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E-Scooter-Verbot in der Sternschanze zielt auf die Falschen

Hamburg sperrt ab nächster Woche E-Scooter aus dem Schanzenviertel aus, um Wildparken auf Fußwegen zu unterbinden. Doch diese Maßnahme greift am wahren Problem vorbei. Ein Kommentar.
Christian Hinkelmann
Neue Mobilität: Abgestellte E-Scooter an einem U-Bahnhof in Hamburg.
Neue Mobilität: Abgestellte E-Scooter an einem U-Bahnhof in Hamburg.
Foto: Christian Hinkelmann

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Kommentar

Mal eben mit dem E-Scooter vom U-Bahnhof zur Kneipe in der Schanze oder vom Restaurant zur S-Bahn: Das ist ab dem kommenden Montag nicht mehr möglich. Nicht, weil Restaurant- und Kneipenbesuche wegen Corona gerade eh kein Thema sind, sondern weil ab dem 15. März das Abstellen von E-Scootern im Schanzenviertel nicht mehr erlaubt ist.

Stattdessen soll es nur noch vier zentrale Abstellplätze an den Eingängen des Viertels geben – genauer gesagt an den Ecken Altonaer Straße/Schulterblatt, Altonaer Straße/Schanzenstraße, Neuer Pferdemarkt/Beckstraße und am U-Bahnhof Sternschanze (siehe Karte) Wer also von der Schanze aus mit einem E-Scooter fahren will, wird in Zukunft in vielen Fällen erst einmal weitere Strecken laufen müssen.

Damit wollen das grün geleitete Bezirksamt Altona und die ebenfalls von den Grünen geführte Hamburger Verkehrsbehörde das wilde Parken der Elektroroller auf den engen Fußwegen in der Schanze unterbinden. Wenn das Pilotprojekt gut läuft, könnte es auf andere Stadtbezirke ausgeweitet werden, kündigte Verkehrssenator Anjes Tjarks am vergangenen Freitag an.

Viele werden jetzt jubeln: „Endlich Schluss mit den nervigen Rollern, die überall rumstehen!“

Autoverkehr darf bleiben – E-Roller sollen raus

Tatsächlich sind E-Roller, die Fuß- und Radwege blockieren, ein Problem, das gelöst werden muss – keine Frage. Und doch zielt das jetzt ausgesprochene Mobilitätsverbot mit großer Treffsicherheit genau am eigentlichen Problem vorbei, denn das geht – ganz nüchtern betrachtet – nun mal nicht in erster Linie von den Tretrollern aus, sondern von den insgesamt viel zu kleinen Flächen für den Fuß- und Radverkehr im Viertel und den im Verhältnis dazu riesigen Flächen für den Autoverkehr.

Da kann man sich schon fragen, mit welcher Logik eine Behörde, die das Wort „Mobilitätswende“ in ihrem Titel trägt, kleine elektrische Miet-Roller aus einem ganzen Viertel aussperren will, während beispielsweise die Carsharing-Dienste ihre großen und meist benzinbetriebenen Wagen dort weiterhin überall parken dürfen.

Man kann sich auch fragen, warum scheinbar niemand auf die Idee kam, statt des generellen Roller-Verbots die Flächen für Fuß- und Radwege zu vergrößern, um mehr Abstellplatz für Zweiräder zu schaffen.

Und man kann sich fragen, warum man die E-Scooter nicht einfach von den Fußwegen herunterholt und am Straßenrand parken lässt. So könnte man ja beispielsweise konsequent in jeder Straße der „Verbotszone Schanzenviertel“ zwei PKW-Parkplätze in E-Scooter-Abstellplätze umwandeln, an denen gleich auch Fahrräder und Lastenräder abgestellt werden können.

Ab dem 15. März 2021 dürfen E-Scooter nur noch auf diesen vier Plätzen abgestellt werden.
Verkehrsbehörde Hamburg Ab dem 15. März 2021 dürfen E-Scooter nur noch auf diesen vier Plätzen abgestellt werden.

Politik hat den einfachsten Weg gewählt

Stattdessen hat die grüne Politik – so scheint es – hier den bequemsten Weg gewählt und einfach dem Fahrzeug mit der kleinsten Lobby die rote Karte gezeigt.

Dabei haben sowohl der Bezirk als auch die Verkehrsbehörde offensichtlich die Nutzungsbedürfnisse von E-Scooter-Kund:innen völlig ignoriert: Solche Mietroller werden hauptsächlich auf Kurzstrecken genutzt – beispielsweise vom S-Bahnhof zu einem der vielen Restaurants im Schanzenviertel. Da ist es relativ sinnfrei, wenn direkt vor der Bahnhaltestelle zwar Roller stehen – sie aber in der Nähe der Restaurants nirgendwo abgestellt werden können.

Wohl kaum jemand wird die Roller somit am Bahnhof gebrauchen können – und wenn doch, dann höchstens als HVV-Ersatz, was aus verkehrspolitischer Sicht kontraproduktiv wäre.

Konstruktiver Vorschlag zur Güte: Um den E-Scooter-Stationen am Bahnhof Sternschanze einen praktischen Nutzen zu geben, sollte zentral im Schanzenviertel zumindest eine weitere erlaubte Abstellfläche platziert werden, die sich vom Bahnhof aus ansteuern lässt. Damit würde in dem grünen Verbot zumindest ein bisschen Mobilitätswende stecken.

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Der Kopf hinter diesem Artikel

Christian Hinkelmann ist begeisterter Bahnfahrer und liebt sein Fahrrad. Wenn er hier gerade keine neue Recherchen über nachhaltige Mobilität veröffentlicht, ist der Journalist und Herausgeber von NAHVERKEHR HAMBURG am liebsten unterwegs und fotografiert Züge.

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12 Antworten auf „E-Scooter-Verbot in der Sternschanze zielt auf die Falschen“

Die Scooter-Deppen, die zu faul sind, von der Sternschanze zum Schulterblatt oder der Haustür zur Haltestelle zu laufen und dann mangels sozialer Kompetenz ihre Elektro-Krücken einfach rücksichtslos überall im Weg stehen und fallen lassen, sind einfach eine Pest. Geben wir ihnen ein paar Schritte Nachdenkzeit.

Ich denke, es geht in dem Kommentar NICHT primär um rücksichtslose „Scooter-Deppen“, sondern um angemessene Verteilung des Verkehrsraums anno 2021.
Und vor allem geht es um den Abgleich zwischen (man muss es mittlerweile so nennen:) großspurigen Ankündigungen der Grünen und der tatsächlichen Umsetzung.

Artikel lesen hilft.

Warum braucht es dann überhaupt die ganzen Kfz-Parkplätze entlang der dortigen Straßen?
Weil so viele Besucher so schwer oder so viel zu transportieren haben?!
Soll ja zwei Baumärkte und einen großen Discounter im Viertel ohne Kundenparkplätze geben…

Anders gesagt: Die 5min gelten für alle.

Artikel lesen statt einfach nur „irgendwas sagen“ hilft.

PS Prinzipiell ist ihr Vorschlag dem der Behörde aber doch schon ähnlich – es soll nicht mehr wild abgestellt werden, sondern es soll dafür gezielt Flächen geben. Der Unterschied ist wo die Flächen sein sollen, und, da Straßenraum begrenzt ist, auf wessen Kosten…

Und das, denke ich, ist ja schon fast typisch für den Unterschied zwischen guten und schlechten Verkehrsprojekten: Gerade weil nur begrenzt Flächen zur Verfügung stehen liegen die entescheidenden Unterschiede oft in Detail – und Kompromisse führen oft dazu dass sich einem Projekt schienbar wenig ändert aber trotzdem ein Großteil des Nutzen verloren geht…

Damit sind die eScooter dort sinnlos.

Der Vorteil der Scooter ist, dass man quasi überall einen findet und sofort losfahren kann, bis zur eigenen Haustür.

Was bringt mir der Scooter, wenn ich ihn an einer festgelegten Stelle abstellen muss und anschließend nach Hause LAUFEN muss?

Insofern ist dass allerdings ein interessantes Forschungsprojekt: Ein Problem mit Scootern ist ja dass sie oft viel häufiger in eine Richtung benutzt werden als in die andere – vom Bahnhof zur Haustür (weil am Bahnhof halt viele sind) als andersum (weil an den meisten Haustüren keiner ist). Was dazu führt dass früher oder später alle irgendwo herumliegen und viel weniger benutzt werden.

Ich frage mich ob mehr dezentrale Sammelstellen zu mehr Verkehr in die andere Richtung führen werden – es gibt zwar dann überhaupt keine Scooter vor der Haustür mehr, aber wenn man auf dem Weg zur Bahnhof an einer Sammelstelle vorbeikommt, werden dann mehr Leute Scooter auch auf dem (Teil-)Weg zum Bahnhof benutzen?

Verstehe die Aufregung gar nicht…
1000m und mehr Fußweg gelten nach meiner Erfahrung in Hamburg als absolut akzeptabel in der planerischen und vor allem realen NMIV-Wegebewältigung, wenn man nachvollziehbarerweise auf den notorisch verspäteten Autoscooter (vulgo: Bus) verzichten möchte.*

Ich finde es in diesem Zusammenhang auch gut, dass die Grünen bei jeder Straßenbaumaßnahme, in den die unzähligen Pflastersteindecken des Bezirks bei Wiedereinbau belassen lassen (statt sie dann radverkehrsfreundlich mit einem glatten Teilbelag kostengünstig zu gestalten).
SIe machen halt ihren Job sehr gut, die Grünen in Hamburg.

*) Dass dann jede*r lieber das Auto nimmt, ist aber bei Olaf, Peter, Anjes & co aber bis heute nicht durchgedrungen.

ps. Guter & zutreffender Kommentar!

Naja, die beiden Lehrer von Berg und Tjarks sind noch relativ neu im Geschäft. Da sollte man nicht zu hart ins Gericht gehen. Deren Aktionismus ist ja recht harmlos und wird es wahrscheinlich auch bleiben. Abenteuerlich wird diese Zunft meist erst nach der Pensionierung.

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