„Eine HVV-Erweiterung in Schleswig-Holstein ist nicht notwendig“

Lübeck und Neumünster denken über einen Beitritt zum HVV nach. Bernhard Wewers, Chef der Landesweiten Verkehrsservicegesellschaft, hält im Interview davon wenig und befürchtet millionenschwere Einnahmeausfälle in Schleswig-Holstein sowie Kürzungen im Bahnverkehr. Er schlägt stattdessen günstigere Pendler-Tickets nach Hamburg vor, die schon in diesem Jahr kommen könnten.
Christian Hinkelmann
Menschen steigen am Hamburger Hauptbahnhof in Regionalexpress nach Lübeck
Menschen steigen am Hamburger Hauptbahnhof in Regionalexpress nach Lübeck

Seit Anfang Mai gehören Neumünster und Lübeck zur Metropolregion Hamburg und denken seitdem immer lauter über einen Beitritt zum Hamburger Verkehrsverbund nach. Damit würde der derzeit dort geltende Schleswig-Holstein-Tarif zwei Großstädte an den HVV verlieren.

NahverkehrHAMBURG: Bernhard Wewers, Chef der Landesweiten Verkehrsservicegesellschaft (LVS) in Kiel und zuständig für den Schleswig-Holstein-Tarif, was halten Sie davon?

Bernhard Wewers: Natürlich kann ich den Wunsch der Städte und Landkreise verstehen. Die Metropolregion Hamburg boomt, da möchte man natürlich dazu gehören. Auch kann ich die Pendler verstehen, die günstiger und einfacher nach Hamburg kommen wollen. Allerdings haben wir ja schon einen gemeinsam koordinierten Fahrplan zwischen Schleswig-Holstein und Hamburg. Zudem bauen wir den Zugverkehr nach Hamburg seit Jahren immer weiter aus und werden ihn Ende 2014 mit Einführung des Halbstundentaktes ab Neumünster noch einmal verstärken. Und: Unsere Fahrgäste können mit dem Schleswig-Holstein-Tarif bereits heute von jeder Bushaltestelle in Schleswig-Holstein bis zu jeder Haltestelle in Hamburg fahren und benötigen dafür nur ein Ticket. Also eigentlich haben wir damit schon lange das, was hier gefordert und durch den Beitritt zum HVV erwünscht wird. Ich glaube daher nicht, dass eine Ausweitung des HVV in Schleswig-Holstein notwendig ist.

NahverkehrHAMBURG: Der HVV ist im Randgebiet deutlich günstiger als der Schleswig-Holstein-Tarif. Würden Lübeck und Neumünster dem HVV beitreten, würden dort vermutlich auch die Fahrkartenpreise sinken. Was bedeutet das für das Land Schleswig-Holstein?

Wewers: Das heißt, dass die Verkehrsunternehmen größere Verluste machen und diese von den Städten und Kreisen zurückfordern werden. Das sind sehr große Summen. Da sind wir schnell im Millionenbereich pro Jahr. Je mehr sich der HVV vergrößert, ohne dabei sein Tarifsystem zu ändern, desto teurer wird jede Erweiterung. Und noch etwas: Durch günstigere Fahrpreise würden wir zwar etwas mehr Fahrgäste bekommen, was wir natürlich wollen – das bedeutet aber auch, dass wir mehr Züge bestellen müssten. Diese Kosten müsste auch das Land übernehmen. Daher frage ich: Lohnt sich das? Ist das gut investiertes Geld? Ich glaube, man muss das Geld in bessere Qualität und in ein besseres Angebot stecken – nicht in rabattierte Fahrkarten. Das heißt: Neue Züge, mehr Züge, schnellere Züge. Das ist die Politik Schleswig-Holsteins.

NahverkehrHAMBURG: Das bedeutet, Schleswig-Holstein würde mit seinem Preissystem vor ein Problem gestellt werden, wenn der HVV erweitert…

Der Kopf hinter diesem Artikel

Christian Hinkelmann ist begeisterter Bahnfahrer und liebt sein Fahrrad. Wenn er hier gerade keine neue Recherchen über nachhaltige Mobilität veröffentlicht, ist der Journalist und Herausgeber von NAHVERKEHR HAMBURG am liebsten unterwegs und fotografiert Züge.

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