Takt so gering, dass schon kleinste Verspätungen den ganzen Fahrplan durcheinanderbringen könnten. Es zählt also sprichwörtlich jede Sekunde – und dabei kommt die Teilautomatisierung ins Spiel: Der Computer fährt präzise und das Fahrpersonal sitzt nur noch zur Überwachung auf dem Führerstand. Es muss nach dem Türenschließen nur noch auf einen Startknopf drücken und den Rest der Fahrt bis zur nächsten Haltestelle erledigt die Technik.
Bereits vor zehn Jahren hatte die Hochbahn das Vorhaben angekündigt, seit einiger Zeit wird konkret daran gearbeitet. Im vergangenen Herbst wurde das Projekt erstmals öffentlich vorgestellt.
Jetzt steht der nächste Meilenstein bevor: Die Hochbahn lädt die Presse morgen, am Freitag, zu einer ersten Fahrt mit so einem automatisch fahrenden Zug ein – auf einem Testgleis zwischen Farmsen und Berne.
Was viele nicht wissen: Es ist nicht die erste Veranstaltung dieser Art. In den vergangenen Jahrzehnten hatte die Hochbahn schon zweimal zu genau solchen Terminen geladen und dort automatisch fahrende U-Bahnen präsentiert. Die Technik war damals zwar eine völlig andere, aber 90-Sekunden-Takte und (fast) fahrerloses Fahren war damit auch damals schon möglich.
Hier erzählen wir die Hintergrundgeschichte, zeigen historische Fotos und erklären, warum sich der automatische U-Bahn-Betrieb in Hamburg bisher nie durchsetzte. Der Grund dafür war vor allem menschlich.
Der 4. Dezember 1967 war ein typisch grauer und regnerischer Tag in Hamburg – ohne Sonne. Doch davon merkten die zahlreichen Journalisten nichts, die sich um die Mittagszeit in der geschützten Tunnelstation der U1 an der Straßburger Straße versammelt hatten. Die Hochbahn hatte hier eine Sensation versprochen – und die kam um genau 12:33 Uhr in den Bahnhof gerollt: Ein U-Bahn-Zug, der wie von Geisterhand gesteuert am Bahnsteig entlang fuhr und am Ende von ganz allein bremste. Der Fahrersitz? War leer. Die Technik fuhr den Zug allein. Da war sie also: Die erste automatisch fahrende U-Bahn auf dem europäischen Kontinent. Ein neues Kapitel in der Entwicklung des ÖPNV sei aufgeschlagen worden jubelte der Abendblatt-Reporter Egbert A. Hoffmann. Er hatte schon im Januar 1962 in einem Probezug auf dem Fahrersitz Platz nehmen dürfen: Der Zug fuhr ja ohne sein Zutun.
5 Antworten auf „Automatische U-Bahnen in Hamburg? Das gab es schon vor 60 Jahren“
Es ist erschütternd, wie aus fadenscheinigen Gründen der technische Fortschritt bei der Hamburger U-Bahn verpennt worden ist. Schon seit langer Zeit können Flugzeuge dreidimensional automatisch gesteuert werden. Bei den Kraftfahrzeugen läuft der Probebetrieb – im Gegensatz zum Flugbetrieb zwar nur zweidimensional, aber auf engstem Raum und bei Beachtung von vielen Hindernissen, welche im Weg stehen können. Aber die Bahn, nur eindimensional unterwegs (es gibt nur ein Vor und ein Zurück) schafft es in Hamburg einfach nicht. Welch verrückte Welt!
Das ist ein ganz hervorragender Artikel!
Jetzt noch die Details der Technik dazu und das wäre ein relevantes Buch. Also bitte melden, wenn das in ein gedrucktes Werk einfließt.
Moin an alle Mitlesenden – wenn ich recht informiert bin, war ein 90-Sekunden-Takt auch schon vor hundert Jahren durchaus möglich: Auf der Berliner Stadtbahn. Mit klassischen Signalen, Dampflokomotiven und Abteilwagen mit lauten Türen, die von Hand geschlossen werden mussten …
Gute Grüße, Rainer
In London bei der District-Line auch. Da hatten dann wichtige Haltestellen sogar Signale in Bahnsteigmitte, und so konnte hinten schon der nächste Zug reinfahren währen vorne die letzten Wagen des vorgehenden noch rausfuhren. Wobei man allerdings auch zugeben muss dass es schon manchmal krachte, und insbesondere die Sicherheit des Fahrpersonals um einigen niedriger lag – das würde wohl schon deshalb heute nicht mehr gehen…
Vielen Dank für diesen umfassenden Artikel. In der Detailtiefe und dieser Akribie war mir das Thema bisher noch nicht bekannt. Gerne mehr von diesen Artikeln, die den Blick in die Vergangenheit des Hamburger Nahverkehrs und/oder über den Hamburger Tellerrand weiten 🙂