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Personalnot im Norden: 1.228 Zugausfälle in einem Monat

NAHVERKEHR HAMBURG-Datenrecherche zeigt, dass im Juni täglich 41 Züge in Schleswig-Holstein ausgefallen sind – meist, weil nicht genug Personal da war. Eine Strecke stach dabei besonders negativ hervor. Das sind die Hintergründe und das sagen Bahn und Auftraggeber dazu.
Christian Hinkelmann
Eine Regionalbahn auf Fehmarn
Eine Regionalbahn auf Fehmarn
Foto: Christian Hinkelmann

Dass das 9-Euro-Ticket die Deutsche Bahn vor enorme Herausforderungen stellen wird, war vorher absehbar. Aber dass in nur einem Monat allein in Schleswig-Holstein 1.228 Zugfahrten komplett ausgefallen sind und weitere 751 Züge so randvoll waren, dass eine Mitfahrt nicht mehr garantiert werden konnte, überrascht dann schon.

Das hat eine Datenrecherche von NAHVERKEHR HAMBURG ergeben, für die systematisch alle Twitter-Posts ausgewertet wurden, die die Deutsche Bahn im Juni über ihren Account „DBRegio_SH“ veröffentlicht hat. Insgesamt 4.485 Datensätze, in denen das Unternehmen pausenlos meldete, was gerade alles im schleswig-holsteinischen Nahverkehr nicht rund lief.

Die Daten liefern tiefe Einblicke in das System Bahn, die so normalerweise nicht für die Öffentlichkeit sichtbar sind, denn weder die Deutsche Bahn noch der schleswig-holsteinische Verkehrsverbund NAH.SH veröffentlichen von sich aus solche detaillierten Statistiken über Zugausfälle und überfüllte Züge.

4.485 Datensätze aus Twitter-Posts der Deutschen Bahn wurden für die Recherche ausgewertet, kategorisiert und vergleichbar gemacht.
Christian Hinkelmann 4.485 Datensätze aus Twitter-Posts der Deutschen Bahn wurden für die Recherche ausgewertet, kategorisiert und vergleichbar gemacht.

Auf diesen Strecken im Norden sind die meisten Züge ausgefallen

Lesen Sie in dieser Datenrecherche, auf welchen Strecken und an welchen Tagen im Juni die meisten Züge ausgefallen sind oder randvoll unterwegs waren. Lesen Sie auch, welche Begründungen dafür am häufigsten genannt wurden und was die Deutsche Bahn und der NAH.SH dazu auf Nachfrage sagen. Und lesen Sie, warum sich die Lage in den nächsten Monaten wohl nicht verbessern wird.

Um das Ausmaß der Störungen im schleswig-holsteinischen Bahnverkehr im Juni sichtbar machen zu können, haben wir einen Monat lang alle Tweets der Deutschen Bahn im nördlichsten Bundesland gespeichert, kategorisiert und in langen Exceltabellen vergleichbar gemacht. Zur Hilfe kam uns dabei, dass die Bahn auf ihrem Twitter-Account DBRegio_SH außergewöhnlich akribisch und vorbildlich sämtliche Störung postet und auch meist Begründungen dazu liefert, deren Wortlaute standardisiert sind.

Es kann davon ausgegangen werden, dass die Deutsche Bahn nicht alle einzelnen Störungen in ihrem Betrieb auch tatsächlich meldet. Gerade bei größeren Ausfällen oder großflächig vollen Zügen ist die DB in ihren Tweets öfter dazu übergegangen, nicht mehr einzelne Zugfahrten zu melden, sondern nur noch allgemein auf Ausfälle, bzw. hohe Auslastungen im Netz hinzuweisen. Wir haben diese Sammelmeldungen in unserer Auswertung jeweils nur als eine Störungsmeldung gewertet, wenn sie sich nicht mit händischer Recherche einzelnen…

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Der Kopf hinter diesem Artikel

Christian Hinkelmann ist begeisterter Bahnfahrer und liebt sein Fahrrad. Wenn er hier gerade keine neue Recherchen über nachhaltige Mobilität veröffentlicht, ist der Journalist und Herausgeber von NAHVERKEHR HAMBURG am liebsten unterwegs und fotografiert Züge.

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4 Antworten auf „Personalnot im Norden: 1.228 Zugausfälle in einem Monat“

Eine Streckensperrung auf RE83/RB84 wegen „Personen im Gleis“ an zweiten Wochenende der Kieler Woche habe ich mit erlebt: Nach einer Stunde war ja völlig irrelevant, welcher der fälligen Züge nun ausfällt oder verspätet ist. Wer online nachsah, konnte die Lage einigermaßen erkennen und auf eine baldige Abfahrt hoffen oder den Anstieg der Verspätungen verfolgen. Wer aber nur die Ansagen und die Minianzeige auf dem Bahnsteig beachtet hat und pünktlich zum zweiten betroffenen Zug, aber zu einem ungünstigen Zeitpunkt am Bahnhof erschien, wurde evtl. erstmal mit der Information über zwei Ausfälle begrüßt. Da fehlte eine hinreichend große Anzeige, die jederzeit für beide Richtungen schlicht die jeweils nächste erwartete Abfahrt anzeigt.
Und wenn dann noch die mobile Telefonie (vermutlich durch Gewitter?) gestört ist und nicht mal einfach ein Anruf bei der Arbeit möglich, kann das eine Mitwartende einigermaßen verzweifeln lassen. Die meisten wollten wohl in Gruppen zur Kieler Woche und viele haben tapfer durchgehalten.
Als dann in beide Richtungen die ersten Züge wieder fuhren, fuhren sie vorbei, ohne zu halten – denn es waren RE. In dem einzelnen Triebwagen der ersten RB nach Kiel sind dann in Ascheberg so gerade noch alle mitgekommen.

Eine Statistik, die so zu erwarten war.

Die Bimmelbahn RB76 fällt halt aus, Alternativen sind genug da und so viele Fahrgäste trifft es ja meist nicht. Schwamm drüber.
Alle anderen Linien des Dieselnetzes geraten natürlich schnell an ihre Grenzen, wenn so ein „Ackertrecker“ alias LINT ne größere Gruppe aufnehmen muss.

Der RE7 sticht bei den randvollen Zügen meist hervor, weil dieser mal wieder ab Hamburg nur einteilig fährt, da die TWINDEXX Wagen ja gerne mal alle viere von sich strecken. Da erfolgt halt nen Umstieg in „Neufinster“ in die jeweilige Richtung. Das so ein Zug mit seinen 4 Wägelchen und der etwas überdimensionierten 1. Klasse dann aus allen Nähten platzt – war und ist vorauszusehen. Zusätzlich müssen ja meist Fahrgäste aus den hoffnungslos verspäteten Fernzügen aufgenommen werden, die in Hamburg dann eine Profalla-Wende hinlegen und sich den Weg auf die „grüne Wiese hinter Hamburg“ sparen.

Der RE6 ist ja sowieso ne Liga für sich. Da fliegt dem NAH:SH und DB Regio ja seit Jahren alles um die Ohren und geschrien wird von allen Seiten inkl. Medienwirksamer Protestaktionen von frustrierten Pendlern.

Kommen wir zu meiner absoluten Lieblings- und Stammlinie.
– Der RB81 –
diese Linie sprengt doch irgendwie alles bisher Genannte.
Der NAH:SH und die DB Regio veröffentlichen jedes Jahr Fahrpläne deine kunterbunte heile Welt darstellen. Lokalpolitiker kündigen Verbesserungen an Wagenparks und Lokomotiven an. Die Arbeiten für die S4 haben begonnen.
Nun zur Realität: Es vergeht fast kein einziger Tag, wo auf dieser Strecke nicht ein Zug zu spät (mittlerweile schon egal, Hauptsache er kommt irgendwann) oder halt einfach ausfällt.
Die versprochenen Fünf-Wagen Garnituren sind seit Monaten (auch schon vor der Ukraine und Corona) Makulatur. Zur Elektrifizierung 2009 hat DB Regio neue Wagen bekommen und diese nun soweit zu Schrott gefahren, das denen nun alles um die Ohren fliegt, in Kiel ist der Hof voll mit defekten Wagenparks. Das RB81 Garnituren dann auf dem RE70 aushelfen müssen und dann natürlich fehlen, ist ja hier bereits bekannt.
Die Lokomotiven, denen nach 30 Jahren langsam die Puste ausgeht und durch Mangelwirtschaft bis zum Ausfall auf offener Strecke auf verschleiß fahren, weil nicht genug neue Loks der BR146 zur Verfügung stehen.
Der Fahrplan, der so konstruiert ist, dass die RB81 quasi davon abhängig ist, ob der super RE8/80 auch ja pünktlich ist. Bei nur kleinsten Unregelmäßigkeiten ist die RB81 dazu verdammt, am Hbf hinter dem RE zu parken und so lange zugeparkt wird, bis dieser die Halle verlässt. In Bad Oldesloe/Bargteheide/Ahrensburg die Vorbeifahrt oder die Überholung abwarten muss. Bei anderen Verspätungsgründen wird dann zur beliebten Profalla-Wende gegriffen. Folge: Der Zug ist dann wieder pünktlich. Aber ein Linienast sitzt ne Stunde ohne Anbindung da.
Ersatzkonzept: Meist Fehlanzeige! Nehmen Sie den Nächsten!
Vielleicht hält der super RE mal in Bargteheide oder Ahrensburg. Der Hamburger Osten kann sich ja in die Rumpelbusse stopfen.
Die schon erwähnte Resignation äußerte sich gestern (07.07.22) wieder. Aufgrund „Reparatur an der Strecke“ zwischen Rahlstedt und Ahrensburg folgen gleich zwei Umläufe aus dem Fahrplan. Folge: ca. 90 Minuten kein Zug zum Hbf. Das bekannte Informationsmanagement kennt man ja. Die Anzeigen an den Bahnsteigen in Rahlstedt zu 3/4 Defekt. Ansagen kommen nur sporadisch. Der 26 nach Farmsen dementsprechend voll, da es dort aktuell auch zu ausfällen wegen Personalmangel kommt.

Es folgt etwas Satire mit einem Hauch von „geistigem Prellbock“:
Vielleicht sollten die Pendler in Rahlstedt so ne Aktion á la Marschbahn durführen. Dann ist auf der Strecke ersteinmal Sendepause! In Ahrensburg fährt ja ne U-Bahn *grins*. Gibt dann auch etwas Mediale Aufmerksamkeit. Möge die S4 im Plan bleiben!

Ein leicht genervter RB81-Nutzer

Danke! So sieht’s aus.
Eigentlich „schreit“ der Fahrplan schon seit Jahren nach der S4, so ausgelastet ist der auf unserer Linie. Ich vergleiche die immer mit einer zu kurzen Bettdecke: Ziehe ich an einem Ende, dann sind die Füße frei usw..

„Rumpelbusse“ – der ist gut ?
Oder auch: „altmodische Schleuderkisten“, „rüttelnde Dieselmonster“, „sitzarme Blechungetüme“… ?

Sozusagen nichts Neues in SH und HH.

Interessant ist vor allem die Diskrepanz zwischen Ausfall und „randvoll“ bei der RB81. Beim Ausfall ist sie wieder absoluter Spitzenreiter. (Die kurze „innerstädtische“ RB76 klammere ich jetzt bewusst aus, da sie vermutlich schnell mal wegen alternativer Busverbindungen „geopfert“ wird.) Und bei den randvollen Zügen erscheint die RB81 nicht mal unter den 10 am stärksten betroffenen.
Das bestätigt meine Erkenntnis schon seit Jahren, dass die Fahrgäste auf meiner Linie zu einem großen Teil resigniert haben und wenn möglich auf andere Verkehrsmittel ausweichen.
Z.B. meine Beobachtung gestern nachmittag: Die Kreuzung Sonnenweg / Tonndorfer Hauptstraße war total ausgelastet, fast schon blockiert. Der Verkehr hatte sich vor allem im Sonnenweg von der Kreuzung Sonnenweg / Stein-Hardenberg-Straße zurück gestaut. Dazu kamen noch die „Dunkelgelb-Linksabbieger“, die dann wiederum mit dem grünen Querverkehr ins Gehege gekommen sind.
Dass das 9-Euro-Ticket irgendwie zu einer Reduzierung des Autoverkehrs in meiner Wohngegend führt, habe ich nicht bemerkt. Im Gegenteil, es kommt mir vor, als ob der noch zugenommen hat.

Und das wird in absehbarer Zeit nicht besser werden. Hoffentlich sind die Leute dann noch zurück zu gewinnen wenn die S4 fährt, die nach aller Wahrscheinlichkeit erst nach 2030 kommen wird?

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