Ausfälle, Verspätungen, Sperrungen: Bahnfahrende im Raum Hamburg sind seit Jahren Kummer gewohnt – vorwiegend bei der S-Bahn, dem Regional- und Fernverkehr. Einer der Hauptgründe ist – neben dem aktuellen Personalmangel – der schlechte Zustand des Bahnnetzes. Seit vielen Jahren fährt die Deutsche Bahn auf Verschleiß, hat bisher nur das Nötigste repariert – bei zunehmendem Verkehr.
Inzwischen ist das Schienennetz extrem marode: knapp die Hälfte aller Stellwerke befindet sich in einem schlechten, mangelhaften oder sogar ungenügenden Zustand, ebenso 42 Prozent aller Bahnübergänge, ein Viertel aller Weichen, 23 Prozent der Gleise, 22 Prozent der Oberleitungen und elf Prozent aller Brücken. Diese Zahlen stammen aus einem DB-internen Zustandsbericht, der im Frühjahr öffentlich wurde und schonungslos auflistet, was in der Vergangenheit alles liegen blieb.
Das Problem ist seit vielen Jahren allseits bekannt, doch gelöst wurde es bisher nie so richtig. Erst, seitdem die Verkehrswende immer mehr im Mittelpunkt steht, deutet sich eine Trendwende an, denn bis zum Jahr 2030 sollen sich die Passagierzahlen im Bahnverkehr verdoppeln.
Um dieses Ziel überhaupt auch nur ansatzweise zu erreichen, soll das Bahnnetz im ganzen Land in einer Art Hauruckaktion von Grund auf saniert werden. Der Bund nimmt dafür gigantische Summen in die Hand. 40 Milliarden Euro bekommt die Bahn bis 2027 zusätzlich überwiesen, um ihre Infrastruktur auf Vordermann zu bringen – wenn sie denn bis dahin überhaupt genügen Personal für Planung und Bau findet.
Bis 2030 sollen in mehreren Etappen 40 besonders viel befahrene und strategisch wichtige Strecken in mehreren Etappen zu einem 9.000 Kilometer langen Hochleistungsnetz ausgebaut werden. Das sind rund 27 Prozent des Gesamtnetzes.
Für die Fahrgäste bedeutet dieser grundsätzlich gute und wichtige Schritt aber erst einmal: Bahnfahren wird in den kommenden Jahren noch anstrengender und problemreicher, denn Bund und Bahn wollen für die anstehende Generalsanierung immer gleich komplette Strecken mehrere Monate lang komplett sperren und in dieser Zeit unterschiedlichste Arbeiten gebündelt durchführen, sodass diese Strecken in den Jahren danach möglichst nicht mehr angefasst werden müssen.
Was aus Sicht der Verantwortlichen große Effizienzvorteile mit sich bringt, hat aus Fahrgastsicht extrem unangenehme Folgen: Sie müssen monatelang auf Ersatzbusse umsteigen oder lange Umwege in Kauf nehmen.
Allein rund um Hamburg soll es in den nächsten Jahren vier lange Vollsperrungen geben. Dazu kommen noch vier weitere Langzeitsperrungen im Norden, die zwar nicht im Zusammenhang mit den Generalsanierungen stehen, aber den Bahnverkehr in den betroffenen Regionen ebenfalls monatelang massiv einschränken. Insgesamt geht es um sieben Strecken (eine davon wird zweimal für lange Zeit gesperrt).
NAHVERKEHR HAMBURG gibt eine Übersicht: Auf diesen Bahnstrecken rund um Hamburg werden bis 2030 viele Monate lang keine Züge fahren und diese Arbeiten sollen während der Sperrungen erledigt werden.
Diese Strecken sind bereits gesperrt
Die längste Vollsperrung im Norden befindet sich zwischen Neustadt in Holstein und der Insel Fehmarn. Dort fahren schon seit mehr als einem Jahr keine Züge mehr, weil die Route im Zusammenhang mit dem Fehmarnbelttunnel nach Dänemark abgerissen und größtenteils komplett neu gebaut werden soll. Bis voraussichtlich 2029 stehen dort alle Signale auf Rot. Wer nach Fehmarn will, muss in Lübeck in Ersatzbusse umsteigen.
Außerdem ist seit Mitte September die Regionalbahnstrecke zwischen Husum und St. Peter-Ording komplett gesperrt. Bis voraussichtlich zum 17. Dezember fahren dort keine Züge, nachdem der Verkehr dort schon in den vergangenen Monaten extrem unzuverlässig gelaufen war. Im Juni fiel dort beispielsweise fast jeder zweite Zug aus, im Juli und August wurde ein Viertel der Fahrten gestrichen. In den nächsten Monaten will die Deutsche Bahn vor allem am Bahnhof von Tönning, der sich in der Streckenmitte befindet, die maroden Gleise, Bahnsteige und…
14 Antworten auf „Bahnfrei im Norden: Diese sieben Strecken sind bis 2030 monatelang gesperrt“
Diese Manie der Generalsanierungen und Totalsperrungen sind ein Armutszeugnis der DB und vor allem der Verkehrspolitik.
Herr Wissing fliegt eben eher.
Ich habe z.B. noch nie gehört, dass ein Flughafen mehrere Monate toatl gesperrt ist, um ihn zu sanieren.
Es gibt und gäbe natürlich Alternativen. Diese zeigen andere europäische Länder- voran die Schweiz.
Stichwort „Sanierung unter dem rollenden Rad“
Und früher war es auch in Deutschland möglich, so auf der Schiene zu sanieren, dass weiterhin Züge fahren können.
Wäre schön wenn Nahverkehr nicht nur die Misere beschreibt, sondern auch Kritik und Alternativen aufzeigt.
Ich möchte Ihnen hier bez. des Artikelaufbaus von NVHH widersprechen:
Herr Hinkelmann hat hier viele ältere themenbezogene Artikel von NVHH verlinkt, so dass man sich hier gut und objektiv (!) über die im Artikel beschriebenen Inhalte informieren kann.
Was Herrn Hinkelmanns persönliche Meinung (oder die der anderen Personen im NVHH-Team) zu diesen Ausbauplänen ist, ist in Anbetracht seiner langjährigen Arbeit im Themengebiet ÖPNV sicherlich auch interessant zu erfahren, dies sollte dann aber nicht in einem Artikel wie diesem erfolgen, sondern, wie journalistisch üblich, in einem separaten Meinungsartikel.
Ich jedenfalls freue mich an drei Tagen der Woche hier gut aufbereitete Infos zu bekommen!
Die Kritik an den Plänen der Bahn erfolgt dann ja auch regelmäßig im Rahmen der Kommentierung u.a. durch Sie und Herrn Jung.
Zum eigentlichen Thema:
Der aktuelle Zustand des Netzes und dessen Sanierung erfordert sehr viele Einzelmaßnahmen. Würden diese jeweils über mehrere Jahre und parallel erfolgen, würde das schlicht nicht mehr stemmbare Personal- und Materialressourcen binden.
Daher ist der von der Bahn gewählte Weg, nur wenige parallele Bauabschnitte zu haben, in denen dann konzentriert gearbeitet werden kann, der zielführendere.
Insofern hinkt auch Ihr Vergleich mit der Sanierung eines Flughafens etwas, da es einfach noch nie einen Flughafen gab, bei dem sowohl Terminals, Landebahn Werkstätten UND Tower Sanierfälle waren. Vermutlich würde man so einen Flughafen auch zunächst sperren.
Hallo, meinen Sie wirklich, dass es okay ist, eine hier gezeigte Grafik zwar mit Quellenangabe zu verwenden, und dann einen eigenen Kommentar darauf zu setzen? Wenn so etwas nicht abgesprochen sein sollte, dann würde zumindest ich das nicht gut finden.
Hallo Herr Ruge,
danke, dass Sie das Thema ansprechen. Aus Transparenzgründen hier ein Hinweis dazu:
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Im hier vorliegenden konkreten Fall haben wir der Initiative „Prellbock Altona“ keinerlei Nutzungsrechte für die genannte Grafik eingeräumt und sind auch nicht danach gefragt worden. Wir stehen mit dieser Initiative in keinerlei Verbindung und distanzieren uns auf Schärfste von der dort verbreiteten Pressemitteilung, die unerlaubt eine Grafik von uns erhält. Wir haben die Initiative bereits aufgefordert, die Verbreitung der Grafik unverzüglich zu stoppen.
Viele Grüße
Christian Hinkelmann
Hallo Herr Hinkelmann,
ich hätte meinen Text gern schärfer formuliert, wusste natürlich nicht, ob es nicht doch genehmigt war.
Vor allem bei „Baustellenterror“ ist mir „der Kamm geschwollen“. Diese Mengen an Einschränkungen sind alles andere als schön, aber „Terror“ sind sie nicht.
Was wirklich Terror ist, sollte eigentlich gerade in diesen Tagen klar werden.
Übrigens: Auf „Lok Report online“ steht der Text leider immer noch. (Stand 8:14)
Die Beschreibung dessen, was auf die Bahnhrer im Norden zukommt ist das eine, die Entwicklung von Alternativen, wie die Strecken auch ohne Vollsperrung saniert werdden können, das andere. Hier wäre Nahverkehr gefordert Altentiven zu entwickeln. Es ist unglaublich, dass die Politik dieses Brutalkonzept der DB so einfach unkommentiert oder bestenfalls mit einem Schulterzucken zur Kenntis nimmt. Im Ausland werden Strecken, wie auch bei der Bundesbahn früher unter dem „rollenden Rad“ saniert. Warum soll das bei der Detuschen Bahn nicht mehr möglich sein? Keiner würde je auf die Idee kommen, die Autobahn von Hamburg nach Bremen oder von Hamburg nach Berlin oder von Hamburg nach Hannover voll für 6 Monate und länger zu sperren. Der politische Aufschrei ginge quer durch alle Parteien. Und bei der Bahn: betretenes Schweigen! Leider auch von den Fahrgastverbänden Pro Bahn und VCD! Man erinnere sich: die Autobahn von Hamburg nach Bremen wurde bei vollem Betrieb unter der Aufrechterhaltung von immer mindestens zwei wenn auch verschmalerten Fahrspuren pro Richtung auf sechs Spuren ausgebaut. Nicht ohne Grund nannte der ehemalige Chef der Schweizer Bundesbahnen Benedikt Weibel das Generalsanierungskonzept der DB: „Selbstmord auf Raten“. Wenn das Programm so wie beschrieben auf den Hauptstrecken umgesetzt wird, dann wird das mit der Verkehrswende garantiert nichts.
Wenn man den Vergleich mit der Autobahn ziehen möchte, kann man ja auch den A7-Deckel in den Ring werfen. Insgesamt 14 Jahre Bauzeit unter rollendem (Auto-)Rad. Ich glaube, der ein oder andere Pendler würde da auch im morgendlichen Stau auch mal eher die Variante „6 Monate komplett zu und dann läuft das wieder“ vorziehen. 🙂
Aber das ist von Prellbock wieder diese typische deutsche Argumentation: Es gibt nur Schwarz (Totalsperrung ist Selbstmord) oder weiß (Bauen unter rollendem Rad). Vielleicht sollte man mal – insgesamt bei Debatten einfach mal hinnehmen – das es für verschiedene Varianten immer Pro- und Contras gibt. (Hilft ungemein in Diskussionen, wenn man einmal den anderen versteht…)
Hallo, meinen Sie wirklich, dass es okay ist, eine hier gezeigte Grafik zwar mit Quellenangabe zu verwenden, und dann einen eigenen Kommentar darauf zu setzen? Wenn so etwas nicht abgesprochen sein sollte, dann würde zumindest ich das nicht gut finden.
Angesichts der aktuellen Lage in Nahost habe ich mich beim Lesen der besagten Pressemitteilung gefragt, ob man auf den Begriff (Baustellen-)Terror vielleicht hätte verzichten sollen.
Hallo Sebastian H.,
danke.
Ja, so ist es mir auch gegangen. (siehe meinen Kommentar weiter oben)
Liebes NAHVERKEHR HAMBURG Team,
könnt ihr mal bitte zu folgenden Punkten recherchieren:
1. Wie erfolgt zu der 1. Sperrung der Berliner Bahn 2024 der Verkehr Richtung Rostock-Stralsund (RE, IC, ICE)? Ist der mitbetroffen oder fahren diese Züge?
2. Wie erfolgt bei der 2. Sperrung 2025 der SPNV Richtung Rostock? Bestehen wieder „in der Summe“, d.h. mit Umsteigen durchgehende SPNV-Verbindungen über Lübeck? Wie wird das tariflich gestaltet? Wird das Mecklenburg-Vorpommern Ticket in dieser Zeit wieder über Lübeck nach Hamburg gelten und gilt es dann auch in der RB81?
3. Wird bei dieser Sperrung 2025 dann auch endlich das Umrichterwerk Schwerin in Betrieb genommen, für eine synchrone Stromversorgung zwischen Hamburg/(Lübeck) und Rostock/Adamsdorf(Neustrelitz)?
4. Was ist mit dem Bahnverkehr auf der RB81 geplant, wenn 2027 die Lübecker Strecke gesperrt wird und die S4 bis dahin noch nicht bis Rahlstedt in Betrieb ist?
5. Um was für Ladeunterwerke für Akkuzüge wird es sich in Schleswig-Holstein handeln, für 16,7 Hz oder 50 Hz? (Gegenwärtig werden solche kleinen Containerunterwerke für 50 Hz erprobt, die sicher erheblich billiger sind, da bei der anderen Variante im Grunde ein komplettes Umrichterwerk gebaut werden müsste.)
Vielen Dank schon mal im Voraus!
Hallo Herr Ruge, vielen Dank für den Input. Wir gehen der Sache mal nach.
Herzliche Grüße
Christian Hinkelmann
Wer nach Hamburg pendelt ist auf ein zuverlässiges Verkehrsmittel angewiesen. Nun wird man also noch sehr lange darauf warten müssen, bis Pendlern aus der Metropolregion Hamburg ein zuverlässiger ÖPNV als echte Alternative im Alltag zur Verfügung steht.
Somit wird das E-Auto in den nächsten 20 Jahren wohl zur einzige Hoffnung, um den CO2 Ausstoß beim Pendeln spürbar zu reduzieren.
Die Hoffnungen vieler Hamburger auf eine massive Reduzierung des Pkw-Verkehrs in Hamburg – was auch deutlich mehr Platz für Fahrräder etc. ermöglichen würde – bleiben solange bedauerlicherweise wohl unerfüllbar.
Der Ausbau zwischen Kiel und Preetz ist, wie in den Unterlagen zur Planfeststellung zu lesen, nur der erste Schritt auf der Strecke in Richtung Lübeck. Da sind also weitere Sperrungen zu erwarten. Immerhin scheinen sie mir eher verständlich als die mehrwöchigen Sperrungen der letzten Jahre wegen neuer Stellwerkstechnik oder Arbeiten an dem einen Bahnsteig von Malente.
Und was passiert, falls Bad Schwartau tatsächlich tiefergelegt wird?