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Die Coronakrise nimmt kein Ende und der Hamburger Verkehrsverbund verliert darin immer mehr Stammkundinnen und -Kunden. Das geht aus neuen Zahlen hervor, die der Verbund auf NAHVERKEHR HAMBURG-Nachfrage mitgeteilt hat. Und die haben es in sich: Demnach haben im vergangenen Jahr insgesamt rund 177.000 Menschen ihr HVV-Abo gekündigt. Im Vergleich zu 2019 entspricht das einem Anstieg von 34 Prozent, bzw. 45.000 Kündigungen.
Allerdings betonte der Verbund, dass im gesamten vergangenen Jahr auch 155.000 neue HVV-Abos abgeschlossen wurden. Somit lag das Minus in 2020 unter dem Strich bei 22.000 Abonnentinnen und Abonnenten – ein spürbarer Schlag für den Verbund, der in den Jahren zuvor stets Wachstumszahlen verbuchen konnte.
Noch einmal deutlich verschlimmert hat sich die Lage für den HVV dann zu Beginn dieses Jahres – also mitten im zweiten Lockdown. Demnach gingen im Januar insgesamt etwa 17.900 Kündigungen beim Verkehrsverbund ein. Das entspricht einem Zuwachs von 88 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, in dem lediglich 9.500 Kündigungen gezählt wurden. „Offenbar sind durch die Verlängerung und Verschärfung des Lockdowns im Januar vermehrt Fahrgäste zu dem Entschluss gekommen, ihr Abo nicht mehr in Anspruch nehmen zu wollen bzw. zu können“, erklärte HVV-Sprecher Rainer Vohl die vermuteten Beweggründe und betonte, dass die Wiederaufnahme von Abos jederzeit „taggenau“ möglich sei. Außerdem seien für Firmen, die ein Großkundenabonnement haben, im Moment jegliche Mindestabgabemengen, Zahlungsaufstockungen und Sperrfristen aufgehoben.
Noch keine konkreten Pläne für Homeoffice-Abo
Völlig offen ist dagegen noch, ob und wie der HVV mit neuen Ticketangeboten auf den massiven Kundenschwund reagieren wird. Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel die Einführung neuer flexiblerer Abonnements für Menschen, die voraussichtlich auch in Zukunft zumindest teilweise im Homeoffice bleiben werden und nicht mehr an fünf Tagen in der Woche zur Arbeit fahren müssen. Für sie sind die klassischen HVV-Abos unattraktiv geworden.
Bereits im vergangenen Oktober, also vor viereinhalb Monaten, erklärte der Verbund hierzu auf NAHVERKEHR HAMBURG-Nachfrage, dass er sich „intensiv“ mit solch „neuen Tarifangeboten“ beschäftige. „Ein flexibleres Abo-Angebot sei derzeit Teil dieser Überlegungen“, erklärte HVV-Sprecher Vohl damals (siehe hier).
Doch seitdem ist offenbar nicht viel passiert. Auf erneute Nachfrage erklärte der Verbund jetzt, dass es die Überlegungen nach wie vor gebe, aber dass sich bislang kein neuer Sachstand ergeben habe.
Dabei können solche neuen Flexi-Abos ein wichtiger Baustein sein, um die verlorene Stammkundschaft nach der Coronakrise zumindest in Teilen wieder in Bahnen und Busse zurückzuholen. So sieht es auch eine Studie des Berliner Think Tanks „Agora Verkehrswende“, die im vergangenen Spätsommer veröffentlicht wurde. Darin heißt es, dass „attraktivere Tickets für Beschäftigte in Teilzeit und solche, die zeitweise im Homeoffice arbeiten“, eine Antwort auf die Nachfrageveränderungen sein könne, die die Corona-Krise im Öffentlichen Nahverkehr ausgelöst habe (hier ganze Studie lesen).
In Stuttgart kommt im April eine neue Flexi-Karte
In dieser Hinsicht ist eine deutsche Großstadt dem HVV derzeit weit voraus: In Stuttgart wird nämlich im April ein neues 10er-Tagesticket eingeführt, bei dem sich Fahrgäste per App ein Paket von zehn Tageskarten kaufen können und dafür einen großzügigen Rabatt von 21 bis 25 Prozent bekommen. Wann die zehn Karten innerhalb eines Monats benutzt werden, können die Fahrgäste frei wählen. Das eilig eingeführte neue Angebot soll ein Zwischenschritt zu einem ganz neuartigen „Flex-Abo“ darstellen, das für die Zukunft geplant ist, heißt es in einer Mitteilung des dortigen Verkehrsverbunds VVS (siehe hier).
Baden-Württemberg fördert Flexi-Abos mit 20 Millionen Euro
Stuttgart wird mit diesem Angebot voraussichtlich nicht allein bleiben. Erst vor wenigen Wochen hatte die grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg angekündigt, 20 Millionen Euro in die Entwicklung von innovativen „Flexi-Abos“ im öffentlichen Nahverkehr investieren zu wollen. „Die flexiblen Abos sollen den geänderten Mobilitätsbedürfnissen besser entsprechen“, heißt es auf der Website des Landes (siehe hier). „Im Zuge der Corona-Pandemie wird erkennbar, dass künftig mehr Beschäftigte die Angebote und Möglichkeiten des Homeoffice nutzen werden und sich diese Entwicklung auch auf Studierende und gegebenenfalls perspektivisch auf Schülerinnen und Schüler ausdehnen wird“, heißt es dort weiter. Um diese so wichtigen Abo-Gruppen auch in einer veränderten Arbeits- und Lernwelt in Bussen und Bahnen zu halten und neue Gruppen für diesen zu gewinnen, brauche es flexible Tarifmodelle. „Die nun zur Verfügung gestellten Mittel sollen einen Anstoß geben, den Weg in diese neue Welt der innovativen Tarifangebote zu gehen.“
Auch Berlin denkt über flexiblere Abos nach
Und auch in Berlin wird derzeit intensiv über flexiblere Tickets für Bahnen und Busse nachgedacht (siehe hier). Konkrete Ergebnisse gibt es da aber noch nicht.
8 Antworten auf „Plus 88 Prozent: Zahl der Abo-Kündigungen im HVV ist im Januar drastisch gestiegen“
Bei mir müssten es ca. die 55 Euro pro Monat für das AB-Profiticket sein, die der Linie 5-Fan genannt hat. Bisher hab ich es aus Solidarität noch nicht gekündigt, genutzt hab ich es allerdings schon seit mindestens 6 Monaten nicht mehr. Die 5 Hin- und Rückwege in den letzten 12 Monaten vom Home Office ins Büro hab ich jedenfalls alle zu Fuß, per Fahrrad oder (bei schlechtem Wetter) per Taxi zurückgelegt. Das hatte jedes Mal den Vorteil, dass man den selbsternannten Ordnungshütern aus dem Weg gehen konnte, die in Bus & Bahn keinen Abstand halten wollen (ok, in der 5 auch nicht können) und gleichzeitig aber sofort Schnappatmung kriegen, wenn die Maske 1mm falsch sitzt. Also im Prinzip Win-Win-Situation, der HVV kriegt weiterhin meine Kohle und für die Vermummten bleibt mehr Platz in den Öffis.
Solch flexible Abo-Modelle wären absolut notwendig.
Mit meinem Profiticket für immerhin 84€ bekomme ich in der HVV-App 26 Einzelfahrscheine — so viele Fahrten habe ich die letzten Monate bei Weitem nicht gemacht.
Wenn Kultur und Sport wieder möglich sind, wird sich das vielleicht zum Teil wieder ändern, aber mein Arbeitgeber hat schon angekündigt, auch nach Corona an den maximal flexiblen Home Office Regelungen festzuhalten.
Das heißt, auch ich werde dann rechnen, ob sich ein Abo noch lohnt.
Und wenn dann die Leistung des HVV zusätzlich nicht gut ist (wie momentan die RB81, die bei meinen wenigen Fahrten in den letzten Wochen ihrem schlechten Ruf alle Ehre getan hat), dann muss ich mich einmal mehr fragen, ob ein Abo dieser Preisstufe noch Sinn ergibt.
Welcher Hamburger zahlt denn 84 Euro fürs Profiticket? Für AB zahlt man knapp 55 Euro.
Wieviel der Arbeitgeber übernimmt ist nicht überall gleich. Ich zahle auch mehr als 55€ für AB. Und da der Herr mit der RB81 zur Arbeit fahren muss, reicht bei ihm eventuell der AB Bereich nicht?
Wer z.B. bei der Uni Hamburg angestellt ist, zahlt diesen Preis, da es keinen Zuschuss gibt. Ob das auch für andere Behörden und Dienststellen gilt, weiß ich nicht.
Korrekt, ich bin ebenfalls im öD beschäftigt, und mein Arbeitgeber bezuschusst die Karte nicht.
15 Euro muss doch jeder Arbeitgeber mindestens dazuzahlen. Bei knapp 70 Euro minus 15 komm ich jedenfalls nicht auf 84 (hatte im vorigen Betrag noch die Preise von 2020 im Kopf). Außer man wohnt gar nicht in Hamburg und braucht folglich mehr Bereiche. Dann bietet sich aber auch ein Umzug ins Stadtgebiet an.
Es gibt 3 verschiedene Preisklassen von ProfiTickets, je nachdem wie viele Arbeitnehmer in einem Betrieb oder einer Behörde daran teilnehmen. Vor den alljährlichen Preiserhöhungen kursiert bei uns immer eine Zusammenstellung des HVV, auf der das immer vermerkt ist. Ansonsten mal in die AGB schauen.