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Wie blinde Menschen in Hamburg den ÖPNV nutzen – ein Erfahrungsbericht

Als blinder Fahrgast in Hamburg Bus oder Bahn nutzen? NAHVERKEHR HAMBURG-Autor Christian Ohrens beschreibt in einem Selbsterfahrungsbericht, wie das funktioniert und welche Schwierigkeiten dabei zu bewältigen sind.
Christian Ohrens
Barrierefreier Einstieg dank spezieller Bordsteine im Busverkehr in Hamburg
Dank spezieller Bordsteine können Busse in Hamburg ganz nah an die Haltestelle heranfahren. Diese Sonderbordsteine werden im Rahmen eines Busbeschleunigungsprogramms in Hamburg verbaut.
Foto: Christian Hinkelmann

„Dieser Zug fährt weiter nach Wandsbek Gartenstadt.“, tönt es aus den Lautsprechern. Während der Ansage raschelt ein anderer Fahrgast auffällig laut mit seiner Zeitung.

Stört ihn die immer wieder kurz vor Barmbek durchgesagte Info im Zug?

Mir hilft sie dafür umso mehr. Ich bin einer von ca. 2.300 blinden Menschen, die in der Hansestadt leben, meist tagtäglich den öffentlichen Nahverkehr nutzen und auf solche Informationen angewiesen sind. Genauso, wie auch auf weitere Hilfen – beispielsweise Leitstreifen an den Bahnsteigen.

Infos über einfahrende Züge: Ansagen könnten Anwohner stören

Streng genommen kommt die eben erwähnte Lautsprecheransage in Barmbek doch eigentlich viel zu spät, denn als Fahrgast möchte ich nicht erst während der Fahrt, sondern schon vor dem Einstieg wissen, um welche Linie es sich handelt.

In anderen Großstädten, wie Berlin, Hannover und Düsseldorf ist so etwas längst üblich. Dort wird an allen Haltestellen entweder am Bahnsteig oder nach dem Öffnen der Türen am Zug durchgesagt, wohin er fährt. In Hamburg gibt es so etwas nur bei den ganz neuen S-Bahnen der Baureihe 490. Bei allen anderen U- und S-Bahnen im HVV herrscht dagegen an den Bahnsteigen Schweigen.

„Eine Durchsage im U-Bahn-Bereich ist technisch sehr aufwändig“, erklärt Hochbahn-Pressesprecher Christoph Kreienbaum gegenüber NAHVERKEHR HAMBURG die Hintergründe. „Hinzu kommt auf den Außenhaltestellen das Problem, dass wir häufig Beschwerden von Anwohnern über Außendurchsagen haben. Wir setzen darauf, dass es künftig auch technische Lösungen gibt – beispielsweise über Smartphone-Apps.“

Andre Rabe, Vorstandsmitglied des Blinden- und Sehbehindertenvereins Hamburg und Mitglied im Arbeitskreis „Umwelt und Verkehr“, hat dafür wenig Verständnis. Es könne nicht sein, so Rabe zu NAHVERKEHR HAMBURG, dass die Hochbahn solchen Anwohnerbeschwerden einfach nachgebe. „Zum Schutz von kleineren Zielgruppen muss so ein Gemecker auch einmal ausgehalten werden.  Zudem muss es möglich sein, den ÖPNV uneingeschränkt barrierefrei auch ohne Hilfsmittel zu nutzen. Und zur Nutzung gehört auch die Information, um welche Linie es sich hier handelt“.

Die Hochbahn verweist auf Nachfrage darauf, dass es auf den Bahnsteigen Infosäulen gebe, die für weitere Auskünfte genutzt werden können. Doch auch das sieht Rabe kritisch, da nicht jede Infosäule von blinden Menschen sofort aufgefunden werden könne. Noppen am Boden würden nämlich sowohl zu Treppenabgängen, Aufzügen als auch Infosäulen führen. Zudem könne man über diese Säulen nur eine telefonische Verbindung zur Hochbahn aufbauen und…

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2 Antworten auf „Wie blinde Menschen in Hamburg den ÖPNV nutzen – ein Erfahrungsbericht“

Also das Argument, dass die Ansage des nächsten Zuges technisch kompliziert ist, kann ich nicht nachvollziehen. Mit Zugzielanzeigern geht es ja auch (und zwar wesentlich einfacher als bei Bussen und sogar die werden an vielen Haltestellen schon angezeigt) also könnte Infosystem ohne Probleme auch eine Ansage machen.
Schön zu beobachten z.B. bei der Stadtbahn Hannover.

Wie ernst es die DB, die ja auch Teil des HVV ist, mit der Barrierefreiheit nimmt, sieht man am Fern- und Regionalbahnhof Altona, wo sich die DB beharrlich weigert auf den oberirdischen Bahnsteigen taktile Leitstreifen zu installieren, weil sie der Meinung ist, sie können den Bahnhof in 7-8 Jahren stilllegen. Ob der gewünschte neue Bahnhof Diebseich bis dahin fertiggestellt ist steht in den Sternen, wie die kontinuierlichen Verzögerungen beim Bahnhof Stuttgart 21 zeigen. Die Blinden und Sehbehinderten können diese langen Jahre nicht warten, daher wäre es die Mindestverpflichtung der DB diese Leitstrefen umgehend einzubauen. Noch besser wäre es allerdings den Fern- und Regionalbahnhof Altona zu erhalten, denn er ist der einzig wirklich barrierefrei vom Straßenniveau aus zugängliche Fernbahnhof in Hamburg und hat nicht nur eine formale Barrieerfreiheit über Rolltreppen und Aufzüge.

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